Kategorie: Allgemein

Ein leichtes Vibrieren

  „Ich war bei ganz vielen Ärzten schon“, sagte der nette Herr zu Herr Nipp. Seit einiger Zeit habe er immer so ein Kribbeln in der Brust. Erst nur ganz sacht, inzwischen sei es allerdings schon ganz schön heftig. Niemand…

Sichtbarmachung

Lange bevor das Kürzel POC geläufig wurde, war May Ayim eine der Pionierinnen der kritischen Weißseinsforschung in Deutschland. KUNO erinnert an diese Lyrikerin regelmässig am 3. Mai Die Tochter des ghanaischen Medizinstudenten Emmanuel Ayim und der Deutschen Ursula Andler lebte…

Was nützlich ist und was ehrlich

  Kein Mensch ist davon frei, daß er nicht zuweilen Lappereien sagen sollte, das Unglück ist nur, daß die meisten solche gar zierlich geben wollen: Nae iste magno conatu magnas nugas dixerit. Mich trifft das aber nicht, die meinigen entfallen…

Nähere Bestimmung der schönen Nachahmung der Natur

  In dieser Ansicht liegt zugleich die Bestimmung, was schöne (geistige) Nachahmung der Natur sei. Mit einer trockenen Sacherklärung der Schönheit reicht man nicht weit. Die Kantische: »das sei schön, was allgemein ohne Begriff gefalle« legt in das »Gefallen«, das…

Eine spannungsgeladene Novelle mit hoher Symbolkraft

  Der erste Blick auf die Untertitel und die Gestaltungsmittel des Hard-Cover-Bandes hinterlässt gewisse Irritationen: Es sind Tropen als semantische Figuren, die ein ganzes Handlungsgefüge definieren, und Leitlinien, die mit dem als Novelle bezeichneten Text gewisse Hinweise auf den Plot…

Monolog im Leserstrahl 4

  Ich lernte schon immer leicht, Stimmen und Tonfälle, ja, Empfindungen und leise Erschütterungen des Gemüts zu imitieren. Ich kann verschiedene Kindheiten und Krankheiten  nachempfinden. Erinnerte Farben (Hautfarben) triumphieren vor dem sogenannten inneren Auge als Tarn- und als Leuchtfarben zugleich.…

Die demolirte Literatur

  Wien wird jetzt zur Grossstadt demolirt. Mit den alten Häusern fallen die letzten Pfeiler unserer Erinnerungen, und bald wird ein respectloser Spaten auch das ehrwürdige Café Griensteidl dem Boden gleichgemacht haben. Ein hausherrlicher Entschluss, dessen Folgen gar nicht abzusehen…

Plätze und Wege

  Eines ist ihm natürlich klar, der alte Spruch, welcher besagt, dass es kein schlechtes Wetter, sondern nur schlechte Kleidung für den wahren Wanderer gibt, ist vorsichtig zu genießen. Beim morgendlichen Blick aus dem Küchenfenster ins trübe Grau des Tages…

Bohême

  Philistrosität ist die Tendenz zur Verallgemeinerung. Präziser: Philistrosität ist die Tendenz, den eigenen sittlichen Horizont als moralischen Schutzkordon um die Menschheit zu legen. Der Satz erhellt aus der Gegenprobe. Der einwandfreieste Nichtphilister ist der, dessen soziales Verhalten am wenigsten…

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  schmerzt ein Himmel vor Sehnsucht nach Frieden trau dich zu fürchten zu lieben was einfach ist Sonne Sonne Licht       *** Baumzyklen, Gedichte von Sophie Reyer, KUNO 2023 Weiterführend →  Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In…

Selbstporträt

*** Weiterführend → Eine  Würdigung von Jürgen Diehl finden Sie hier. Hören Sie auch die Hommage an Jürgen Diehl auf MetaPhon.

