Monat: September 2024

Rätsel

  ein Blick eine Geste ein Händedruck der Zettel unleserlich die getrocknete Rose in einem Buch ein Duft eine Stimme & ein Ort ohne Namen     *** Fragen im Schlepptau, Gedichte von Ines Hagemeyer. Ludwigsburg: Pop Verlag 2021 Weiterführend…

SUMPF

  stand still das wasser am kanal  floß es schmutzig nicht ab  vermehrten sich darin die keime  befielen sie darm und magen  kamen krankheiten wie eroberer erschien ein kopfloser geist kündigte er fluten an mißernten  krieg und tod ehe zugeschüttet…

tagesordnung

  dein ungekämmter blick aus dem fenster in die noch traumverhangene landschaft tonspuren einer amsel legen sich in die rillen deiner stirn während das krause gestrüpp in deinem kopf sich in zeit lupe der lichtung nähert hier & da erste…

Das geschlechtsneutrale they

Im August 2020 gab Tempest auf Twitter bekannt, fortan den Namen Kae zu tragen und statt der bisherigen Pronomen she/her (weiblich: „sie/ihr“) das geschlechtsneutrale they zu verwenden (im Deutschen nicht übersetzbar).   Wer heftige verbale Artikulationen auf seiner Haut spüren…

Lustbarkeiten

  wæhrend Huegelkuppen farbfiebrig werden zerkieseln Blickachsen im Landschaftsgruen lichttrunken verbleibt den Muessiggængern ein entleerter Aufmarschplatz   sie bummeln durch die Erinnerung nehmen Gerueche + Duefte wahr Geræusche & Klænge, durch welche die Zeit vornehmlich atmet…   die Pflastertreter erforschen…

REGENNACHT

  Der Tag ist futsch. Der Himmel ist ersoffen. Wie falsche Perlen hängen kleine Stumpen zerhackten Lichts umher. Und machen offen ein wenig Straße, ein paar Häuserklumpen.   Verfault ist alles sonst. Und aufgefressen von schwarzem Nebel, der wie eine…

ursprung

    gezeitenwandel erinnerungsflut   im flussbett der gedanken steht das gezähmte vieh kopf   Aleph   heißt uns trinken von den anfängen       Weiterführend → Poesie ist das identitätsstiftende Element der Kultur, KUNOs poetologische Positionsbestimmung.

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  wenn Haar Laub wird verschlingen Wipfel das Gesicht Frau du: Baum, der blutet       *** Baumzyklen, Gedichte von Sophie Reyer, KUNO 2024 Weiterführend →  Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht sie der Frage…

EIDECHSEN

    wohnte eine frau auf einer waldwiese wie im gehege  umzäunt von einem hain aus dorngesträuch und büschen  mit heckenrosen die wild wuchsen hatte sie dahinter einen mann  mit pferdefuß als liebhaber der schwarz gekleidet ging  besorgte sie der…

Vernunft

Weiterführend → Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Michael Gratz mit einem Geleit zum Band  tEXt bILd.

Fragen über Fragen

    fragen fragen fragen fragen hinterfragen zu ende fragen das unzulässige doch denken alles in frage stellen bis es eine gültige antwort gibt.     *** Feuerzeichen, Gedichte zum Krieg gegen die Ukraine, von Peter Paul Wiplinger. Löcker Verlag,…

Burschen

  Burschen dahier unter schlafenden Platanen etwa meterlange Werkshallen das Innere gewiß schützend vor Regen & ineinandergeschoben ernst die Häuser & ein wenig sich übertreiben dem Weggang aufmerksam fixiert hoch oben im Klang kahler Weymouthskiefern & weit weit mochte wünschen…

Lautbildungsapparat

  Fraktaliæt des vergeblichen Daseins Furror der Teilnahmslosigkeit = in Kippfiguren wird das Denken still… ihr Beobachtungstemperament ist charakterfundiert sie werden zu Abenteurern ihrer selbst: zeitlich & œrtlich gænzlich indifferent   die Dinge ihrer Welt werden in die Sprache abgeteuft…

Sonette – XXI

  Als mich die Stimme rief die nächtens spricht Ward ich wie Sterbende ins Schiff entrissen In Segeln meinen trügerischen Kissen Verwähnte ich geborgen mein Gesicht   Vor ihm der kommt im Wind und kommt mit Wissen Die schwarze Woge…

Gegen die Kraft der Poesie ist der Tod machtlos

  Wer dem Tod nicht von der Schippe springen will, der tanzt mit ihm solange bis … Drei Zitate leiten den eben erschienenen voluminösen Gedichtband von Horst Samson ein: von Oswald von Wolkenstein aus dem späten Mittelalter (1377-1445), von dem…

