Auf einem Waldweg

 

Auf einem Waldweg, in den das Licht hart einschlägt wie ein Blitz, der erstarrt, stehen nebeneinander zwei Männer. Der eine schaut in die eine, der andere in die andere Richtung des Weges. Sie reden miteinander, sie kennen sich. Ich verstand kein Wort. Dann ist es wieder still. Der Blitz steht vor dem Donner, die Schatten sind stumm. Der Mann mit den schwarzen Haaren trägt eine helle Uniform ohne alle Abzeichen, er ist schon etwas alt, aber kräftig, er steht fest auf dem Weg, der ist sein Bett, in dem er sich aufrichtet. Ich sehe in sein Gesicht, es ist mein Vater. Den jüngeren Mann sehe ich nur von hinten, er trägt einfache Kleidung, Hose und Hemd. Ich weiß, was der junge Mann vorhat. Mein Vater steht fest, sein Gesicht bleibt unbewegt, die Augen blicken traurig und ernst. Er dreht sich um und folgt dem jungen Mann. Das Licht wächst. Der junge Mann öffnet die Tür einer schwarzen Holzkammer, schiebt den Vater durch die Tür, beide verschwinden. Das Licht bleibt vor der Kammer. Es ist so leise in der dunklen Kammer! Ich spüre sein Herz, wie es sich bewegt, ein schwerer Hammer, der mich schlägt. Da kommt der Vater allein aus der Kammer zurück, erreicht mit langsamen Schritten den Weg und bleibt stehen. Ich schaue auf die helle Uniform, die Schläge pochen schwer. Er sieht mich an, ich muss auf sein Herz starren, die helle Uniform. Nun sehe ich die kleinen Punkte auf der Uniformjacke, es werden immer mehr, ein ganzer roter Sternenhimmel.  Ich spüre seine Stiche in meinem Kopf. Das Licht geht aus. Die Erde schluckt alle Farben, der Ton ist wieder da. Ich höre die vielen kleinen dumpfen Laute, sie werden lauter und schwellen an, donnern in meine Ohren. Da fällt aus dem Himmel ein riesiger Eiserner Vorhang herunter, und auf meiner Seite wird es wieder hell. Ich sitze auf dem Rücksitz einer schwarzen Limousine, das Dach des Wagens ist aufgeschlagen, der blaue Himmel über mir. Der junge Mann, der in der Kammer war, steigt vorn ein und lenkt den Wagen, der jetzt langsam anfährt, einen steilen Weg hinab. Der Weg ist hell und frei, ich sitze hinten, vor mir der Fahrer, ich schaue ins weite Land. Der Wagen wird schnell, die Welt rennt weg, und im Tal sehe ich das Paradies. Da dreht sich der Fahrer mit einem Ruck zu mir um und lässt den Lenker los, der Wagen rast weiter abwärts, der Fahrer schaut mich lächelnd an. Lacht er mich aus? Aber nun fährt ein Schrecken in meine Augen, ich sehe mich an – der Fahrer bin ich!

 

 

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Gionos Lächeln, ein Fortsetzungsroman von Ulrich Bergmann, KUNO 2022

Vieles bleibt in Gionos Lächeln offen und in der Schwebe, Lücken tun sich auf und Leerstellen, man mag darin einen lyrischen Gestus erkennen. Das Alltägliche wird bei Ulrich Bergmann zum poetischen Ereignis, immer wieder gibt es Passagen, die das Wiederlesen und Nochmallesen lohnen. Poesie ist gerade dann, wenn man sie als Sprache der Wirklichkeit ernst nimmt, kein animistisches, vitalistisches Medium, sondern eine Verlebendigungsmaschine.

Weiterführend →

Eine liebevoll spöttische Einführung zu Gionos Lächeln von Holger Benkel. Er schreib auch zu den Arthurgeschichten von Ulrich Bergmann einen Rezensionsessay. – Eine Einführung in Schlangegeschichten finden Sie hier.