Monat: Januar 2019

rauschtrank

  tropft kein honig von brüsten herab wird er nicht mit blut vermischt um geist zu geben saugen dichter ihn aus der eignen leiche in der wüste ihrer seele   *** fliegende wesen, Gedichte von Holger Benkel,  erschienen in der…

Gepflogenheiten

  Es ist eine Grausamkeit, Kinder früh zu wecken, zur Legitimation hat unsere Gesellschaft die Schule erfunden.     *** Von Herrn Nipp waren auf KUNO zwischen 1989 und 1994 Aperçus, Bonmots, und Sentenzen zu lesen. Eine Vorform der Twitteratur.…

Menschenmehl

Ich betrat die Apotheke, weil mich zwei feine Pulver im Schaufenster neugierig gemacht hatten. Die kleinen Kegel aus fein gemahlener Substanz, auf die Rückseite geöffneter Briefumschläge geschaufelt, schimmerten schwarzrot und elfenbeingrau. An der Stelle des Absenders waren gespreizte Frauenbeine zu…

WALD

abseits des weges nur beginnt das reich der geister  wer noch was werden will  der warte am waldrand  nicht im lichten garten steig ich aus dem hain hinab ins labyrinth erwachter nacht laß alle kleider hinter mir trag meine knochen…

Eine Dekonstruktion der drei linguistischen Metafunktionen: Holger Benkels Meißelbrut

KURZFASSUNG Die in der systemischen Funktionsgrammatik postulierten drei linguistischen Metafunktionen werden in Benkels (2009) Gedichtband meißelbrut dekonstruiert, sowohl im Derrida‘schen Sinn einer Ausgrabung von Bedeutung als auch in der Umkehrung ihrer Konstruktion. Diese Metafunktionen führen normalerweise folgende Aufgaben aus: Die…

Was darf Satire?

Frau Vockerat: „Aber man muß doch seine Freude haben können an der Kunst.“ Johannes: „Man kann viel mehr haben an der Kunst als seine Freude.“ Gerhart Hauptmann Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland…

Federansetzungstag

  Als ‚I-Dötzchen’ musste ich in der Grundschule den ersten Satz meines Lebens schreiben: „Heiner ist weg.“ Mir war es völlig rätselhaft, um wen es sich bei diesem Heiner handelt und wohin er verschwunden ist. Möglicherweise liegt darin der Sinn…

Das Unmittelbare (Rekurs)

Das Unmittelbare, von Wahrnehmbarem umhülltes scheinen, Tarnung fürs unzureichende Denken. Das Trugwort beim Aussprechen, das Trugbild sprachlosen Tuns.  Das Unmittelbare, dem Wahrnehmbaren der Name entzogen, den Gedanken die Gesichter. Das Antwortwort auf keine Frage, ein Bild nicht genötigt vom Umriss.…

NEUROSMOG

Eine Reise in die abgrundtiefe Weltroutine Parallel zu der transreligiösen Lyrik von Tom de Toys entstanden im Laufe der Jahre immer wieder gesellschaftskritische, politische und szenekritisch-metapoetologische Gedichte, angefangen beim Slamgedicht „INFLATION“ von 1993 und dem SocialBeat-Gedicht „LANGEWEILE“ von 1994 (siehe…

in kino veritas

Für den Tonfilm wird es sehr schwer sein, eine dem stummen Film ebenbürtige Form zu finden – und fast unmöglich, ähnlich zu bezaubern. Das Interesse von Ernst Blass galt vor allem dem Stummfilms, den Tonfilm hat er mit Skepsis betrachte,…

Die Königin

  (Für Kete Parsenow) Du bist das Wunder im Land, Rosenöl fließt unter deiner Haut,   Vom Gegold deiner Haare Nippen Träume; Ihre Deutungen verkünden Dichter.   Du bist dunkel vor Gold – Auf deinem Antlitz erwachen Die Nächte der…

Geo-logos, peak panic, Seuchendiktatur

    Der Diskurs schließt auf, die Spur wird immer heißer. Biopolitik, Homo sacer, Leprosorien statt Hospitäler, Leugner in tatsachenfreien Reservaten. Securitokratie, Jargonocracy. Einfach den Agamben geben und die Dinge auseinandersehen. Senizid und Holozid, epóche der tragischen Kybernektik und Aufstieg…

Eine Orgie

  Auf der Bühne schlafe ich mit 25.000 verschiedenen Menschen, dann gehe ich alleine nach Hause.     *** Manche Menschen werden nicht geboren, sie sind ein Naturereignis. Janis Joplin ist ein Komet, der am 19. Januar in Port Arthur,…

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  dein Geruch schläft neben mir rahmen laufende Streifen den Horizont ein: Sonnenflut die Gelenke der Erinnerungen ineinander geschoben sind wir wieder Kind: Wirklichkeiten     *** Baumzyklen, Gedichte von Sophie Reyer, KUNO 2019 Ein Porträt von Sophie Reyer findet…

Poesie als Mittel zur Erkenntnis

 Der Vorlass ermöglicht Autoren einen Dialog mit dem eigenen Leben, wie es im Falle des Nachlasses nur der Nachwelt möglich ist. Der Tanz zwischen Fremdheit und Selbstheit, der jeder Autobiografie eigen ist, ist beim Wiederlesen alter Papiere mit Blick auf…

zeit konflikt

zeitweise auf zeitreise im düsen zeit alter / uhr zeit messer bestätigt ereignis zeit konflikt / seit ur zeiten zeit los in der uhr zeit falle / der end zeit mensch nicht mehr maß stab seiner zeit / es gibt…

Enden

Eben war es doch noch da sagte ich mir. 