Klarheit und Schärfe des Blicks

1995 erklärte die UNESCO den 23. April zum „Welttag des Buches“, dem weltweiten Feiertag für das Lesen, für Bücher und die Rechte der Autoren. Die UN-Organisation für Kultur und Bildung hat sich dabei von dem katalanischen Brauch inspirieren lassen, zum…

Fritz Huf

  In Frankfurt am Main saßen wir uns gegenüber beim Maler Starke. Nach dem Abendschmaus boxten wir uns. Er trug, seiner holländischen Freundin zuliebe, Sackhosen wie die Fischer im Hafen von Rotterdam, ich meinen Arbeiterkittel. In der Frühe saß ich…

Das weiße Haus

  Man kennt die Romane des Dänen Herman Bang. Sie haben alle etwas Todtrauriges, Hoffnungsloses, Entmutigendes. Man erinnert sich der Menschen, die darin vorkommen, wie man sich vielleicht verlorener und unglücklicher Existenzen erinnert, von denen man als Kind gehört hat.…

Sein ist Zeit, sonst Nichts

  Es gibt keine Eigenschaft, kein separates Etwas, keine Größe, die allem Seienden gemeinsam ist oder in gleicher Weise zukommt. Kein ontologisches Gespenst namens Sein, dass sich neben dem Seienden ausmachen lässt: hier Seiendes, dort Sein. Es existiert nur eines:…

Raumgreifende Spracherkundung

Wer gelernt hat, den Zeichen zu misstrauen, dem bleiben zwei Optionen. Entweder legt man es darauf an, unter dem Schein der Oberfläche die eigentlichen ökonomischen, politischen oder sexuellen Triebkräfte zu enthüllen, oder man versucht, in der Wirklichkeit einem letztlich undurchdringlichen,…

Das Verdikt

  Einen Entschlussstrich ziehen. N@sty B. sieht sich nur kurz um. Wischt sich den Tabakfaden von der Zunge. Schnippt die Löte in den Ascheneimer. Trifft. Lässt die Tür sacht in das Schloss klacken. »Man muss sich gelegentlich daran erinnern, wer…

Ein unbequemer Denker

In der von den Massenmedien formatierten Öffentlichkeit ist Kritik durch Moralisierung ersetzt worden: Zwischen den Polen Lob und Tadel wird das Nachdenken eingespart, in Feuilletons und Talkshows wird längst nicht mehr diskutiert, sondern nur noch emotionalisiert. Norbert Bolz Für die…

Dirty Speech Revisited

Gelber schmutziger Himmel. Gelbschmutziger Himmel. Ein gelbschmutziger Himmel. Ein gelbschmutziger Himmel über mir. … Ein verdammter Scheißdreck von Himmel. Ein mieser gelber schmutziger Kölner verfluchter elender Kackhimmel. Ein von Lichtfetzen verkackter Himmel. Ein mieses Stück von Himmel. Ein Kackhimmel. Ein…

RSD

Der Record Store Day (kurz: RSD) ist der internationale Tag unabhängiger Plattenläden und findet am dritten Samstag im April des jeweiligen Jahres statt. Wer im digitalen Zeitalter nach 1991 geboren wurde, und in den Genuß des sterephonen Höhepunkts kam, wird…

Monolog im Leserstrahl 3

  Der winterlich kalte  Septemberwind blättert die Empfindlichkeit der Umgebung auf und legt Spuren, die er schon bald wieder verwischen wird. Er, der Mitwisser,  küßt flüchtig  verführerische Passagen der Gegend mit Schneeflocken; danach wird niemals mehr irgendetwas nachvollziehbar sein. Die…

Ein literarischer Geniestreich ?!

