Kategorie: Allgemein

Der Henker

  Ich kugle Dich auf Deiner roten Decke. Ich bin am Werk: blank wie ein Metzgermeister. Tische und Bänke stehen wie blitzende Messer der Syphiliszwerg stochert in Töpfen voll Gallert und Kleister.   Dein Leib ist gekrümmt und blendend und…

MENSCH SEIN

    Trotz allem Mensch sein. Mensch bei allem bleiben und seinen Menschen nicht verkümmern lassen, wenn selbst die Sterne schon in Dunst verblassen, geängstigt von dem Spuk, den Menschen treiben.   Mensch sein heißt nicht duldsam verweiben. Mensch sein…

Eintagstag

  Dieser Tag zeigt deine wunde Zeit. Oh, dieser Tag da mit gestutzten Blicken Verliert sein Fluchtgedächtnis. Dein umgekippter, tiefgestürzter, grad noch fürs Fremderinnern, Tag: Als Rettungsinsel eine dünne Haut auf stehendem Gewässer. Du Tag besitzt mich wie ein Schmerz…

Nicht sicher

  Er wird es hinnehmen, so wie er fast immer alles hingenommen hat. Er hat es hingenommen, dass die Welt ihm verändert wurde und nicht er sie entwickelt hat, hingenommen, dass sie ihn nur noch ansah, nicht mehr anfasste. Er…

Abrasion

  Knopfsemmeltage in Frankfurt – Die Wolken die wehenden Locken der unaufhaltsamen Stadt aus Eisen Und Glas vibrieren am Abend   Fernab das Rauschen der Züge – wie Gemacht um hier fortzukommen Aber auch um einzukehrn hier: zwischen Bordellen und…

Macht der Gewehre

  Um Amerika wirklich die Meinung zu sagen brauchst du eine massive Schreibmaschine Kraft & Stärke & übermenschliche Energie, die dir Rückhalt geben Du bist bereits erschöpft und planst deine Flucht (in dieses Gedicht) Ohne Worte bist du ganz schön…

Turntable-Studio an der Ruhr

Tom Täger und A.J. Weigoni kommt das Verdienst zu, die Lyrik nach 400 Jahren babylonischer Gefangenschaft aus dem Buch befreit zu haben. lyrikwelt.de Als Tom Täger 1989 im Tonstudio an der Ruhr Helge Schneiders erste Schallplatte Seine größten Erfolge produzierte,…

Wie sich das Galgenkind die Monatsnamen merkt

  Jaguar Zebra Nerz Mandrill Maikäfer Ponny Muli Auerochs Wespenbär Locktauber Robbenbär Zehenbär.     *** Galgenlieder, von Christian Morgenstern. Erschienen im Verlag Bruno Cassirer. Berlin 1905 „In jedem Menschen ist ein Kind verborgen, das heißt Bildnertrieb und will als…

Die zwei Gesellen

  Es zogen zwei rüst’ge Gesellen Zum erstenmal von Haus, So jubelnd recht in die hellen, Klingenden, singenden Wellen Des vollen Frühlings hinaus. Die strebten nach hohen Dingen, Die wollten, trotz Lust und Schmerz, Was Rechts in der Welt vollbringen,…

Auf grünem Rasen

Frühsonne geht im Blauen, wie eine goldne Fee, Will über die Schultern der Bäume schauen. Die Schmetterlinge jagen sich über Baum und Klee, Und Wolken lassen sich tragen Hin über die blauen Gassen, Wie Damen in seidenen Wagen. Du und…

BALLADE FÜR ENZO

    Er wurd in den Abbruzzen groß Sein vater schlug ihn glatt Er riß sich von der kate los und ging den krummen pfad Im dorf ner messerstecherei entkam er  riß zur küste aus Die fischer hielten grad ihm…