Aber nun lag einzig er auf der Fensterbank für jedermann ersichtlich: der Käfer, einsam braun trocken beinah staubig denn sein Tod lag wohl schon lange dort wo ich ihn ließ da…

Zwei Erschlagene

  Märtyrer …? Nein. Aber Pöbelsbeute. Sie wagtens. Wie selten ist das heute. Sie packten zu, und sie setzten sich ein: sie wollten nicht nur Theoretiker sein.   Er: ein Wirrkopf von mittleren Maßen, er suchte das Menschenheil in den…

Prinzipien der Wälzer oder Die Kunst, dicke Bücher zu machen

  I. Die ganze Ausführung muß von der dauernden wortreichen Darlegung der Disposition durchwachsen sein. II. Termini für Begriffe sind einzuführen, die außer bei dieser Definition selbst im ganzen Buch nicht mehr vorkommen. III. Die im Text mühselig gewonnenen begrifflichen…

Das Unmittelbare

Das Unmittelbare: Dem Zwiespalt das ZWIE entzogen wie der Mitte die Strahlen. Könnte ich Punkte sehen von nichts aus von mir nicht wo bin ich dann?     *** fern, fern von Angelika Janz, KUNO 2019 Weiterführend → Lesen Sie…

Ein Leben für das Schreiben

Mein Leben ist Schreiben – oder es ist nichts. Die Selbsteinschätzung des Schriftstellers und Publizisten Hans Bergel, am 26. Juli ­1926 in der siebenbürgischen Marktgemeinde Rosenau (rum. Râșnov) in der Nähe von Kronstadt (rum. Brașov) geboren, dient dem Herausgeber des…

Rede am Grab Peter Alternbergs

  Aus Deinem hundertfachen Leben, das nun ein einziger Tod uns entrücken konnte, nicht aus Deinem einfachen Werk, von dem er uns nicht trennen wird, habe ich einmal den Satz genommen, mit dem Deine Verzückung zu einer kleinen Tänzerin emporrief.…

Ramsch

Am 10. Januar nahmen die Ereignisse ihren Lauf. Chicken hatte das Bootshaus des Rudervereins als Treffpunkt vorgeschlagen. Trick und Scha waren einverstanden. Heute war Freitag, morgen frei, Sonntag frei, bis Montag hatten sie sich bestimmt vom Kampf erholt. Am Montag…

Magier

  Als ich nachts erzählt habe, daß Windesraunen und die winzige Ewigkeit eines Kusses, auch die heilenden Schwingungen, übertönt von Posaunen, plötzlich verstummten, erzählte ich auch von einem unaufhaltsamen Rittergalopp im Gehör.   Apokalyptisches Drehbuch. In meinem unendlich geglaubten Bildraum…

Das i-Gedicht

Als Lyriker und Schriftsteller hinterließ Kurt Schwitters ein umfangreiches Werk. In seiner Jugend von Expressionisten wie August Stramm beeinflusst, markiert auch für den Dichter Schwitters das Jahr 1919 den Durchbruch zu einem eigenständigen Stil mit dem Gedicht An Anna Blume.…

DEAD WHALE’S BLUES

  steh an de straßenecke vor de brust en schild steh an … ich bin en mietsänger leute jedem sing ich sein bild   ich sing für jeden nur nit für schweine wahr ich sing … für ne mark schreib…

Aus dem Umkreis

Aus dem Umkreis in die MITTE zustoßen. Sich in die Mitte begeben, sich in der Mitte einnisten. Das Verfängliche an der Mitte, wenn der Kreis pariert  als genauester Umriss aller Mitten. Von dort lässt sich kein Entwurf mehr vermitteln, ohne…

Antigone

  Ist das, was du Liebe nennst, ein Pfeil mit Schmerz umwunden? Sag mir, ist‘s der Liebe Kraft die uns die Götter stunden! Ist, was Menschen zollen wir, Liebe, Streben Sternen gleich? Menschen, der ihr irdisch‘ Rechte über alles heißt,…

Die 15 Gebote oder Strategien zum Erfolg

  Vorbemerkung der Redaktion: Nach allen Beobachtungen, die Herr Nipp gemacht hatte, sah er, daß immer wieder die gleichen Prinzipien funktionieren würden. Er machte sich in seinem Notizbuch tiefschürfende Gedanken und schrieb auf, was sich als geballte Informationen herausstellen sollte.…

Was bedeutet Teilhabe für die Kunst?

Ein tausendmal gelesenes Buch – das sind tausend verschiedene Bücher. Andrej Tarkowskij: Von der Verantwortung des Künstlers   Es gibt Sätze, die haben etwas Subversives. Man nimmt sie zwar wahr, aber nicht recht zur Kenntnis. Und doch bleiben sie haften.…

Der Schlingentisch

„Es ist eine eigentümliche Anlage!“, sagte der Cheftherapeut, als wir den fensterlosen Raum betraten. Er schaltete das Licht an.  „Jedenfalls denkt das jeder, wenn er sie zum ersten Mal sieht.“ Er schaute hoch zu dem Tisch, der mit seinen vier…

Traue KUNO – auch über 30!

Wir leben, wenn man den gängigen Theorien glauben darf, in der Wissensgesellschaft. Was ist eigentlich Wissen? Seitdem die Menschheit weltweit kommunizieren kann, verfügt sie erstmals in ihrer Geschichte über eine kollektive, synchrone Gegenwartserfahrung. Sofern man das Internet bereits jetzt als…