Monat: Juli 2024

Sonette – XIX

  Nur eine Stunde hat der Geist geweiht In seinem Namen wenn die ernsten Frühen Mit ihrem Licht den Osten übersprühen Und regen Winden Venus gibt Bescheid   Dann tauchet aus den Händen sonder Mühen Der dunklen Röte stumme Heiterkeit…

BRAND

  brannte das kloster nieder erklärte der probst das feuer sei gelegt worden von fremder hand erzählte man er hätt sich ostern damit aufersteht sein leib zwei wagen kommen lassen voll mit jungen frauen und betrunken versehentlich sein bett entzündet…

Wir leben immer für die Zukunft

    Wir leben immer für die Zukunft: Ewiges Stimmen und nie beginnt das Konzert         Weiterführend → Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen…

Zeitzeichen

Er ist der Vater der deutschen Nachkriegsmoderne- und dies gleichermaßen durch programmatische Verlautbarungen wie extraordinäre poetische Texte, die bis heute- und über das Heute hinaus- ihre Spannkraft behalten haben. Er ist – im technischen wie im imaginativen Sinne des Begriffs…

ZUGANG ZU WINDRÄDERN

  Am Stadtrand die Zentrifugen schleudern den Horizont klein unermüdlich   Machinen erinnern an Zukunft, die es nicht gibt, untröstlich in ihrer Aufrichtigkeit   Flügel angeschminkt, verbeulte Gaben in der Hand, die panischen Säulen. Luft bäumt sich,   verkrallt in…

Moor & Mergelgrube

  ein sanfter Todesengel streicht mit dem Fluegel das matte Stirnengeflecht sæuselt Verfuehrungen ueber Dressur, Raserei & Taumel ins: luesterne Ohr gleitet zur Hals/Schlag/Ader saugt durch spitze Zæhne das Lebenselexier aus der Blutbahn greift an das steinerne Herz fuehlt das…

Räume, Zeiten, Erkenntnisse

Wer vermutet, die geschlossenen Kirchen seien ein Szenenausschnitt aus einem rumänischen Dokumentarfilm oder gar eine Metapher für eine konfessionslose Gesellschaft, wird verblüfft feststellen, dass dieses Gedicht von Ana Blandiana nach einem Spaziergang durch die Kölner Innenstadt entstanden ist. Mit dem…

Falsche Flucht

  Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung…

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  Universum umgekehrter Baum unten die Zweige oben die Wurzeln wir geigen: Existenz        *** Baumzyklen, Gedichte von Sophie Reyer, KUNO 2024 Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht sie der Frage nach, wie…

Röntgenaufnahme

  Könnten wir uns jetzt zu einem Gruppenfoto begeben und ein Röntgenbild schiessen in unserer Brust zeigte sich ein spreizendes Geäst feierlich und wir würden mit einem Schlag zu Korallen.   Der bunt gedeckte Tisch auf einmal ein Bootswrack wir…

SCHNAPS

      verfiel ein branntweinbrenner der schwarzen magie um einen noch besseren schnaps zu brennen laugte er mit alkohol menschliche schädel aus die er vom friedhof holte und mit nach haus nahm eines tages aber öffnete sich geräuschlos die…

Distrikte des Dæmmers

  leere Flæchen fehlender Erinnerung fuellen sich mit der Erfindung von Vergesslichkeit in einem Logbuch der Nicht–Ereignisse Fæhrtenleser der durchschossenen Wirklichkeit werden Antworten auf elementare Fragen des Lebens am: Wegesrand auflesen &   in Skepsis an einer schluessigen Menschenkenntnis dem…

O.T.

  Ich stehle dir die Worte aus dem Mund hefte sie an die Kiele meines Chembalos Deine Noten sind Veilchen die aus meinen Händen wachsen     *** Schwankende Lupinen. Gedichte von Jane Wels. edition offenes feld, 2024 „Mein Wolf…

Wer bist du Grand Canyon

  Ein Ding das in Lamellen fort und fort verzweigend ein Etwas das in sich selbst verschwindend vom eignen furchtbaren Gewicht erschrocken wie ein Salamander seine Seele vor Touristen unter Felsen verbirgt Ein Sechshundertmillionenjahrding teils vom ersten Beginn teils vom…

Enzyklopädien des täglichen Irrsinns

  vier-fünf U-Bahn-Stationen all die Woolworth-Mädchen mit Lippenstift und Beatles im Ohr und die Männchen mit ihren Trauerhüten und Regenschirmen und so viel Charme im Gesicht wie ‘ne Schreibe Ersatzschinken also auch alles Verlierer ihr Einsatz so klein dass es…

Kreativität und Disziplin

  Die Disziplin setzt in der Formung des Materials ein, aber ich weiß, dass schon die Auswahl des Materials einem kreativen Akt unterliegt, nicht beherrschbar ist und auch nicht vollkommen beherrschbar sein sollte. Auch die Formung selbst, zu der eine…

