Monat: Juli 1995

Wie, was social beat ist und warum und warum nicht

  Seit über einem Jahr geistert ein Begriff durch die Spalten der Feuilletons, in den Wellen von Rundfunkanstalten, den Zeilen der TV-Sender: SOCIAL BEAT. Aber kaum einer weiß, was sich hinter diesen beiden Wörtern verbirg. Weder die Medien, noch die…

Zwei lila Primeln

  Zwei lila Primeln stehn auf der Fensterbank Und blühen, als haben zwei Menschen verliebt denselben Gedank‘. Vor den Wolken draußen, die hochgeschwungen, Stehen die Blumenbündel dunkel gedrungen, Als wachsen zwei Schatten wild aus zwei Töpfen, Als platzt hier die…

Sehnen

  Die Hände strecken Starre bebt Erde wächst an Erde Dein Nahen fernt Der Schritt ertrinkt Das Stehen jagt vorüber Ein Blick Hat Ist! Wahnnichtig Icht!         *** August Stramms Stil war überraschend und neu. Durch seine…

Das eigentliche Gedicht

  Das, was das Publikum liest, ist nicht das eigentliche Gedicht. Es gibt immer noch ein anderes, das gleichzeitig entsteht, aber nicht auf Papier gedruckt, sondern unauslöschlich in das Leben des Dichters eingegraben wird. Es ist das, was er durch…

Flügelfrei

  Hey Villon!, könnte ich ihn wie einen Kumpel rufen und fragen, ob wir, Schulter an Schulter, nicht mal ein Glas über den Durst trinken.   Und ob! Ich war schon vorher verloren, wackelte wie ein frisch geborenes Buckelrind ……

Gang durch ein Gedicht

  Treten Sie ein. Genieren Sie sich nicht. Schon sind Sie mitten in einem Gedicht. Gehen Sie weiter. Bleiben Sie nicht stehn, damit Sie die Verse bis zum Ende sehn. Seien Sie locker und nicht so bang. Schlendern Sie entspannt…

SonnenFinsternis

    Sie halten schwarze Gläser gegens Licht und meinen sie könnten damit des Gestirns Umnachtung begreifen. Sie stehen und blicken von unten nach oben           Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit…

Sechs Gedichte

1 die Birke bricht mir ins Abenteuer alle Wege haben warme Füße die Blätter schwindeln mich an fallen erst morgen noch nicht die Rinde blättert einen Brief dich zu küssen hätt ich Federn dir zu sagen fing ich Sterne was…

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: meine Augen Luftreisen in dir als Bälle Blicksterne Kometen wie Wimpernspitzen an Himmeln nesteln echt jetzt: echt *** Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht sie der Frage nach, wie das…

Nostalgisches Problem

  vom monstrum produktionsgerät verdrängt schreibst du, wenn schwarzes gegen schwarz gedruckt dein wort nicht gegen weißes schlagen kann. wie schreiben neben der maschine, ein arg elektrisch ding ohne sein tiefgeschwärztes band das dich mit aller welt verbindet? wie schreiben,…

Der Social-Beat-Veteran

Die Sprache ist lakonisch, denn die Helden sind Verlierer. Alkohol gehört zur Grundausrüstung für den Alltag, und der Ärger mit Behörden ist notorisch. Zwischen der unterdrückten Lust, Amok zu laufen und der Angst vor dem plötzlichen eigenen Ende, hat Adelmann…

Eine Wahlverwandtschaft

Nichts ist wertvoller als Vertreter dieser seltenen Gattung, in denen man die Repräsentanten eines zukünftigen Zeitalters sehen darf. (aus: Paul Valéry über Rilke, Paris 1927) Der Kontakt zwischen den beiden ging zunächst von Rilke als hervorragendem Kenner der französischen Sprache,…

Oh du mein Hyazinth, die Wade knackte

  Oh du mein Hyazinth, die Wade knackte Und Rolf, der Mops. fraß jäh das Strumpfband auf. Nach Grammophonen in dem Twosteptakte Vollzog sich Notdurft Coitus und Lebenslauf.   Der Lampionen blutgeduns’nes Schwirren Schuf große Monde aus den Wassergläsern. Ein…

Letternmusik – Ein Blick zurück, und nach vorn

Einmal mehr Weigonis Sabotage des Signifikanten? – Nun, es ist mehr, zweierlei: die Preisgabe der kontextuellen Funktion und die des Wesen des Wortes. Dr. phil Thomas Laux Sprache nicht nur Werkzeug, sondern eine selbständige, unabhängige Form der Ästhetik. Die Klangfarben…

Die Würde des Schunds

  Auch ist das letzten Endes nur ein Zeichen dafür, dass man bei uns noch mehr als anderswo auf der Hut sein muss vor den Kulturverwertern, diesen Schakalen der total medialisierten Welt (…). Nicht mal sterben kann man, ohne Angst…

