Autor: Ulrich Bergmann

Das Sauerland

  Das Sauerland, das Sauerland, ist mir so gut wie unbekannt. Ich fürchte nur, ich bleibe stur: Es fehlt mir dort so gut wie ganz Temperament und Eleganz. Und Wald und Flur, Möhne und Ruhr, das alles begeistert mich nicht,…

Kreativität und Disziplin

  Die Disziplin setzt in der Formung des Materials ein, aber ich weiß, dass schon die Auswahl des Materials einem kreativen Akt unterliegt, nicht beherrschbar ist und auch nicht vollkommen beherrschbar sein sollte. Auch die Formung selbst, zu der eine…

Massendiskurs

  Es ist nicht jedem gegeben, sein Innerstes an die Oberfläche aufsteigen zu lassen, ohne Scheu und ohne Furcht vor dem Zerrissenwerden oder der Antwort: Was für ein schwacher Text! Aber es geht gar nicht anders. Ich glaube, es ist…

Es leben die Toten

  Dein Leben ein Bad im Fluss Allmählich spürst du die Überquerung Kein Charon der dich steuert   Die Münze sinkt zum Grund des Himmels Oben schwimmt der Kokon   Gestrandet mit den Ratten lernst du wieder laufen …  …

Vivisektion

irgendwie ist jedes gedicht eine vivisektion des autors an sich selbst. Katrin Stange Vielleicht ist das nicht bei jedem Gedicht so, mal mehr mal weniger, aber indirekt bin ich immer in jeden Text hineinseziert, das ist wahr. Wirkliche Dichtung ist…

Erinnerungen an SAID

  Er kam auf mich zu. Das war vor zweimal sieben Jahren. Er schrieb mir eine Mail und bot mir an, eine kleine Erzählung von ihm im Bonner Dichtungsring zu veröffentlichen. Sie gefiel mir nicht, sie passte auch nicht recht…

Literarisches Träumen

  Hebt der Schreibende im Schreibakt Fragmente aus dem  Unterbewusstsein? Ich spüre, dass es (Es) mich manchmal zum Schreiben bringt, oder dass es (Es) sich (ab)schreibt, wenn ich schreibe. Das lässt sich forcieren wie das Träumen im Schlaf. Wenn ich…

hiermit bestelle ich

  zweitausendeins merkwürdige mythen in traum- besetzungen  die ganz bestimmt wahr sind exzentrische frühere leben kommende welten ein leben nach dem tod ein denkmal zu lebzeiten der sexuellen abhängigkeit die überraschung für die es noch keine angewohn-worte gibt das neue…

Über Leben – Überleben

  Über Leben, Überleben – das sind die Fragen, die Weigonis Gedichte im Wesentlichen ausmachen. Die Themen des Lebens sind – nicht nur für den Autor – Sinnsuche und ihre praktische Umsetzung im bisherigen geschichtlichen Kontinuum, auch als ethisches Soll…

Was ich will

  Ich will ein Kompendium meiner Welt-Anschauung schreiben, und da ich die Welt bin, ein Kompendium meiner selbst: Als Theater, als Spiel mit der Welt, also mit mir. Und doch stehe ich auch in einem Leben, das ich nicht bin,…

Der Abend

  Es liegt schon in den Zweigen der Schnee so weiß und kalt. Die Sonne will sich neigen, und dunkler wird’s im Wald. Nun lenken die Feen den Sonnenuntergang. Sanfte Winde wehen. Der Tag ist nicht mehr lang. Wo sich…

Amba Mata

  Die Sonne überschritt den südlichsten Punkt ihrer Himmelsbahn, und an diesem Tag begann der astronomische Winter und der Nachthimmel wurde regiert von Saturn, dem Planeten der Ringe, der kurz vor Mitternacht im Gegenschein der Sonne stand. Jani schloss die…

La voix du Pirandello

Ein paar Gedanken zu Pirandellos Drama „Sechs Personen suchen einen Autor“ Das ist „Tricktheater“, meinte Emil Faktor in seiner Kritik vom 31.12.1924 im Berliner Börsen-Kurier zum Stück Pirandellos. Das Spiel der sechs Personen, die ihr Leben (in einer fiktiven Theater-Probe)…