ZU EINER TOTENFEIER FÜR ARNOLD BÖCKLIN

(In die letzten Takte der Symphonie tritt der Prolog auf, seine Fackelträger hinter ihm. – Der Prolog ist ein Jüngling; er ist venezianisch gekleidet, ganz in Schwarz, als ein Trauernder.)   Nun schweig, Musik! Nun ist die Szene mein, Und…

Violett verraucht

Bei den Poetry Slams, da kommt zur Idiotie des Prätentiösen die Illusion, dass ein Bier in der Hand genügen würde, um alle grundsätzlichen Fragen zwischen Schrift und Rede mit einem Schluck aus der Welt zu schaffen. Und obendrein sind 90…

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    ich bin ein flächenbrand ohne ränder man band mir die hände ab   die gewänder der augen schraubten sich fest   abschaben und beschiffen ich stand in der bauchdeckee der offenen ohnmacht und höhlte die fracht ausm hintersten…

Das Unbewußte des Dichters

  Goethes Leben und Erziehung waren durchaus die eines Künstlers. Ihm fehlt das Unbewußte des Dichters. In seiner Selbstbiographie beschreibt er genauestens das Leben des Verfassers von »Wilhelm Meister«. Denn, wie dieses Buch eine Mischung von seltener und leuchtender Weisheit…

Verinnerlicht

(Meinem Doktor Benn)   Ich denke immer ans Sterben Mich hat niemand lieb.   Ich wollt ich wär still Heiligenbild Und alles in mir ausgelöscht.   Träumerisch färbte Abendrot Meine Augen wund verweint.   Weiß nicht wo ich hin soll…

Der Revoluzzer

Der deutschen Sozialdemokratie gewidmet War einmal ein Revoluzzer, Im Zivilstand Lampenputzer; Ging im Revoluzzerschritt Mit den Revoluzzern mit. Und er schrie: „Ich revolüzze!“ Und die Revoluzzermütze Schob er auf das linke Ohr, Kam sich höchst gefährlich vor. Doch die Revoluzzer…

Wo niemand

Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung an…

Massendiskurs

  Es ist nicht jedem gegeben, sein Innerstes an die Oberfläche aufsteigen zu lassen, ohne Scheu und ohne Furcht vor dem Zerrissenwerden oder der Antwort: Was für ein schwacher Text! Aber es geht gar nicht anders. Ich glaube, es ist…

Interpretationen 7 – Nur zwei Dinge

  Nur zwei Dinge ist ein Gedicht des Lyrikers Gottfried Benn. Es ist datiert auf den 7. Januar 1953 und wurde erstmals in der Frankfurter Ausgabe der Neuen Zeitung vom 26. März 1953 veröffentlicht. Im Mai desselben Jahres erschien es…

Es ist leichter Gedichte zu machen, als zu verstehen

    In den Äußerlichkeiten kann man Dichtung nach Kunstregeln bewerten, aber das Gute, das Höchste, das Gottbegnadete an ihr ist erhaben über Gesetz und Vernunft.           Weiterführend → Für KUNO ist Michel de Montaigne, ein Blogger aus…

Den Sanduhren zum Gruß

  Unter dem Streiflicht Mirabilien, Perlen eine zarte Blendung: Sonne und Meer nur Chiffren verlorene Entwürfe kaum Sand, kein Meer, und ein Tag wächst strandlos an den nächsten. Dies ist dein Gelände dein unumstößliches Zeugnis. Hier steht dein Schweigen geschrieben,…

Ich- & stiebfest

  Ein gedichtgefecht auf hoher warte, an tiefe fragen rührend, wann hat es das zuletzt gegeben? wir wissen von Meckel / Törnes freundschaftlichem versewechsel eine generation zuvor. Hier beversen sich wieder zwei dichter. Doch beiden geht es um angelpunkte, die…

Ich kann ihre Gedichte nicht leiden

Vor 100 Jahren starb Franz Kafka. Inzwischen ein Klassiker der Moderne war auch er von Vorurteilen nicht frei.      „Ich kann ihre Gedichte nicht leiden, ich fühle bei ihnen nichts als Langweile über ihre Leere und Widerwillen wegen des…

Spalte ab deine Worte

  von den Lippen und wirf deinen Blick nicht weg vergeblich tauben Augen zu Gefallen tue keinen Schlag ins Leere oder auch nur weniger     *** Anmerkung der Redaktion: Dieses Wortfeld wurde dem Roman Schimpfen von Peter Meilchen entnommen.…

Prothesenwesen

  Rasender Stillstand / veredelte Vergænglichkeit auf Markanz, Inszenierung + Identitæt bedingungslos verzichten & Wandlungsreisender werden   Hyperboles & Ellipsoide generieren Nuancen der Verrohung weisen auf das Archiv der Verletzungen & die rostig rasselnden Fesseln der Authentizitæt   Ideologieabstossend /…