Die Sommerliste der Unbekannten Wörter

  Die zwölfjährige Mila muss in einem bulgarischen Dorf im Sommer 1962 sieben Kilo Kamille pflücken und bei der Kooperative abgeben, damit sie im nächsten Schuljahr neue Bücher bekommt. In den Ferien soll sie zweiundzwanzig Bücher Pflichtlektüre lesen und jeden…

Wünsche

  Ich wäre gern der Hut, aus dem man Hasen zaubert, Tauben, deren Flattern das Publikum betört. Ich hätte gerne Ohren, deren Muscheln aus den Geräusche-Räuschen, Brandungen des Stadtverkehrs, der Stimmen des Alltags Ohrenperlen bildeten. Und gerne wäre ich der…

IM RILA-KLOSTER

  drei kerzen habe ich angezündet vor dem Muttergottesbild   eine für meinen vater eine für meine mutter eine den geschwistern   dann stand ich noch eine weile im raum ohne ein gebet   denn ich dachte mir diese stille…

So

  Diese Lage des Gedichts ist ohne Gewicht. Es wagt nichts, wendet kein Ding vom Platz. Es sucht nicht. Wie es liegt ist verendet der Satz, schreib es nicht.     *** Schräge Intention. Gedichte von Angelika Janz, Wien: edition…

Ein Brief

Dies ist der Brief, den Philipp Lord Chandos, jüngerer Sohn des Earl of Bath, an Francis Bacon, später Lord Verulam und Viscount St. Albans, schrieb, um sich bei diesem Freunde wegen des gänzlichen Verzichtes auf literarische Betätigung zu entschuldigen. Es…

Finismus

  Ein Dichter, dessen Lebenslauf – jedenfalls in dem von mir überschaubaren Stück – der bare Beleg dessen war, was man sich gemeinhin unter einem Poetendasein illudiert: Glückliches Familienleben, Frau mitverdienend, Kind wohlerzogen, Pünktlichkeit und Zuverlässigkeit bis zur Pedanterie, Anstellung:…

TRUTZLIED

  Nennt uns nur höhnisch Weltbeglücker, weil wir das Joch der Unterdrücker nicht länger dulden und die Schmach. Lacht nur der neuen Ideale, leert auf die alten die Pokale – Wir geben nicht nach!   Legt nur die Stirn in…

SICHEL

erscheint der morgenstern der falke der gestirne zerreißt das licht dem mond im schoß des himmels bleiben stücke fleisch losgelöst zurück wie wurzeln und keime unterm messer dem werkzeug des tags heißt schaffen spalten an jedem ende bestimmt der tod…

Was sind das für mädchen

  Was sind das für mädchen die mit großen hunden in abendstunden im Elisenpark gehn   Was ist ihre angst auf nächtlichen runden was ihre lust wer soll sie verstehen   Jene schmalen kinder mit großen hunden was wird sie…

Eis. Prinzessin.

(„Ice Ice Baby“, Song von Vanilla Ice)   Jetzt lieg ich da, im Traum, in deinen Armen. Es ist so kalt, ich fühle nichts als Eis. Ich weiß nicht, wer ich bin und wie ich heiß: Das Traumland kennt da kein…

DIE WALLISER GEDICHTE

  Nach einem windigen Tag, in unendlichem Frieden, versöhnt sich der Abend, folgsam wie mancher Geliebte.   Alles wird Ruhe und Klarheit … Aber am Horizont bildet sich golden durchsonnt ein schönes Relief aus Wolken.         Mit…

Wenn du

    Wenn du irgendwo unsichtbar versteckt dir im Traum etwas zurufst, zurufst etwas, das du lange vergessen hast und bittest dich wenn du später sichtbar versteckt entdeckt wirst darüber zu schweigen.       Weiterführend → Lesen Sie auch das…

Bettkante

  Gerade aufgewacht, sitzt er auch schon auf der Bettkante. Es ist definitiv nicht seine Sache, sich lange im Bett hin und her zu wälzen. Einige Momente noch kurz verharren, an die Reste der Träume dieser tiefen Nacht denken. Was…

Das Stadtwappen

  Anfangs war beim babylonischen Turmbau alles in leidlicher Ordnung; ja, die Ordnung war vielleicht zu groß, man dachte zu sehr an Wegweiser, Dolmetscher, Arbeiterunterkünfte und Verbindungswege, so als habe man Jahrhunderte freier Arbeitsmöglichkeit vor sich. Die damals herrschende Meinung…

Für Fantasie gibt’s keine Noten

  WEIGONI: Mit deinen Geschichten liegst du auf der Short/Short-Welle, die aus den usa rüberschwappt. Liegt in der Wut des Garagen-Postpunk die Quelle deines Schreibens? Patricia Brooks: Mir gefällt das Genre der amerikanischen Short/Short Stories, das ist so erfrischend frei…

Persische Lyrik

Vorbemerkung der Redaktion: Die Lyrik ist eine der frühen literarischen Formen. Wenn auch die frühesten überlieferten lyrischen Texte nicht als Gedichte im heutigen Sinne verstanden wurden – das Vorkommen von Reim bzw. Alliteration, einer Metrik oder eines sprachlichen Rhythmus genügt,…