DAS ELEND DER WUNSCHMASCHINE

oder The Pursuit Of Happiness Zum Roman UNENDLICHER SPASS (INFINITE JEST) von David Foster Wallace (1996) in der Übersetzung von Ulrich Blumenbach auf 1545 Seiten mit 388 Anmerkungen. Kiepenheuer & Witsch, Köln 2009. Wir werden angesichts der Absenz des Todes…

Scheitern nach Plan

Noch länger hätte Oliver in dem Provinznest nicht bleiben können. Alles, was geschehen war, wollte er hinter sich lassen. Erst wenn man ihn vergessen hatte, wollte er noch ein einziges und letztes Mal zurückkommen, um Rache für das Unrecht zu…

Philosophische Aussagen Georg Büchners

Grundsätzlich schreibt Büchner autobiographisch. Das Netz, das die Ideen aus dem Leben fischte, fand er in sich vor. […] Dichtend fand er Zugang zu den überfluteten Gebieten seines Selbst, die für andere Erkenntnisarten unzugänglich waren. Hermann Kurzke   Georg Büchner…

Usch

  Das Jägerzimmer – Sammlung und Refugium – ist das frühere Kinderzimmer der Dreizimmerwohnung im Döllnitzer Weg 2, Halle-Süd, wo Usch dreiundsechzig Jahre lang lebte. Als Susanne auszog, die Tochter, um sich von der Enge und den elterlichen Zwängen zu…

Kurze Begegnungen

1 Sie trafen sich am Beethoven vor der Alten Post. Die junge Frau im blauen Rock war ganz aufgeregt vor ihrem ersten Rendezvous. Fast pünktlich erschien ein Herr, der zur Beschreibung passte – ein Kopf größer als sie selbst, so…

Das Bronzepferd

  Im siebten Jahr verliebte sich Janus. Er sah das Mädchen mit den tiefblauen Augen und den langen schwarzen Haaren in der Mittagsstunde, als er auf dem Weg von der Schule nach Hause in die Große Steinstraße einbog. Schon lange…

Über Analyse und Interpretation

  Analysieren ist Beschreiben ist zugleich immer auch Deuten. Ohne Deutung keine Analyse, ohne Analyse keine angemessene Deutung. Interpretieren (Deuten) bedient sich der Analyse als einer Magd; dabei ist die Methode der Analyse nie starr, sondern stets auf (oft mehrere)…

Lendenwirbel

  Gegen Abend fuhr ich nach Chicago – eine eigentümliche, modern und antiquiert zugleich erscheinende Skyscraper-Architektur, gute (teure) Geschäfte, Blumenkästen in den Straßen, weniger pollution als in Manhattan. Strand am Lake Michigan, direkt vor der skyline. Ich ging schwimmen und…

Borges’ Erzählung Der Süden (El Sur) gelesen.

  Der Bibliothekar Juan Dahlmann hat deutsche und argentinische Wurzeln. Besonders stolz ist er auf seine argentinischen Vorfahren mütterlicherseits. Zu seinen Erbstücken zählt eine Farm, die Dahlmann noch nie aufgesucht hat. Im Februar 1939 ersteht Dahlmann ein Exemplar von Tausendundeine…

Sartres heroischer Nihilismus

Vielleicht das Schönste, das Sartre geschrieben hat, ist das Textbuch zu dem Film „Les jeux sont faits“ (1947; als Theaterstück 1958): Dieses sprachlich einfache Werk ist ein Märchenspiel, in dem durchaus fraglich wird, ob Sartre mit der üblichen Kennzeichnung eines…

Blind Dates

Essayistische Alltagsbetrachtungen Sie geht ins Eiscafé und testet die Welt. Sie will wissen, wie sie wirkt. Sie setzt sich an einen Tisch in der Mitte des Raums und schaut durch die Sonnenbrille. Sie schlägt die Beine übereinander und blättert in…

Kafkas Axt

„… ein Buch muss die Axt sein für das gefrorene Meer in uns.“ Es kann uns nicht vor dem Ertrinken retten.   Franz Kafka: Von den Gleichnissen   Viele beklagen sich, dass die Worte der Weisen immer wieder nur Gleichnisse…

Space Odyssey ctd?