Noch einmal davongekommen

  Nach einer durchwachten Nacht Sitz ich gegen Morgen Vorm Schreibtisch Rauche die werweißwievielte Zigarette Und muß den Produktionen Eines Amselhähnchens zuhören Das in der Kastanie vorm Haus Mit euphorischen Trillern Einem Tag entgegensingt Der zwingender nicht Herbeigesehnt sein kann.…

Interpretationen 9 – wien: heldenplatz

  wien: heldenplatz ist ein Gedicht des österreichischen Lyrikers Ernst Jandl, das auf den 4. Juni 1962 datiert ist und erstmals 1966 in Jandls Gedichtsammlung Laut und Luise veröffentlicht wurde. Es gehört zu den bekanntesten und in der Sekundärliteratur am…

KRÖTE

    lebte eine kröte mit warziger haut im sommer an einem landhaus wie ein kleiner drache zwischen blumen galt sie als giftig wurde sie gefangen  in den wald gebracht und kam zurück  auf kurzen beinen trank sie  aus dem…

Metaphysical Poet

Am Anfang mag das Wort gewesen sein, am Ende bleibt die musikalische Dimension der Sprache als ihr neuer Inhalt. Dies gelingt beinahe unmerklich und schließlich so perfekt, dass die Menschen, die eben noch sprachen, auf einmal zu singen scheinen. Es…

In deine Augen

  Blau wird es in deinen Augen – Aber warum zittert all mein Herz Vor deinen Himmeln.   Nebel liegt auf meiner Wange Und mein Herz beugt sich zum Untergange.       *** „Die größte Lyrikerin, die Deutschland je…

Über den jungen Dichter

  Immer noch zögernd, unter geliebten Erfahrungen überwiegende und geringere zu unterscheiden, bin ich auf ganz vorläufige Mittel beschränkt, wenn ich das Wesen eines Dichters zu beschreiben versuche: dieses ungeheuere und kindliche Wesen, welches (man faßt es nicht: wie) nicht…

DORFGRUND

    als häuser nur an erhöhten stellen standen weil es noch keine dämme gab fiel ein dorf  durch eine flut hinab bis auf den grund des flusses  kamen geister ertrunkener an land saßen sie  unter krumm gewachsnen bäumen lockten…

Restauration

nach Durchlesung eines Manuskripts mit Gedichten Das süße Zeug ohne Saft und Kraft! Es hat mir all mein Gedärm erschlafft. Es roch, ich will des Henkers sein, Wie lauter welke Rosen und Kamilleblümlein. Mir ward ganz übel, mauserig, dumm, Ich…

Wirkmächtig

Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung an…

Rhetorikkünstler

    Sprachschnippisch sprechstilhaft ausgekeift   Geisterhaft unbeschwert   Warmweigerlich wunschbegehrt posiert   Herztöne, Kopfnoten neidgerecht eingekreist   sorgenlos flatterhaft   vom Zahn bis zum Stiefel poliert Erfolgsmensch und Herrenmensch, merkantil losgelöst   Zerrbild im Spiegel   Narziss seiner selbst…

Bild mit einer Rückenfigur

  Anschauung ist ein Sich-in-die-Bilder-Vertiefen. Das Resultat ist bestenfalls eine Antwort des Bildes. Ähnlich wie in der Musik oder der Poesie löst ein Bild im Publikum eine Art von Gefühl aus, ohne dass sie ganz genau sagen können, worum es…

Das Sauerland

  Das Sauerland, das Sauerland, ist mir so gut wie unbekannt. Ich fürchte nur, ich bleibe stur: Es fehlt mir dort so gut wie ganz Temperament und Eleganz. Und Wald und Flur, Möhne und Ruhr, das alles begeistert mich nicht,…

Toter Kater

  Auf seinem Lieblingsstuhl, dem roten, wachte, spielte, schlief er. Kein Traum lässt zucken seine Pfoten. Diesmal schläft er tiefer.   Als hätt‘ er sich nur hingelegt, langgestreckt wie immer. Kein Schnurrhaar sich mehr regt. Er erwachet nimmer.    …

friedenstraum

  wo die klimaanlage am kaufhauseingang noch wärme abstrahlt singt sie zur gitarre peace and endless love und schaut fordernd auf die münzen vor ihren füßen   zuhörerinnen die augen geschlossen schwingen hilflos mit bis der kaufhaussicherheitsdienst sie vertreiben will…

Schlachtfeld

  Schollenmürbe schläfert ein das Eisen Blute filzen Sickerflecke Roste krumen Fleische schleimen Saugen brünstet um Zerfallen. Mordesmorde Blinzen Kinderblicke.         *** Am 1. September 1915 ist August Stramm bei Horodec östlich Kobryn, in einem sinnlosen Krieg gestorben. Seine Texte fallen…