Abschlußgedanken

  Nun, da alles klar zu sein scheint – es ist nicht anscheinend klar – das Kommen und Gehen und das Verweilen in seinen stummen Zwischenräumen; nun da alles Beschwerliche rutscht, durch die Geschwindigkeit heraneilender Klärungen; nun, da sich das…

Poesie, ein Kulturgut

  Was auf Anhieb verführt und besticht, ist die Spreche: Melodie, Rhythmus, weiter Atem. Diese Poesie hat etwas Körperliches, man sieht es daran wie das Wort als Lautabfolge von Zunge und Lippen geformt wird und seinerseits das Gesicht dessen zeichnet,…

Bahnhofszeit

  Die Abfahrtszeiten tagen vor der Ankunft. Unter dem Neon, Gift dem Vergessen, steh ich zu früh, um wach zu bleiben. Jetzt etwas essen! Mich passieren Blicke, aneinander lehnende Lichter, wessen Züge so vieler Gesichter, die schrieben zuletzt die Bahnen…

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  deine Flügel bin ich bin dein Fliegen siegessicher das Leben nicht mehr in begreifliche Teile zerlegen: ehrlich       *** Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht sie der Frage…

ECHT ÖSTERREICHISCH

    da hitla hod eich vagessn schrien wie verrückt die lodentrachtweiberln vom gehsteigrand her bei unserer demonstration damals gegen den borodajkewycz der sich in seinen uni-vorlesungen lachend und feixend damit brüstete ein nazi gewesen zu sein na und sagte…

Über allen Gipfeln

    Ueber allen Gipfeln Ist Ruh‘, In allen Wipfeln Spürest Du Kaum einen Hauch; Die Vögelein schweigen im Walde. Warte nur! Balde Ruhest du auch.         „Über allen Gipfeln“ schrieb Goethe wahrscheinlich am Abend des 6.…

VORFRÜHLING

  Es läuft der Frühlingswind Durch kahle Alleen, Seltsame Dinge sind In seinem Wehn.   Er hat sich gewiegt, Wo Weinen war, Und hat sich geschmiegt In zerrüttetes Haar. Er schüttelte nieder Akazienblüten Und kühlte die Glieder, Die atmend glühten.…

An Zimmern

  Die Linien des Lebens sind verschieden, Wie Wege sind, und wie der Berge Grenzen. Was hier wir sind, kann dort ein Gott ergänzen Mit Harmonien und ewigem Lohn und Frieden.       *** Weiterführend → Ulrich Bergmann hat das…

Lettrismus · Revisited

Die lettristische Autonomie der Buchstaben, Zeichen und Laute führte auf dem Gebiet der Literatur zu Klanggedichten, zu einer pictoprose, nämlich einer Verbindung von Schrift und Bild nach Art eines Rebus, zu hypergraphischen Romanen, die verschiedene Schriftsysteme miteinander verschmelzen, und ähnlichen…

OptomegaPhon

  willig wildwuchernde ZARTlichkeiten & erredigierte Nackenhaare Beschwœrungsformeln ans Du   ruecke næher an : meine transparente Aussenhuelle   der 1zige Wider stand ist = unsere Reibung     *** Letternmusik, Gedichte von A.J. Weigoni, zuerst erschienen beim Rospo-Verlag, Hamburg,…

Englischsprachige Lyrik

Vorbemerkung der Redaktion: Die Lyrik ist eine der frühen literarischen Formen. Wenn auch die frühesten überlieferten lyrischen Texte nicht als Gedichte im heutigen Sinne verstanden wurden – das Vorkommen von Reim bzw. Alliteration, einer Metrik oder eines sprachlichen Rhythmus genügt, in…

Über die Poesie

Nein, das ist zu arg! Erst Sauerkraut und dann 15 Seiten aus Jean Paul. Das halte aus, wer will! Goethe über Jean Paul Göthens Karakter ist fürchterlich: das Genie ohne Tugend muß dahin kommen. Jean Paul über Goethe Man kann…