Ein Gespenst geht um in der Debatten, ChatGPT. Künstliche Intelligenz ist ein irreführender und von popkulturellen modernen Mythen vernebelter Begriff. Ulrich Bergmann versucht im Dichtungsring etwas Licht in die Diskussion zu bringen. Der Journalist und Blogger Sascha Lobo sprach von…

Lesen ist Schreiben

  Als Kind las ich meistens im Bett, ich kuschelte mich in die Decke und dann konnte ich stundenlang, manchmal den ganzen Tag, in mein zweites Bett kriechen, das Buch war mein Bett im Bett, mit dem ich geschlafen habe,…

Kleine Visionen

Der Text, das Buch und die schöne Literatur im 3. Jahrtausend Die Poesie, die sich als Kunst versteht, wird es gegen die Massenliteratur auch im dritten Jahrtausend so schwer haben wie bisher, aber sie wird sich behaupten. Echte Kunst wird…

Warum ich Schiller liebe

  Wenn der Idealismus Schillers die Herzen der Wähler beseelte – wir hätten heute eine andere, eine bessere Politik! Schillers Humanismus und eine moderne Kapitalismus-Kritik ist genau das, was wir brauchen, um besser und würdiger zu leben als in der…

… unbewußt – höchste Lust!

Die Kunst und nichts als die Kunst! Sie ist die große  Ermöglicherin des Lebens, die große Verführerin zum Leben, das große Stimulans des Lebens. Friedrich Nietzsche (1888) Du verlierst dich im Rausch der Worte und Gedanken Nietzsches. Wenn du erst…

Danton und wir

  Georg Büchners Danton glaubt, eine Marionette innerhalb eines sich in der Geschichte manifestierenden mechanistischen Determinismus zu sein. Er befindet sich in einem doppelten Dilemma: Er durchschaut sein Determiniertsein und muss in seinem radikalen Skeptizismus scheitern, denn er kann nicht…

Meine Seele eine blaue Schrift

Kommentare zu frühen Gedichten Heinz Küppers[i] Ich stelle im Folgenden drei Gedichte aus den späten 50er Jahren in den Rahmen ihrer Zeit – mit einigen wenigen biografischen Erklärungen, deren es aber nicht bedarf, um die Gedichte zu verstehen. Heinz Küpper…

Die Monde der gelben Mitte

Chinesische Vor-Zensur   Der Bonner Sinologe und Schriftsteller Wolfgang Kubin veröffentlichte im österreichischen Bacopa-Verlag Gedichte, die er in seiner Jugend schrieb, in vier Bänden. Nun interessiert sich ein chinesischer Verlag für Kubins Frühwerk, das die in Deutschland lebende Chinesin Hai…

Gionos Augen blitzen

  Jean Gionos Lächeln zu erwidern, fällt mir nicht mehr so schwer. Als er das Fenster öffnet, schaue ich hinauf zu ihm, von der Sonne geblendet, und lese in seine Augen. Hinter ihm die Schwärze seines Zimmers. Gionos Augen blitzen.…

2

    Ich bin dann mal weg. Es gibt diese Geschichten vom Abhauen, da sagt einer, er geht Zigaretten holen und kommt nicht wieder. In diesen Stories verlässt immer der Mann die Geliebte, die Frau, mit der er zusammen wohnt,…

Ich verirre mich in dieser unsinnigen Welt

  JANUS: Ich verirre mich in dieser unsinnigen Welt voller Korruption, Lüge, Täuschung! Ich fliege übers Kuckucksnest Vintery, mintery, cutery, corn, Apple seed and apple thorn … und fliehe in umgedachte Wirklichkeiten, in denen ich mich teuflisch wohl fühle. Je…

Im Sekretariat

  Der Direktor zeigt auf das Modell eines Berges. Auf verschiedenen Höhen stehen in einer Felswand meine Verwandten, die ganze Familie, mein Vater, meine Mutter, Grandmère, Grandpère, Tante Henny, Tante Mathilde, … und alle meine Freunde, Arthur, Peter, Walter, Rainer,…

Intermezzo

  Der Fuß wird schwarz, es trifft dich überall, und wenn du denkst, der Gevatter kommt zur Hintertür herein, täuschst du dich. Wenn du die Fenster schließt, schlägt der kalte Wind gegen das Glas. Aber deinen ärgsten Feind kannst du…

Und die Moral?