„Mit sprachlicher Bravour sperrt Hana Lehečková ihre Leserinnen und Leser in den Kopf eines geistig beeinträchtigten jungen Mannes ein.“   Der Auszug aus dem  Werbetext auf der Rückseite des Hardcover Bandes mit dem seltsam anmutenden Titel erregt insofern besondere Aufmerksamkeit…

Wir sind Nobodaddy’s Kinder

Lassen Se man: ich eigne mich schlecht als literarisches Mannequin. Arno Schmidt, 1953 auf Martin Walsers Einladung zur Gruppe 47 Manchmal atmen Literaturkritik und Literaturwissenschaft auf, wenn ein Autor nach seinem Tod nach und nach in Vergessenheit gerät. Etwas komplizierter…

ABSCHIED VON PETER ALTENBERG

  Mein lieber Peter, nun bist du tot, und man hat mich gebeten, etwas über dich zu schreiben. Man erwartet wohl etwas feierliches, große und klangvolle worte, wie sie eben ein freund finden wird angesichts des todes, angesichts … Aber…

Gezeitengespräch 4

Vorbemerkung der Redaktion: In diesem Jahr machen wir das vergriffene Gezeitengespräch von Haimo Hieronymus und Karl Hosse auf KUNO recherchierbar.   Zeitfern:   Die Eiszeit kommt. Wir denken an Urlaub vermehrt. Weil dort die Sonne lacht. Keine Blässhühner. Aber Strand,…

Ästhetik des Andersseins

„Günther Emigs Literaturbetrieb verhält sich zu Andy Warhols Factory wie eine postmoderne Melkmaschine zur Milch der frommen Denkungsart.“ (Quelle: Selbsteinschätzung auf der Webseite des Autors) Wir beginnen mit einer Rückblende in die alte BRD. Zu Beginn der 1970ger Jahre erlebt…

Zum Dazwischen als generative Grauzone im Schreiben Herta Müllers

„I see the shaded part on one side where the sleepers are sleeping, […]”[1] Das „Vor-Augen-Führen“[2] (Aristoteles, Rhetorik. 1410b) – damit nähern wir uns dem Aristotelischen Metaphernverständnis als Kraft des Sehens; die Sehkraft ist bereits eine Metapher[3] dafür, wie wir…

Monolog im Leserstrahl 2

  Kurz darauf das Rasseln vieler Schlüssel. Hartborstige Straßenbesen kehren Berge von Unrat zusammen. Der Scheinwerfer erlischt, rote Notbeleuchtung schmückt die Ausgänge. Erst jetzt hört man abgehackte Befehle. Viele starke Taschenlampen werden eingeschaltet und tasten mit ihrem Strahl die Decke…

Der Flözgänger

Solche Bücher sind nicht für einen Nachmittag oder für eine Bahnfahrt, sondern für ein ganzes Leben. Joachim Zelter Ulrich Bergmanns vielgestaltiges Werk reicht von Begegnungen, intensiven Alltagsbeobachtungen, glossierenden Zeitgeistbetrachtungen über die Wiederbelebung historischer Figuren bis zum weltläufigen Erzählen. Dieser Autor…

Essays von on the road

  Was er nicht ertragen kann, kann er nicht kapieren.       *** Fast dumm, „Essays von on the road“ von Ann Cotten, starfruit publications, 2017 FAST DUMM ist ein vielschichtiges Reise- und Reflexionsbuch, ein lose organisierter Verbund aus…

Irgendwas mit Murmeltieren

  Der Tag hat ihn wieder einmal mit seiner unglaublichen Kürze überrascht, tatsächlich ging die Sonne irgendwann wohl auch auf, hat sich über der Horizontlinie gezeigt und ist ebenso irgendwann dann einfach heimlich verschwunden. Wahrscheinlich hat der Himmel auch für…

Stufen

  Es war einem Berufenern überlassen worden, das herrliche Buch aus dem Nachlaß Christian Morgensterns: ›Stufen‹ (bei R. Piper & Cie. in München) eingehender und tiefer zu würdigen, als ich imstande gewesen wäre. Ich möchte nur eines dazu sagen. Es…

