Himmelhoch

 

Am Schreibtisch hör ich Musik im Glühen der Lampe vor meiner Stirn. Ich zieh mich aus der Finsternis des Raums ins Licht. Leicht gebeugt über Bücher, Hefte, Schreibpapier wohne ich im Gehäuse. Italienische Opern laufen mir durchs Gehör, ohne das Hirn zu berühren, fast nur übers Rückenmark. Rossini. Abend für Abend aufgelegt. Du kannst die Sprache subtrahieren, aber dann subtrahierst du fast alles, und so kommt es dann auch oft: Mahlers Titan verklingt und du hörst nicht einmal die Stille, wenn dein Grammophon schweigt, dein Player, dein Radio, dein iPod. Du bist ganz tief in der Musik deiner Gedanken, bist ganz außer dir bei den Stoffen, die du drehst und wendest, und kommst auf Wegen zu dir, die du nur mit den Schuhspitzen berührst, wenn du nicht gerade fliegst. Ja, und so gefällst du dir, weil: der Spiegel, in dem du dich von innen siehst, glänzt nicht so tückisch wie das Quecksilber, das du dir wie Honig um den Mund schmierst.

Ist doch unser ganzes Leben immer nur ein tristes running game, von einem Stolperstein zum andern, von einem Phallus-Sieg zum nächsten, sagte ich zu Stella. Ja, antwortete sie, und dieser ganze Stress, diese tägliche Sissivoß-Arbeit …

O Mensch, hab acht, bedenke, wenn du umkippst, fällst du immer tiefer als gedacht, das Schwarze Loch in dir, das dich anzieht, verschluckt dich bedenkenlos, ganz ohne Moral, absolut wertfrei, du bist Natur und nichts als Natur, und so, ganz natürlich, gehst du in dir unter und hörst und siehst nichts mehr. Im besten Fall bist du über deinen Akten eingeschlafen, schwimmst in den Buchstaben deiner Schrift, ohne zu atmen, ohne zu denken, und vielleicht träumst du, dass du träumen willst, und das zieht sich so hin, ohne dass du dich langweilst, du sackst weg und schwebst im Schein der Lampe über der Schreibtischplatte, die ja den Raum des Seins bildet, das du dir hier glatt erschaffst, ohne es zu wissen … Hedoniker sein bis zuletzt und darüber hinaus. Ja, so will ich sterben. Und wieder aufwachen.

 

 

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Gionos Lächeln, ein Fortsetzungsroman von Ulrich Bergmann, KUNO 2022

Vieles bleibt in Gionos Lächeln offen und in der Schwebe, Lücken tun sich auf und Leerstellen, man mag darin einen lyrischen Gestus erkennen. Das Alltägliche wird bei Ulrich Bergmann zum poetischen Ereignis, immer wieder gibt es Passagen, die das Wiederlesen und Nochmallesen lohnen. Poesie ist gerade dann, wenn man sie als Sprache der Wirklichkeit ernst nimmt, kein animistisches, vitalistisches Medium, sondern eine Verlebendigungsmaschine.

Weiterführend →

Eine liebevoll spöttische Einführung zu Gionos Lächeln von Holger Benkel. Er schreib auch zu den Arthurgeschichten von Ulrich Bergmann einen Rezensionsessay. – Eine Einführung in Schlangegeschichten finden Sie hier.