  Grandmère erzählte mir oft die ungeheuerliche Geschichte vom Franz, ihrem Bruder, der als Kind unter starken Depressionen leidend sich als Kopffüßler porträtierte und in den Schädel Blitz und Wolken und Regen zeichnete: Gewitter im Kopf. Dann aß und trank…

Bracks Untergang

  Bracks Untergang ereignete sich so langsam, dass alle, die das Auf und Ab der Stimmungen und Rauschphasen beobachteten, glaubten, Brack werde sich noch fangen. Wenn ihn Amphetamine und Wodka beherrschten, war er wochenlang nicht ansprechbar. Aufputschmittel reizten Brack, immer…

Ich fuhr aus dem Tunnel ins Licht

  Ich fuhr aus dem Tunnel ins Licht. Rechts stand die Sonne schon knapp über der Muffendorfer Höhe, links blühte zwischen Petersberg und Drachenfels der Mond. Sein schimmerndes Eis stach ein Loch aus dem schwarzblauen Himmel. Brack sagt mir nicht…

Moonwalk

  Ein leichter Wind trieb die Kastanien-blüten über die Gehsteige der Alleen. Der blau schimmernde Asphalt der B9 schlug Wellen. Ich fuhr zu Brack nach Mehlem in die Gelateria. Das war im letzten Sommer. Die Straße war das Eis-meer, ich…

Himmelhoch

  Am Schreibtisch hör ich Musik im Glühen der Lampe vor meiner Stirn. Ich zieh mich aus der Finsternis des Raums ins Licht. Leicht gebeugt über Bücher, Hefte, Schreibpapier wohne ich im Gehäuse. Italienische Opern laufen mir durchs Gehör, ohne…

Am Abend

  Stella legte sich auf den Teppich und schnitt aus Zeitungen und Illustrierten ein Wort nach dem anderen aus, kleine Sätze, auch Bildchen und Symbole, farbig, schwarz, und grau und blass, klebte sie dann auf weißes Papier, und so entstanden…

Stella schreibt mir einen Brief

  Der Portier im Dragon gibt mir den Umschlag. Ich war gerade bei ihr. Warum schreibt sie mir, wenn wir uns täglich sehen? Erster Eintrag. Ich träumte letzte Nacht von dir, Janus, ich träumte von einem Bild in Blautönen und…

Mein Sarg

  Nach dem Aufwachen am nächsten Morgen erzählte ich meiner Liebe: „Mein Cousin baute für seine Mutter, als sie gestorben war, selber den Sarg.“ Stella fand das merkwürdig und schön. Ich sagte: „Wenn ich sterbe, dann bau aus dem Holz…

Das Ende

  Das Ende, dachte ich. Das Ende. Vielleicht beginnt es auf einem Parkplatz: Ich frage meine Freundin: „Wer sitzt in den Autos dort hinten?“ „Geh hin und sieh nach“, sagt Stella. Ich laufe in die Ecke zu den Autos und…

Unser Leben ist nur Wahn und Fraß

  Wenn unser Leben Wahn und Fraß ist, dachte ich, dann ist der Wahn Leben ohne Fraß, und Fraß ist Leben ohne Wahn, ja, das Leben wird zur tödlichen Sucht. ‚Und die Kunst?’, fragte ich Großvater, ‚ist sie auch ein…

Sternblumen

  Stella sagte: „Es wird kühler.“ Die Sonne verschwand hinter den Häusern, und die steinernen Bischöfe des Brunnens über uns wurden dunkler, fast schwarz, wir spürten das fallende Wasser im Rücken. „Ich will dir schnell noch eine Geschichte meines Großvaters…

Kristallin

  „Die Menschen sind so seltsam“, sagte ich. „Einmal lief ich in der Nacht auf dem Glatteis, das unter der dünnen Schneedecke lag, nach Hause. Da hörte ich hinter mir Schritte, die immer näher kamen, und eine Stimme sagte: ‚Kann…

D-Es-C-H

  „Dmitrij Schostakowitsch legte sich jahrelang abends mit voller Kleidung ins Bett, neben ihm der gepackte Koffer“, sagte Stella, „er lebte in der ständigen Angst, deportiert und liquidiert zu werden. Dem Diktator missfiel die neunte Sinfonie, es fehlte der Triumph,…