Zur Kenntlichkeit entstellt

Wer will nicht mit Gammlern verwechselt werden? Wir! / Wer sorgt sich um den Frieden auf Erden? Wir! / Ihr lungert herum in Parks und in Gassen, / wer kann eure sinnlose Faulheit nicht fassen? Wir! Wir! Wir! Freddy Quinn…

Wie die Galgenlieder entstanden

 Im ächten Manne ist ein Kind versteckt: das will spielen. Nietzsche. Es waren einmal acht lustige Könige; die lebten. Sie hießen aber so und so. Wer heißt überhaupt? Man nennt ihn. Eines Tages aber sprachen die lustigen Könige zueinander, wie…

Aus dem Hinterland

Eine Würdigung des Literaturvermittlers Theo Breuer Theo Breuer weiß, daß die Verwendung vertrauter Vorlagen keineswegs das Gelingen sichert. Er hat die Lyrik nie mit dem bloß Schönen verwechselt. Das Ästhetische hängt in den von ihm gemachten Versen eng mit dem…

Gebrauch des Wunderbaren

  Alles wahre Wunderbare ist für sich poetisch. Aber an den verschiedenen Mitteln, diesen Mondschein in ein Kunstgebäude fallen zu lassen, zeigen sich die beiden falschen Prinzipien der Poesie und das wahre am deutlichsten. Das erste oder materielle Mittel ist,…

Friede den Hütten! Krieg den Palästen!

Ha! du wärst Obrigkeit von Gott? Gott spendet Segen aus; Du raubst, du schindest, kerkerst ein, Du nicht von Gott, Tyrann! Ich sage euch: sein und seiner Mitfürsten Maß ist voll. Gott, der Deutschland um seiner Sünden willen geschlagen hat…

Der Untertan

Aber es wäre unnütz, euch zu raten. Die Geschlechter müssen vorübergehen, der Typus, den ihr darstellt, muß sich abnutzen: dieser widerwärtig interessante Typus des imperialistischen Untertanen, des Chauvinisten ohne Mitverantwortung, des in der Masse verschwindenden Machtanbeters, des Autoritätsgläubigen wider besseres…

delectare et prodesse

Vorbemerkung der Redaktion: Für das Projekt Kollegengespräche hat A.J. Weigoni einen Austausch zwischen Schriftstellern angeregt. Auf KUNO ist diese Reihe wieder aufgelebt. BENKEL welche symbiosen zwischen leben und kunst erlebst du bei deinen kulturreisen sowie besuchen von theatern, opernhäusern, museen…

Die Christenheit oder Europa

  Es waren schöne glänzende Zeiten, wo Europa ein christliches Land war, wo Eine Christenheit diesen menschlich gestalteten Welttheil bewohnte; Ein großes gemeinschaftliches Interesse verband die entlegensten Provinzen dieses weiten geistlichen Reichs. – Ohne große weltliche Besitzthümer lenkte und vereinigte…

Wochenmarkt – die drei Kundinnen

  Samstags kann man Herrn Nipp normalerweise früh schon auf dem Kleinstadtmarkt finden. Die Bauern der Umgebung bieten dort ihre eigenen Produkte an, aufgepeppt mit Zukäufen aus aller Herren Länder. Auch Fleischwaren, Fisch und Käse sind dort erhältlich. Ein meist…

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  und das Flüsterwasser: es wandern Flüsse in dir     *** Baumzyklen, Gedichte von Sophie Reyer, KUNO 2023 Weiterführend →  Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht sie der Frage nach, wie das Schreiben durch das…

HASENROULADE

  ich bekomme im restaurant eine hasenroulade serviert. die kellnerin zieht die fäden heraus, die das fleisch zusammenhalten. und aus der roulade pellt sich ein embryo hervor, bereits vollständig ausgebildet, aber offenbar durch einen schnitt amputiert, das heißt ohne füße,…

langsamer lesen, schneller verstehen

Vorbemerkung der Redaktion: Zum Welttag der Poesie wurde der 21. März von der UNESCO ausgerufen. Dieser Tag wird seit 2000 jedes Jahr gefeiert, er soll an „die Vielfalt des Kulturguts Sprache und an die Bedeutung mündlicher Traditionen erinnern.“ Weiterhin soll…