Mondblick

  An meine Augen spannt der Schein. Das Schläfern glimmt in deine Kammer Gelbt hoch hinauf Und Schwület mich! Matt Bleicht das Bett Und Streift die Hüllen Stülpt frech das Hemd Verfröstelt Auf den Mond. Jetzt Leuchtest du Du Leuchtest…

update

  im märz schließen wir den winter mit der steckdose kurz fahren die sonne hoch melden wärme an ihr passwort ist „mai“ dann sitzen wir am schirm vor dem café laden blicke herunter die kniekehlchen singen     *** Weiterführend…

Pansmusik

  Ein Floß schwimmt aus dem fernen Himmelsrande, Drauf tönt es dünn und blass Wie eine alte süße Sarabande. Das Auge wird mir nass. Es ist, wie wenn den weiten Horizonten Die Seele übergeht, Der Himmel auf den Ebnen, den…

Baum mit Liebeskummer – Moritat

  Ich stand im Wald und steh dazu. Dort draußen hatt ich meine Ruh, Die Ruhe selbst war ich und mehr. Der Wald blieb da. Mich zogs hierher:   In diesem Garten ganz allein Muss ich statt drauß im Walde…

PLANTAGE

  zögernd tasten meine füße ohne treppe also falle im wogen des grases rinnen silbern die säfte hervor unterm flutenden licht entblößt sich was fällt saugen wespen die substanz aus der fäulnis der körper spür ich das chaos der gase…

Rheinfahrt

    Wie kühn auch andre Quellen sprudeln, brausen, Wo sonst die Dichter schöne Weihe tranken, Den Kunstberg stets anklimmend ohne Wanken, Bis wo die ewig heitern Götter hausen;   Ich wähle dich, o Rhein, der du mit Sausen Hinwogst…

Horses

        *** Vor 20 Jahren erschien Horses, das Debütalbum von Patti Smith. Es wurde von John Cale produziert und am 13. Dezember 1975 bei Arista Records veröffentlicht. Weiterführend → Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und…

Madonna aus dem Hause Tempi

  O Mutter! Deren Arm ein All umspannt! So süß entzückt, mit schüchternem Begreifen, So zitternd trägt ihr Blümlein deine Hand Und wagt es kaum, den zarten Schmelz zu streifen.   Ein goldnes Schlüss’lein, das dein Herz erschließt, Ein lebend…

DIE MURX BROTHERS ALS TERRORISTEN

  I Dommel* spielt partisan im unterjrund wird er star heuert ne skiffleband an fürt Soledad Popular*   Wo’r en paar schweine erschießt hat man ehm festjenommen linke terrorist da kann ja jeder kommen   Wieder unter massen hat er…

Strippen

  Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung…

Qualle

    Weiterführend → Mehr über die Hungertuchpreisträgerin Katja Butt

Nusskuchen

Nur dafür war er so früh aus dem Haus gegangen, hatte sich nicht an den Rechner gesetzt, um die Mails der letzten Stunden abzurufen. Zügig fertig gemacht stand Herr Nipp schon gegen sieben Uhr auf der Straße. Das T-Shirt saß…

Er besaß den Park der Erinnerung

    Er besaß den Park der Erinnerung, seine Dämmerung strukturierten Grabsteine Anonymer, da war fröstelndes Lustwandern unter uralten Ulmen, um nebenan in der Kälte wartender Gedichtanfänge anzukommen. Ich selber las viel. Kalt war es, neue Kälte wie nie, die…

requiem für preas eyn

  der stärkste typ in der ganzen bibel war judas ischariot so nehme ich jedenfalls an   jenny auf dem ersten und letzten trip die nadel geschaffen um segen zu bringen bringt nicht nur ihr den tod   die ameisen…

MENSCHENRECHTE(LOS)

    immer sagen das ist in Afrika vielleicht das ist dort bei den negern anderswo nicht hier bei uns   immer sagen das war unter Hitler das war auch unter Stalin unter Ceausescu vielleicht aber nicht hier und nicht…