Die Glut

  Die Glut. Die Glut. „Der Tod pfeift immer noch nicht aus dem letzten Loch. Er schlägt härter zu, genauer und unberechenbarer als irgendein Konzern und singt seinen eigenen Blues“, sagte Stella. „Ich stoße meine Stirn in die Tastatur, unter…

In wasserloser Ferne

  In wasserloser Ferne. Ich wohne in einer alten Stadt in einem kleinen Haus mit engen Stiegen am großen Platz, der zerfurcht ist von den Schienen der Straßenbahn. In der Ferne kreischen die Räder aus dem blanken Metall der Gleise.…

Ich gehe durch den Schlaf wie durch eine Wohnung

  Ich im Bett. Zur Fensterseite liegt Elisa, rechts neben mir eine Frau, die ich nicht kenne. Beide sind mit dünnen Tüchern halb zugedeckt. Ich drehe mich zu Elisa im Licht, ins zarte Weiß, sie schläft, dann zu der anderen…

Die Tage fielen um wie Dominosteine

  Die Arbeit am Computer war ermüdend, die Zeit verging und blieb stehen. Ich las Sartre. Ich spielte mit seinen Ideen in Les jeux sont faits und schrieb einen härteren Schluss. Mir gefiel das philosophische Spiel, so lernte ich am…

Ich traf Usch in einem Café am Reileck

  Ich traf Usch in einem Café am Reileck. Sie verspätete sich. Ich setzte mich an einen Tisch am Fenster. Ich beobachtete im Asphalt die Spiegelung des dunklen Himmels. Die Wolken zogen durch die Pfütze. ‚Ganz frei sind wir nirgends’,…

Stella hielt nichts von meiner Reise

  „Du schiebst alles auf, was Arbeit macht, du verdrängst deine Pflicht. Du suchst belanglose Abenteuer und weißt nicht, wie du dein Leben gestaltest.“ „Ich weiß“, antwortete ich, „aber ich lerne auch aus meinen Eskapaden.“ „Du bist irrsinnig“, sagte Stella,…

Flagstaff. Youth Hostel

  Ich treffe das Indiana-Mädchen wieder. Mit ihr in einem Ford Babbit (rent car) zum Montezuma Castle. Oak Creek Canyon. Sunset Crater. Walnut Canyon. Holbrook, Arizona. Painted Desert und Petrified Forest. Albuquerque. Gallup. Hitchhiking nach Shiprock, Cortez, weil keine Greyhound-Linie.…

Eines Morgens wache ich auf

  Eines Morgens wache ich auf und sehe in die stummen Augen eines Maultierhirschs, der sich über mich beugt und bald in aller Ruhe davontrabt. Abends am Feuer fünf Amerikaner, ein Schwede und ich. Diskussion über Obama und Clinton ……

Sechster Schritt

  Dann wachte ich auf. Ich bin wieder zu mir gekommen. Aber was ist mein Ziel? Erst die Theorie entscheidet, was beobachtet werden kann. Stella fragte mich aus. Sie wollte wissen, warum ich in Paris war. Ich sagte ihr die…

Er steht auf

  Er steht auf. Er fasst den Kugelschreiber und stößt ihn in den Text. Er geht mit schnellen Schritten zu dem Presslufthammer und stellt den Motor an. Der Hammer pulst, die Stöße zittern laut. Die erhobene Lanze schüttelt seinen Körper,…

Uranos

    Der Raum ist schwarz. Langsam fließt Blau steil hinab, tiefblau, hellblau, zartblau angestrichene Strahlen von Licht. Flirrende Töne fließen mit, sie schwellen an und füllen den Raum so laut, dass die Farben zittern, dann wird es leise. Trommelndes…

Die Angst vor dem Tod ist das Schlimmste

  Der Tod griff mich erst an, als ich Jahre später Grandmère Louise verlor. Sie glaubte an die Sprache in den Psalmen und Faust, aber nicht an Gott. Der ließ sie fallen, als sie beim Überqueren der Allee in der…