Reflexion

  Es gibt Grade der Begeisterung. Von der Lustigkeit an, die wohl der unterste ist, bis zur Begeisterung des Feldherrn, der mitten in der Schlacht unter Besonnenheit den Genius mächtig erhält, gibt es eine unendliche Stufenleiter. Auf dieser auf- und…

Poetische Materialisten

Aber ist es denn einerlei, die oder der Natur nachzuahmen, und ist Wiederholen Nachahmen? Eigentlich hat der Grundsatz, die Natur treu zu kopieren, kaum einen Sinn. Da es nämlich unmöglich ist, ihre Individualität durch irgendein Nachbild zu erschöpfen; da folglich…

Der erste moderne Roman

Auch heute noch, nachdem er sich 200 Jahre in der Lesewelt befindet, gilt von Laurence Sternes ‚The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman‘ das Urteil, daß es zu den 10 größten Büchern gehöre, die bisher in englischer Sprache geschrieben…

Kunst und die Infrastruktur geteilter Intentionalität_2.Teil

Differenzierung   2.1 In dem Augenblick, in dem das Kind die Infrastruktur geteilter Intentionalität ausbildet, wird es zum Handlungssubjekt, zum aktiv mitgestaltenden Teil seiner Lebenswelt. Ab dem zweiten Lebensjahr treten die Kinder zunehmend in die Phase des Erwerbs der gesprochenen…

Sackgasse

  N@sty B. hat das Stigma der Verräterin einer Aufrichtigkeitsbewegung. Revolte nach aussen ist für sie notwendig, um den inneren Frieden zu gewinnen. Als Exzentrikerin gehört sie zu den Menschen, die sich nicht entscheiden wollen, ob sie lieber eine Revolution…

Deutsch – eine Liebeserklärung

  Muttersprache, das Wort stammt wahrscheinlich, so sagen uns die Herkunftswörterbücher, aus dem Latein des Hochmittelalters, Lingua materna. Aber wie nahe uns die Sprache geht, wie nah sie bei unserem Gefühl ist, als Ausdrucksmittel und als Gegen-Stand, demgegenüber man Empfindungen…

Die Zukunft: Trans (BioMachtTransgender)

Vorbemerkung der Redaktion: Seit 1989 hat sich KUNO als Brückenbauer zwischen den Milieus verstanden. Was aber, wenn immer mehr Menschen in den Kategorien von „Gender“ und „Repräsentation“ denken, und „Diversity“ als einziges Narrativ im Kultur-Betrieb durchsetzen wollen? Bei der Kim…

Fragen zur kulturellen Aneignung

  Zur Zeit ist viel von ‚kultureller Aneignung‘ die Rede. In Bern zum Beispiel. Da wurde eine Band junger Schweizer Mundartmusiker zum zweiten Mal binnen kurzer Zeit ausgeladen, weil sie als Weiße jamaikanische Reggae-Musik spielten und einige Mitglieder der Band…

Gezeitengespräch 3

Vorbemerkung der Redaktion: In diesem Jahr machen wir das vergriffene Gezeitengespräch von Haimo Hieronymus und Karl Hosse auf KUNO recherchierbar.   Zeitnah (hier): Die Löcher sehen lernen. Wenn man das als Sinn der Betrachtung findet, kommt man der Kunst schon…

Zwischen Transzendenz und Körperlichkeit

Strategien seiner Darstellung / seine Offspacetheorie / subkultureller Ausschließungsmechanismus / er hat sich aus dem Kontext katapultiert   Der Ullrich spinnt doch sowieso, sagte mal einer, der macht sich sein Leben unnötig schwer. Wenig später sagte jemand Ähnliches; und ferner…