GASTMAHL

wird mir das fleisch gebrannt im restaurant dem parfümierten ort mit regenschirmen aus papier im angebot statt regenwürmern auf spiegeln serviert seh ich beim essen die zähne eindringen ins erhitzte gewebe die muskeln die fasern die mich halten träge durch…

aufstieg

Weiterführend → Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung…

Weg laufen

  Wie trunken verwirrt lief er durch die Straßen, die man nicht Schluchten nennen konnte. Infrastruktur einer kleinlichen Mittelstadt. Er war eine Station zu früh ausgestiegen, hatte die richtige Abzweigung verpasst, suchte aber auch nicht so intensiv, als dass er…

Verabredung

  Der Torweg fängt mit streifen Bändern ein Mein Stock schilt Klirr Den frechgespreizten Prellstein Das Kichern Schrickt Durch Dunkel Trügeneckend In Warmes Beben Stolpern Hastig Die Gedanken. Ein schwarzer Kuß Stiehlt scheu zum Tor hinaus Flirr Der Laternenschein Hellt…

An die Grundmächte

  Es zählt vor euch nicht, dass ich Schmerzen leide. Es schweigt die Weide, Wenn man zur Flöte sie schneidet und schält. Doch dass ich leide und nicht meutere, Und was ich mir draus läutere Zum Zwiegespräch mit euch, es…

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deine Flügel bin ich bin dein Fliegen siegessicher das Leben nicht mehr in begreifliche Teile zerlegen: ehrlich *** Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht sie der Frage nach, wie das Schreiben…

e sg ibt i mm erm ehrd a vo n

        Aus: Ein Molotow-Cocktail auf fremder Bettkante. Lyrik der siebziger/achtziger Jahre von Dichtern aus der DDR. Hrsg. Peter Geist. Leipzig: Reclam, 1991 Weiterführend → Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies…

Rote Rosen

  Du hast Deine Hand noch nicht auf die Türklinke gelegt, Als Dir durchs Türbrett der Rosen Brand schon entgegenschlägt. Die Rosen sind Deinem Herzen näher als manches Wort, Sie geben ihr Glück in die Luft und halten doch vornehm…

Vom König

*** aus: Vom König, Künstlerbuch von Haimo Hieronymus, 1995. Weiterführend →  Zum Thema Künstlerbücher finden Sie hier einen Essay sowie ein Artikel von J.C. Albers. Vertiefend auch das Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier. Künstlerbücher…

O meine müden Füße ihr müßt tanzen

  O meine müden Füße ihr müßt tanzen In bunten Schuhen, Und möchtet lieber tief, tief Im Boden ruhen. O meine heißen Wangen, ihr müsst glühen Im wilden Kosen, Und möchtet lieber blühen Zwei weiße Rosen. O meine armen Augen,…

PhoNo\Zentriert

  & nur mit der Zeit   ent falten wir uns ganz&gar   die hell \ blaue Bluete Deines schmollMoondes bedarf niemalsmehr auch eines einzig Wortes   & nicht nur nackts ent blœssen wir die ueber\hitzte Haut     ***…

Anfangs wollt ich fast verzagen

  Anfangs wollt ich fast verzagen, Und ich glaubt, ich trüg es nie; Und ich hab es doch getragen – Aber fragt mich nur nicht, wie?     *** Heinrich Heine gilt als einer der letzten Vertreter und zugleich als…

immer

  wenn ein Zug stehen bleibt werden Weichen gestellt Unaufhaltsames geboten fallen Verletzte auf das Gleis Hände kommen zum Gruß bewegt er sich endlich folgt sticht ein bitteres Aug kommen Antworten zu spät       *** Quelle: Dichtungsring Nr.…

Bilder eines Dichterlebens

Die kind is nie dood nie die kind lig sy vuiste teen sy moeder wat Afrika skreeu skreeu die geur van vryheid en heide in die lokasies van die omsingelde hart Die kind lig sy vuiste teen sy vader in…