Fünfter Schritt

  Fünfter Schritt. Schon wieder ein Traum. Stella erzählte ihn mir, wieder am Brunnen. Sie träumte mich. Ich war im Traum mit ihr verschmolzen, sie träumte von mir, jetzt weiß ich es, sie träumte, was ich geträumt hätte, wenn ich…

Tempus fugit

  Das Licht strömt aus unserer Mitte und vibriert, es fließt oder schlägt Wellen von einem zum andern. Der Himmel verliert sein letztes Blau. Jetzt ist er ganz schwarz, so schwarz, als wäre er gar nicht da, wie das Nichts…

Langsame Bewegung

  Langsame Bewegung. Ich laufe allein durch den Jardin du Luxembourg. Unter einem schwarzblauen Himmel keine Sonne, aber hell leuchten die Wege von weißgelber Erde. Der Garten ist ein übersichtliches Labyrinth, überall wachsen die gleichen Pflanzen aus der Erde. Aus…

Wenn einer träumt

  Wenn einer träumt, fällt er aus dem Zeitlupentempo seines wachen Lebens. In den rasenden Bildern der Nacht überholt er sich, man kann sagen, am Ende eines Traums stehe ich am Ziel und warte auf mich selbst. Aber was ist…

Auf einem Waldweg

  Auf einem Waldweg, in den das Licht hart einschlägt wie ein Blitz, der erstarrt, stehen nebeneinander zwei Männer. Der eine schaut in die eine, der andere in die andere Richtung des Weges. Sie reden miteinander, sie kennen sich. Ich…

Die Bilder spiegelten meine Lebenslage

  Die Bilder spiegelten meine Lebenslage. Die Leere des Palastes war meine eigene Leere, die Haltlosigkeit meines Seins. Wer war ich wirklich? Bedeutete ich nur in meiner Innenwelt etwas? Ich war faul, ich lernte nur, was mich interessierte. Ich konnte…

Stella erzählte die Geschichte vom selbstmörderischen Kampf

  Stella erzählte die Geschichte vom selbstmörderischen Kampf eines Katers mit einer Ratte. Beim Versuch zu fliehen bot die Ratte dem Kater ihren ungeschützten Rücken, in den der Kater nach einem entsetzlichen Sprung seine Krallen bohrte, während die Ratte, indem…

Ich beobachte meinen Schatten

  Ich beobachte meinen Schatten und stelle mir vor, wie ich zu ihm sage: Du störst mich. – Er antwortet: Du störst mich noch viel mehr. Ich bin dein Gefangener. Gib mich frei. – Wie soll das geschehen, frage ich…

Vierter Schritt

  Vierter Schritt. Noch vor dem Sonnenaufgang wachte ich auf. Ich flüchtete mich in den Tag. Da konnte ich besser träumen. Ich musste mich aus dem Griff der Frage befreien, die sich im Schlaf auf mich warf. Ich traf sie…

Am Abend setzte ich mich in den Jardin du Luxembourg

  Am Abend setzte ich mich in den Jardin du Luxembourg und las Joseph Conrads Erzählung Herz der Finsternis. Das lenkte mich ab, obwohl mich das Ungesagte oder Unsagbare, das Mr. Kurtz so bewegte, das entsetzliche Gesicht einer flüchtig erblickten…

Dritter Schritt

  Dritter Schritt. Ich wollte sie wiedersehen. Das stand fest. Morgen in der Mittagsstunde. Ich ging zum Hotel zurück. Die Rue du Dragon war so belebt, dass ich mitten auf der Straße ging, zumal die Tische der Restaurants den Bürgersteig…

Bald bin ich alt

  Das Gute am Altsein: Dass man Narrenfreiheit hat und nicht mehr lernen muss zu leben. Das Schlechte ist alles andere … Erlösungsgelaber. Gott hat Alzheimer. Er ist nicht bei mir. Er ist vermutlich scheintot. Den überlebe ich, das weiß…

Lähmung

  Lähmung. Ich werde kalt, spüre, wie ich anfriere, wie sich Eis bildet zwischen meiner Haut und dem Stuhl, wie das Vakuum zwischen mir und dieser Schauspielerin zusammenzischt und mich innerlich wegbläst irgendwohin, wo das Nichts immer kleiner wird und…