Peter Hille

  »Es dauert höchstens zwanzig Minuten, Peter!« Er nickte lächelnd – aber er vergaß auch sofort wieder, daß er den Kopf nicht hin- und zurückbiegen durfte, von der Zeitung auf und nieder, und so kam’s, daß ich entweder das rechte…

Das Dornröschen

  Wir leben im Zeitalter des Socialismus, der Frauenbewegung, des Verkehrs, des Individualismus. Gehen wir nicht dem Zeitalter der Jugend entgegen? Jedenfalls leben wir in einer Zeit, wo man keine Zeitschrift aufschlagen kann, ohne daß einem das Wort „Schule“ in…

Zum 100. Geburtstag von Milo Dor

  Wir verdanken ihm viel und haben ihm sehr zu danken. Er hat den Sozialfonds der Literar-Mechana begründet Den Milo Dor – fast niemand kennt seinen „wirklichen“ Namen Milutin Doroslovac – braucht man in der Österreichischen Literaturszene nicht vorzustellen. Jeder…

Twitteratur – die Kunst der Verkürzung

Der Traum des Kritikers ist es, eine Kunst durch ihre Technik zu definieren. (Roland Barthes) Am 21. März 2006 verschickte Jack Dorsey den erste „Tweet“ mit dem Inhalt „just setting up my twttr.“. Dies erinnert die KUNO-Redaktion an das erste…

Karl Marx – Revisited

  Dreißig Jahre sind es her, daß der Mann seine Augen für immer geschlossen hat, dem die moderne Arbeiterklasse mehr verdankt all irgendeinem sterblichen. Das Werk, dem Marx sein Leben gewidmet hat, kann nur aus der geschichtlichen Perspektive richtig gewürdigt…

Die neue Malerei

  Die denkwürdigsten Jahre der modernen Kunstentwicklung bleiben die 90er Jahre des vergangenen Jahrhunderts, in denen der französische Impressionismus sich in seinem eigenen Feuer verzehrte, während aus seiner Asche sich phönixgleich ein Schwarm neuer Ideen erhob, Vögel mit bunten Federn…

… unbewußt – höchste Lust!

Die Kunst und nichts als die Kunst! Sie ist die große  Ermöglicherin des Lebens, die große Verführerin zum Leben, das große Stimulans des Lebens. Friedrich Nietzsche (1888) Du verlierst dich im Rausch der Worte und Gedanken Nietzsches. Wenn du erst…

Er hats erfunden!

Die Philosophie ist, und zwar auch bei gescheiten Leuten, nur ein leeres Wort, das keine Beziehung zur Wirklichkeit hat. KUNO hat zum dritten Mal ein essayistisches Jahr ausgerufen. Die Redaktion muss daher zwingend auf den Erfinder der neuen literarischen Gattung…

Die Chinesische Mauer

  EIN MORD ist geschehen und die Menschheit möchte um Hilfe rufen. Sie kann es nicht. Sie, die Lärmvolle, immer bereit, mit dem stärksten Schrei den kleinsten Stoß zu rächen, sie, die sich das Maß der Schöpfung dünkt und nur…

Rentierflechte

  Es sind eigenartige, immer wieder überraschende Widersprüche, die einen aufmerksamen Leser bei seiner ersten Begegnung mit den Photographien von Sebastiao Salgado auf dem Umschlag und den Eingangsseiten des Buches mit dem seltsam fremden und zugleich scheinbar vertrauten Titel fesseln.…

auswege aus dem kapitalozän?

  eine der qualitäten dieses buches ist es, daß die autoren technologische entwicklungen historisch und gesellschaftlich einordnen und damit technokratischen denkweisen, die komplexität verweigern, etwas entgegensetzen. technik wirkt immer in prozessen und zusammenhängen. die »Einleitung« der herausgeber zitiert den maler…