Heute noch von Erbmassen reden und loswandern

  Bald erkaltete Erbmassen, von wem aus tot weg geschlossene, ausgebeutelte (gefühlt) Erbmodelle, jung durchaus, sind eben Erbmassenvorführer, gegeneinander getrieben von Panzern sagen wir: der Angst. Leichtknöchrige Vögelchen, federflüchtig aufeinander zu gestoben wäre ein zu leichtes Bild, und dann auch…

Hippe Lippe

  Ich lege Wert darauf, von Wert zu sein, Und klimpre mit den Münzen in der Tasche. Dann nehme ich die goldne Schampusflasche, Die mit den Plättchen drin, und schenke ein:   Das ist die neuste hippe Jetsetmasche. Ich rede…

Menschenleben – ach!

  Leben überhaupt – ist Dichtung. Uns selber unbewußt leben wir es, Tag um Tag wie Stück um Stück, – in seiner unantastbaren Ganzheit aber lebt es, dichtet es uns. Weit, weitab von der alten Phrase vom ›Sich-das-Leben-zum-Kunstwerk-machen‹; wir sind…

Leise sagen –

  Du nahmst dir alle Sterne Über meinem Herzen.   Meine Gedanken kräuseln sich, Ich muß tanzen.   Immer tust du das, was mich aufschauen läßt, Mein Leben zu müden.   Ich kann den Abend nicht mehr Über die Hecken…

irre trickOHs

Ernst Jandl hat den Autoren zum Namen Das fröhliche Wohnzimmer gratuliert. Mittlerweile ist die Edition „Das Fröhliche Wohnzimmer“ von Ilse Kilic und Fritz Widhalm eine feste Größe, das heißt Tat-Sache im österreichischen Literaturbetrieb. Birgit Schwaner Mit llse Kilic und Fritz…

Andeutungen

  Vielleicht blüht die Orchidee immer dann wenn du dich einem Höhepunkt näherst.   Der Gedanke an Zimtreis streift dich als du unter der Weide gehst im Wind liegt der Duft deines ersten Füllfederhalters.   Du nennst eine Stadt eine…

Radlers Seligkeit

  Wer niemals fühlte per Pedal, dem ist die Welt ein Jammertal! Ich radle, radle, radle.   Wie herrlich lang war die Chaussee! Gleich kommt das achte Feld voll Klee. Ich radle, radle, radle.   Herrgott, wie groß ist die…

LITERARISCHES PROGRAMM

    gegen jeden staat der sich absolut setzt werde ich widerstand leisten   gegen jede partei die sich absolut setzt werde ich widerstand leisten   gegen jede religion die sich absolut setzt werde ich widerstand leisten   gegen alle…

HANS IM GLÜCK

– Verlängertes pasquill* auf einen wechselbalg   Trümmer und ablaßstätte vererhardtet nellyversachst gedeckt mit lügenpfette* Sagten sie: je ne regrette zücktest du aber die axt   Machtest auf rollkragenfêten das enfant terrible infam brachtest den anachoreten* den ersten politen poeten…

Abschiedsgedicht

    Ich steh im Finstern und wie erblindet, weil sich zu Dir mein Blick nicht mehr findet. Der Tage irres Gedränge ist ein Vorhang mir nur, dahinter Du bist. Ich starre drauf hin, ob er sich nicht hebt, der…

Ein rotes Bett

    Wende dich ab von diesem Bett blicke zur Wand jene rauhfasertapezierte weiße Wand das Laken ist rot hier eine bedeutungslose Farbe vermag sie nichts zu wecken eine eisige Leere liegt über dem     *** Gedichte von Herrn…

Die Sonne

  Täglich kommt die gelbe Sonne über den Hügel. Schön ist der Wald, das dunkle Tier, Der Mensch; Jäger oder Hirt. Rötlich steigt im grünen Weiher der Fisch. Unter dem runden Himmel Fährt der Fischer leise im blauen Kahn. Langsam…