Bühnendrehung

  Bühnendrehung. Am Nachbartisch eine mitteljunge Frau, Fliegerjacke, schwarzer Igelkopf, ganz sicher vom Theater gegenüber. Als wäre ich in eine Hardcore-Situation gerutscht … Sie lippt am Espressotässchen, als wäre es eine ganz spezielle Muschel in der Rolle, die sie gerade…

Nicht jede Blume ist blau

  Nicht jede Blume ist blau. Nun bemale ich meinen Sarg. Meine Hoffnung tanzt hinter den Kulissen. Die Bühne dreht Sommer in meinen Schädel. Ich bin aus Papier. Da schlägt mein Schatten dem Schlaf ins Gesicht. Kopfhaut zuckt in spitzer…

Wenn ich ihn morgen in der Stadt sehe

  Wenn ich ihn morgen in der Stadt sehe, rufe ich ihm zu: Guten Tag, Herr Geheimrat, Sie sind dran! Und dann fallen ein paar Lichtstrahlen vom Himmel durch die Luft und malen dem Tod ein paar Knochen zum Fraß…

Die schwarzen Kühe der Nacht

  Die schwarzen Kühe der Nacht. Als ich ein Kind war, da sangen und sprangen wir in die mit Kreide auf blauen Asphalt gemalten Kästchen zwischen Himmel und Hölle: Kaiser König Edelmann – Bürger Bauer Bettelmann … Hein der Schnitter…

Zwischen Stäben

  Zwischen Stäben. Ich dehne mich aus, sagt Die Expansion, ich weiß nicht, wie. Ich auch nicht, sagt Die erste Dimension. Da war ich bestimmt schon da, sagt Die Gravitation, oder auch nicht, ich kann mich nicht genau erinnern, ich…

In statu narrandi

  In statu narrandi. Ich gehe träumerisch durch mein Leben, das steht schon in meinem ersten Schulzeugnis. Ich sehe mich in den Dingen gespiegelt. Kein Gott ist so stark wie ich, nicht einmal der Allmächtige. Ich bin der größte anzunehmende…

Entnichtung

  Entnichtung. Mir starb der beste Freund, er schaute blind ins Leere zuletzt. Ich spürte, er hörte jedes Wort. Drei Tage vor seinem Tod bewegte er die Lippen tonlos zwei Sätze lang. Der Sterbende ist immer weniger der, der er…

Und wie ich mich so entferne

  Und wie ich mich so entferne, weiß ich schon gar nicht mehr, wo ich bin, sehe ich zu mir hinauf, oder sehe ich von oben auf mich herab, wie ich da unten stehe, so hell ins Schwarze hineingehalten, aber…

Zwischen Nichts und Nichts

  Die Hineingehaltenheit meines Seins in das Nichts sehe ich vor mir, ich sehe mich in der Schwärze der Nacht, ich bin weiß und leuchte in die Nacht beim Öffnen der Raumtür, ich weiß nicht, tu ich das selber oder…

Du schon da!

  Du schon da! Ich stehe auf dem Balkon. Hinter mir die Zinkwanne, ich habe sie bis oben hin mit Wasser gefüllt. Mit roten, weißen und blauen Ankerbausteinen baute ich ein Unterwasserschloss, mit Säulen, Toren und Fensterbögen. Die Bleisoldaten stehen…

Ichung

  Die Kugel durchdringt den Kern und wirft die Geißel ab, nun Kugel in der Kugel. Fischblase mit der türigen Wand vor dem Ich zwischen Arktis und Antarktis. Da schwimmt das Universum im Universum. Nord und Süd gehen ineinander, vertunneln…

Das Leben braucht uns nicht

  Das Leben braucht uns nicht, sagst du, der Satz ist tückisch, denn er suggeriert ein Subjekt über mir. Ich sage, ich bin das Leben, solange meine Sanduhr tickt, und ich werde nicht wahnsinnig wie Hölderlin an dem Gedanken, dass…

Begründe dein eigenes Glück

  „Begründe dein eigenes Glück!“, sprach eine Stimme über mir, ich drehte mich um und schaute hinauf. Das Fenster war halb geöffnet, das Holz der Fensterläden reflektierte die Stimme aus dem Innern. „Lebe deine Natur aus gegen den Irrsinn der…