Das Nippversum, ein Seitenarm der Guternberggalaxis

Herr Nipp, ein entfernter Verwandter von Herrn Keuner und Herrn Karl. Seit 1994 betreibt Herr Nipp auf KUNO das einfache, das wahre Abschreiben der Welt, er bewegt sich damit zwischen Ereignis und Reflexion. Bereit die erste Geschichte von Herrn Nipp…

Über das Wesen der Kunst

  Es ist einige Jahre her, seitdem ich ein literarisches Buch veröffentlicht habe. Nicht zögerte ich, weil ich nichts mehr geschrieben hätte – das Gegenteil ist der Fall. Ich zögerte aber, weil ich mir viele Gedanken machte, ob und warum…

Koppel

  Auf dem Weg zum nächst gelegenen Stausee kommt er an einer Pferdekoppel vorbei, am Ende einer ausgebauten Straße. Der asphaltierte Weg biegt von dort in einen Ortsteil ab, der nach jenem Wald benannt wurde, der sich dort zu früheren…

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  Notiz: Kein Sterben heißt kein Wachsen (und was ich an mir nicht ertrage zu lieben an dir)       *** Baumzyklen, Gedichte von Sophie Reyer, KUNO 2023 Weiterführend →  Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten…

Harald Gröhler … Flüchtig vorgestellt anhand einer Reihe von Büchern

  Wir hatten wenig; sehr wenig. Beinah hatten wir nichts. Das mache ich keinem zum Vorwurf; es sah eben nicht anders aus. Unlängst war grade ein Krieg gewesen. Dies die steilen Auftaktzeilen des spannungsgeladnen Klartextbuchs Kleppermühle. Und weshalb denk ich…

Max Herrmann

  Er ist der grüne Heinrich, und alle glauben es, wenn ich das sage. »O ja, er ist der grüne Heinrich.« Seine Augen sind grün, sein Haar ein geschorener grüner Wiesenfleck; seine Eidechsennase – immer schlängelt sie sich. Und sein…

Von Handtellertierchen

  Menschen sind unterwegs. Zwischen zahllosen Orten der Welt unterwegs. Mit gerichteten Blicken auf handtellergroße Geräte, wechselnd bebilderte und filmbewegte Fensterchen, die sie mit ihren verkrümmten Daumen streicheln. Daumen, die einige Generationen später eine genetische Veränderung erfahren werden. Wo immer…

Danton und wir

  Georg Büchners Danton glaubt, eine Marionette innerhalb eines sich in der Geschichte manifestierenden mechanistischen Determinismus zu sein. Er befindet sich in einem doppelten Dilemma: Er durchschaut sein Determiniertsein und muss in seinem radikalen Skeptizismus scheitern, denn er kann nicht…

Der Assistenzarzt

  »Ich schmeiss den Job«, nuschelt Willbert Neumann undeutlich vor sich hin. Zuckt zusammen. Wacht von einem Alb durchgeschüttelt schweissgebadet neben Noëmi auf. Reibt sich die Hautausdünstungen von der Stirn. Sieht sich aufgewühlt um. Das Moment der Wahrheit scheint als…

Verschiedenartige Geschichtsauffassung

  Das Buch der Geschichte findet mannigfaltige Auslegungen. Zwei ganz entgegengesetzte Ansichten treten hier besonders hervor. – Die einen sehen in allen irdischen Dingen nur einen trostlosen Kreislauf; im Leben der Völker wie im Leben der Individuen, in diesem, wie…

Kunst und die Infrastruktur geteilter Intentionalität_1.Teil

Grundlagen   1.1 2009 erschien in deutscher Übersetzung ein Werk des seinerzeit am Leipziger Max-Planck-Institut für evolutionäre Anthropologie forschenden amerikanischen Anthropologen und Verhaltensforschers Michael Tomasello: Die Ursprünge der menschlichen Kommunikation. Es widmet sich, wie Jürgen Habermas in seiner Rezension in…