An die Monade

    Zerbrich dich, sei Riß im Glück, du aus Nebeln gepreßtes Leben.   Daß dich hole das Spitze, richte es nach dir aus:   und münze, nur dir zum Wohle das Fließende vor dir und von dir um und…

Hugo von Hofmannsthal, eine poetische Reflexion

Die Erscheinung des jungen Hofmannsthal ist und bleibt denkwürdig als eines der großen Wunder früher Vollendung; in der Weltliteratur kenne ich bei solcher Jugend außer bei Keats und Rimbaud kein Beispiel ähnlicher Unfehlbarkeit in der Bemeisterung der Sprache, keine solche…

Ich bin der Welt abhanden gekommen

  Ich bin der Welt abhanden gekommen, Mit der ich sonst viele Zeit verdorben. Sie hat so lange von mir nichts vernommen, Sie mag wohl glauben, ich sei gestorben.   Es ist mir auch gar nichts daran gelegen, Ob sie…

Sieben Gespenster und die Zeit

Es gehen die Uhren ihren Weg ohne Spuren. Da hocken sie oben in ihren Türmen bei Sonne und Stürmen Und kauen immer die Stundenbrocken, Und haben immer bis Mitternacht Und nicht weiter den Weg gemacht. Sie haben die Zeit dort…

Liebeskampf

  Das Wollen steht Du fliehst und fliehst Nicht halten Suchen nicht Ich Will Dich Nicht! Das Wollen steht Und reißt die Wände nieder Das Wollen steht Und ebbt die Ströme ab Das Wollen steht Und schrumpft die Meilen in…

Schlafenszeit

  Ich hab´ geruht an allen Quellen, Ich fuhr dahin auf allen Wellen, Und keine Straße ist, kein Pfad, Den irrend nicht mein Fuß betrat. Ich hab´ verjubelt manche Tage, Und manche hin gebracht in Klage, Bei Büchern manche lange…

THERESIENSTADT

  quer durch die wiese der weg bis ans ende   grau in grau der park die kirche zwei häuser   ein mensch in der ecke bewegungslos schatten   begrenzt durch bäume der blick in den himmel   leblosigkeit denke…

Die Augen schliessen und mit den Ohren sehen

Tom Täger und A.J. Weigoni kommt das Verdienst zu, die Lyrik nach 400 Jahren babylonischer Gefangenschaft aus dem Buch befreit zu haben. lyrikwelt.de Als Tom Täger 1989 im Tonstudio an der Ruhr Helge Schneiders erste Schallplatte Seine größten Erfolge produzierte,…

gefäße

leben menschen in gebäudewaben  eingenistet wie maden im gehäuse der frucht  schließt sich die knospe des kopfes  liegen die gedanken behelmt in der grabschüssel der worte gibt man wasser den disteln der hoffnung  ist leben noch im blauen spiegel  heb…

Keith Jarrett

Vorbemerkung der Redaktion: Am 24. Januar 1975 gab Keith Jarrett ein Konzert in der Oper der rheinischen Domstadt. Diese Hommage sollte in A.J. Weigonis ersten Roman einfliessen. Entgrenzung. The Köln Concert haben sie im Januar 1975 vor Ort erlebt. Auf…

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  mit dem Blick dein Gesicht durchwandern als wärs schon sag wachsen Augen ein Leben lang?       *** Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht sie der Frage nach, wie…

Zeitzeichen: Vor 50 Jahren starb Else Lasker-Schüler

    Dies war die größte Lyrikerin, die Deutschland je hatte … Ihre Themen waren jüdisch; ihre Phantasie orientalisch, aber ihre Sprache war deutsch, ein üppiges, prunkvolles, zartes Deutsch, eine Sprache reif und süß, in jeder Wendung dem Kern des…

Städter

    Nah wie Löcher eines Siebes stehn Fenster beieinander, drängend fassen Häuser sich so dicht an, daß die Straßen Grau geschwollen wie Gewürgte sehn. Ineinander dicht hineingehakt Sitzen in den Trams die zwei Fassaden Leute, wo die Blicke eng…

