Monat: August 2005

Baudelaire unterm Stahlhelm

  Ganz elende Schriften haben mit ganz vorzüglichen dies gemein, ihr Wesen im Sprachlichen vollkommen offenkundig und präsent zu haben. Jede dantesche Terzine gäbe in der prosodischen Betrachtung ein Schattenbild von dem, was Faktisches oder Geschehenes in ihr gesagt wird.…

Atemloser August

  Sommermonde machen Stroh aus Erde, Die Kastanienblätter wurden ungeheuer von Gebärde, Und die kühnen Bäume stehen nicht mehr auf dem Boden, Drehen sich in Lüften her gleich den grünen Drachen. Blumen nahen sich mit großen Köpfen, und scharlachen, Blau…

Goethes »West-Östlicher Divan«

Das Vortreffliche ist unergründlich, man mag damit anfangen, was man will. Goethe Dieses Buch ist völlig Geist; es ist ein Vorwalten darin dessen, was Goethe das »obere Leitende« genannt hat, und so ist etwas entgegen, daß es nicht ins Breite…

Lyrik beim Carl Hanser Verlag

  Wenn meine Leseerfahrungen mich nicht ganz täuschen, sind es von den großen Verlagen im deutschsprachigen Raum in der heutigen Zeit kaum mehr als drei, die zuverlässig Jahr um Jahr eine stattliche Anzahl von Gedichtbüchern herausbringen und nicht nur zwei…

Fremde Vertrautheiten

  in fremdlændischen Zungen sprechen & das Ende des Ein geschlossenSeins feiern   Ferne in sich auf nehmen & den fremden Blick auf das Vertraute lenken   geistige & kœrperliche Beweglichkeit als einzige Form des Bestandes akzeptieren   den Wahn…

Heimkehr

  Das war ein Tag der Schmerzen, Als ich einst Abschied nahm; Noch bänger war’s dem Herzen, Als ich nun wiederkam. Der ganzen Wandrung Hoffen Vernichtet mit einem Schlag! O unglücksel’ge Stunde! O unheilvoller Tag! Ich habe viel geweinet Auf…

Almwanderung

 Oben auf der Alm angekommen, macht sich zum ersten Mal eine allgemeine Erschöpfung breit. Herr Nipp und seine Mitwanderer nehmen die einzige Bank mit Tisch in Beschlag. Aus massiver Lärche gebaut, wahrscheinlich beim letzten Holzeinschlag. Die Oberflächen sind grob mit…

Die Stadt

    Ein weißer Vogel ist der große Himmel. Hart unter ihn geduckt stiert eine Stadt. Die Häuser sind halbtote alte Leute.   Griesgrämig glotzt ein dünner Droschkenschimmel. Und Winde, magre Hunde, rennen matt. An scharfen Ecken quietschen ihre Häute.…

Nebul

Nebul, Nebul – nix ze saihen, dar spazzuretten ze zweyen, op demm weuten Stoppulfalde, di Mari müt Willipalde. Duch es gap Ferlagenhoiten bey demm Dausch fon Zarttligkoiten, dönnes draf düs Kuzzelin nit op Müntt und Futzelin. Draf nur erganzwo darhünden…

Nichts ändert sich

  Nichts ändert sich Kein Einfluß. Keine Position, An allen Ecken der Weltenden: Deckung der Qual, nichts zu wissen. Auch du: Wirst im Vorübergang den Befehl !Kleinmachen! parieren, um hineinzupassen. Kein Einfluß. Keine Position. Immer noch Überschwang, und die Aussicht…

Engagierte Literatur

  Politik soll Dichtung sein. Dichtung teilt mit, schildert, beschreibt genau, klagt, klagt an, ist Werk, ist Kunst, ist Kosmos im Kleinen. Dichtung führt zur Imagination neuer Bilder, Gedanken, Denkweisen, insofern ist sie auch lehrhaft, sie schreit, singt, weint, sie…

in einem kühlen grunde

  die mühle klappert mit den zähnen weiß von mehl darin ein ring verloren ging verborgen blieb so ist die lieb   klippklapp     *** Weiterführend → Über die Qualität von Andreas Noga als Lyriker und Performer lesen sie hier.…

Vergeblichkeitsaufschwuenge

  Rœntgenbild der Negation in Kathedralen des Gewesenen brummt die Abwesenheit der grossen Energien von einst   unbekuemmerte Direktheit muendet in autochthones Liedgut & der Suche nach einer funktionstuechtigen Identitæt   mit grimmigem Humor ertragene Verlorenheit der melancholisch–melodische Blues steuert…