Über Lessing

  Lessings schriftstellerische Verdienste sind schon mehr als einmal der Gegenstand eigner beredter Aufsätze gewesen. Ein paar dieser Aufsätze, welche viele treffende und feine Bemerkungen enthalten, rühren von zwei der achtungswürdigsten Veteranen der deutschen Literatur her. Ein Bruder, der Lessingen…

heimwehen

  »heimwehe« hat gegenüber dem vorherigen gedichtband »herzecho. lyrische sonogramme« von 2016 noch an substanz gewonnen, indem die textkörper komplexer und vielschichtiger geworden sind und das phantastische darin, über das spielerisch experimentelle hinaus, immer stärker prägend wurde. anfangs waren die…

Kunstwerke

  Vielleicht war es immer so. Vielleicht war immer eine weite Fremde zwischen einer Zeit und der großen Kunst, welche in ihr entstand. Vielleicht waren die Kunstwerke immer so einsam, wie sie es heute sind, und vielleicht war der Ruhm…

Die Erotik

  Man mag das Problem des Erotischen anfassen wo man will, stets behält man die Empfindung, es höchst einseitig getan zu haben. Am allermeisten aber wohl dann, wenn es mit Mitteln der Logik versucht wurde: also von seiner Außenseite her.…

Die Elfenfelderin

Else Lasker-Schüler ist die stärkste und unwegsamste lyrische Erscheinung des modernen Deutschlands. Karl Kraus Die Wupper ist nicht nur ein Fluß, der sich durch das bergische Land schlängelt. Er verbindet unterschiedliche Ortschaften, wie die ehemaligen Großstädte Barmen und Elberfeld. Die…

Gezeitengespräch 2

  Vorbemerkung der Redaktion: In diesem Jahr machen wir das vergriffene Gezeitengespräch von Haimo Hieronymus und Karl Hosse auf KUNO recherchierbar.   Zeitfern (nächster Tag): Immer Hoffnung, dass du was sagst. Ist das Realität? Meinungen haben schon immer ein Intermezzo…

Freaks

  Aufgrund der engen Verbindungen von Prodigien und Monstern – nicht nur in der etymologischen Bedeutung des lateinischen „monare“ als „mahnen“, „warnen“ – muss man den eigentlichen Beginn der Geschichte der Monster bereits in den Mythen und Schöpfungsgeschichten orten. Es gibt keine…

Die konstruktiven Ideen der neuen Malerei

  In der Chronik des Lorenzo Ghiberti steht eine merkwürdige Betrachtung, die ein lehrreiches Streiflicht auf die künstlerischen Ideen seiner Zeit wirft. Ghiberti spricht von Masaccio und erwähnt dabei bewundernd und als Zeichen des ungeheuren Fortschrittes, den die Malerei durch…

BILD 2. Ein Kaff

  auf dem Gipfel eines Berges, der rundum von anderen, höheren umgeben ist. Zwölf Hütten, eine Kirche, eine Kneipe, ein Brunnen. Die größte der Hütten ist eingestürzt. Die Fenster sind mit Brettern zugenagelt, das Dach beschädigt. Es gibt kein Nest…

Meine Seele eine blaue Schrift

Kommentare zu frühen Gedichten Heinz Küppers[i] Ich stelle im Folgenden drei Gedichte aus den späten 50er Jahren in den Rahmen ihrer Zeit – mit einigen wenigen biografischen Erklärungen, deren es aber nicht bedarf, um die Gedichte zu verstehen. Heinz Küpper…

Zum Todestag von Hans Fallada

In dem in Buchform 2012 publizierten Essay „Der Schein, das Sein und das Nichts“ habe ich Bücher und Gestalten von Hans Fallada neu interpretiert: mit Hilfe der Psychologie nämlich. Dabei nahm ich Alice Millers Bücher sowie eigene Definitionen zur Hand.…