Senna Hoy

  Seit du begraben liegst auf dem Hügel Ist die Erde süß. Wo ich hingehe nun auf Zehen, Wandele ich über reine Wege. O, deines Blutes Rosen Durchtränken sanft den Tod. Ich habe keine Furcht mehr Vor dem Sterben. Auf…

Konkrete Poesie

Er ist der Vater der deutschen Nachkriegsmoderne- und dies gleichermaßen durch programmatische Verlautbarungen wie extraordinäre poetische Texte, die bis heute- und über das Heute hinaus- ihre Spannkraft behalten haben. Er ist – im technischen wie im imaginativen Sinne des Begriffs…

Jeanne d’Arc

  die Klippen düstere Schläfer barfuß feucht die Raubzüge da warst du der Regen und die Straßen waren nass und so voll Glanz es sollte mehr Zeit geben in der Dämmerung in der Glücksstunde wenn wir vergessen was wir nicht…

TOP 100

  If the history of media is the history of a competition, it begins with an advantage. Poets discovered collage at a time when photographers still needed hours to develop a single image. It is as if written imagery anticipated…

Zu Wilhelm Bartschs Gedicht „Mit der Muse des Hipponax“

  Mit der Muse des Hipponax Für R. R. und R. R. Pimpelige Pimpleiden Bauschen ärmelweit Weltfrieden, Aber lassen sich gern kitzeln Beim Kottabitzeln, Sybaritzeln, Haben Haare nicht, nur Eppich, Aber ich knack meinen Rettich Hier unbemust und ohne Witzeln.…

DIE ZÜGE

  Rauchwolken, rosa, wie ein Frühlingstag, Die schnell der Züge schwarze Lunge stößt, Ziehn auf dem Strom hinab, der riesig flößt Eisschollen breit mit Stoß und lautem Schlag.   Der weite Wintertag der Niederung Glänzt fern wie Feuer rot und…

Karl Liebknecht – Rosa Luxemburg ermordet am 15. Januar 1919

  Zieht euch die Kappen tiefer ins Gesicht, wenn ihr an diesem trüben Wintertage zur Arbeit schleicht. Wie, Proletarier? Quälen euch die Sorgen, ob ihr mit euerm Lohn die Woche reicht und ob man mit der kargen Tüte nicht euch…

RÜCKSCHAU

    mach die augen zu   erinnerungsbilder tauchen auf   du sagst damals du sagst dort   du sagst vielleicht es war einmal   nichts bleibt dir von deinem leben   nur ein wenig staub auf deiner hand  …

Am Wege

  Ein Dampferpfiff und ein Entenschrei und ein Hornstoß aus naher Kaserne. – Im Nebel wuchtet das Leben vorbei Laternen flimmern wie Sterne.   Im Dunkel haben sich zwei lieb, die ohne Heimatstätte. – Er ist der pfiffigste Taschendieb, sie…

Über das Studium der griechischen Poesie

  Es springt in die Augen, daß die moderne Poesie das Ziel, nach welchem sie strebt, entweder noch nicht erreicht hat; oder daß ihr Streben überhaupt kein festes Ziel, ihre Bildung keine bestimmte Richtung, die Masse ihrer Geschichte keinen gesetzmäßigen…

FAREWELL BORUSSIAK*

  I Ich geh übern himmel im abendrot fort Wir sehn uns über stachel und streben Die nacht liegt schwarz im neumond   den ort wo ich hingeh wünsch ich mög’s schwärzere geben Ich hoff daß die kälte dich nicht verschont…

V. im Januar

  (für den Unbekannten, der sich Jonny Remember nannte und für mich sang, vor dem Eingang zum Teatro Fenice)   Du hast geschrien inmitten der Menge, die Donizetti hören wollte.   Du hast gesungen in meinen Armen, bis ich trunken…