VENEDIG-NOTIZEN

  Der Himmel ist blau. Die Fensterläden sind grün.   Die Steinmauern sind grau. Die Dachziegel sind rot.   Die Stiege ist steil. Der Turm ist hoch.   Die Tür ist verschlossen. Das Wasser ist schwarz.   Der Tod ist…

besucht

Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung an…

Kriegslied

    ’s ist Krieg! ’s ist Krieg! O Gottes Engel wehre, Und rede du darein!
’s ist leider Krieg – und ich begehre Nicht Schuld daran zu seyn!   Was sollt’ ich machen, wenn im Schlaf mit Grämen, Und blutig,…

ONE STEP TO THE LEFT

  Von Tabellenkalkulationen und anderen Vergänglichkeiten.Strom aus Schuhschachteln, ganz leicht im Gehirn.   An der Quelle Bassmotive, langsam beleuchtet.   Welche Vorstellung: Fingerfood für Kannibalen,angestrengt geregelte Vorsicht, halbe Tönegewerkschaftlich formiert.   Die Flüsse auf Distanz.         ***…

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  schweifen See Schilf Schwindich wie du Herz birgst Risennest des Windes ruhten Winter sich in Ästen biegt wann ist wieder wiegen jetzt schläft Wind warm auf dem Wasser der Kindheit in Schwingen: so Schwalbenich zieht Spuren Wipfel Schlaf: zischt…

Poesieattacken

Lesen Sie! Immerzu nur lesen, das Verständnis kommt von selbst. Paul Celan Immer wieder überwältigen mich Poesieattacken. Ich bestelle wie besessen Lyrikbücher per E-Mail, ersteigere längst vergriffene Bände bei ebay und rase am nächsten Tag ins Antiquariat bzw. zur Buchhandlung,…

Wiedersehen

  Dein Schreiten bebt In Schauen stirbt der Blick Der Wind Spielt Blasse Bänder. Du Wendest Fort! Den Raum umwirbt die Zeit!       *** August Stramms Stil war überraschend und neu. Durch seine Knappheit, Härte und die weit…

DIE HEXE UND DAS MÄDCHEN

  Die alte kräutermutter kannte man weit umher aber wo sie wohnte wußte keiner mehr   Sie legte heillehm auf wunden half lämmern und fohlen ans licht Warzen und moderhinke* besprach sie   geld nahm sie nicht   Sie kam zurück…

DON QUIJOTE

  An hellen Tagen zieht er seine Windmühlenflügel an, sattelt sein Pferd und reitet unter der schräg stehenden Sonne hinter seinem Schatten her.   Sieh nur, wie man vor mir flieht, ruft er seinem Knecht zu, der die Ufer ins…

Litanei

  bald wird der Briefträger dein lindgrünes Lächeln vorbeibringen und ich hab noch keinen Briefkastengehängt bald beginnen die Geburtswehen unseresLiebesgedichts und wir haben noch kein Schaukelbettgebaut bald wird’s neblig in unserer Straße und wirhaben keine Laterne an den Himmel genagelt…

Ins Gemüt gesprochen

  Ebensowenig, wie eine Schwalbe Keinen Sommer ausmacht Hilft ein warmer Regen Dem ausgekühlten Boden auf, Der auf ein solches Ereignis Mit einem Eispanzer aufwartet Auf dem ich nur um so schneller Ausgleiten kann, wenn ich es An der gerade…

hinter lassen schafften

    immer wieder locken geheimnisse hinter zu flache horizonte lassen unsere ahnen ahnen was sie uns gegenwärtern in die zukünfte mitzugeben hatten welche verderben sie vererben mit worten die sich selbst erschöpfen bei labiler weisheit und allzu schwarzer magie…

Die Entdeckung Afrikas

    Die Entdeckung Afrikas war in der Sonne, Als ich noch zu jung war, sie Lag nackt auf dem Schnee des Kilimandscharos. Die spiegelte sich im Nil, während Ein Krokodil träge in das graue Wasser Des Fotos starrte. Sie…

kamingedicht

  dieses gedicht sitzt mit mir am kamin und wärmt sich die versfüße wir lauschen in die stille zwischen dem knacken der scheite die leicht geworden sind vor glut und trinken wein das gedicht sagt wein vertreibe die angst vor…

Die Brettspiele der Verdächtigen

            Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv:…

Unerwartete Werke

  Keiner hatte auf Martin F.’s  gelb-grüne Ölgemälde gewartet. Nicht einmal Martins Mutter. Obschon sie sich selber als Kunstliebhaber bezeichnete. Vermehrt hatte sie betont, dass sie den fliedernen Sonnenuntergang aufgehängt hätte, vorausgesetzt Martin hätte den fliedernen Sonnenuntergang gemalt. Was er…

Strandbad

  Schattenrisse vor Blau Scherenschnittbäume Zittergras wenn die plattgetretenen Halme sich langsam wieder aufrichten oder kleine Insekten pfeilschnell herumspringen Man zieht sich an. Man packt die Sachen. Man klaubt den Müll auf. Oder auch nicht. Man schwimmt eine letzte Runde,…