Kategorie: Allgemein

Es galt aus den Scherben Neues zu bauen

  Man kann auch mit Müllabfällen schreien, und das tat ich, indem ich sie zusammenleimte und -nagelte. Ich nannte es Merz, es war aber mein Gebet über den siegreichen Ausgang des Krieges, denn noch einmal hatte der Frieden wieder gesiegt.…

Papier als Spannungsfeld polarer Gegensätze

Der Buchkünstler Haimo Hieronymus betätigt sich künstlerisch vielfältig in der Malerei wie der Zeichnung, er erstellt Objekte, Holzschnitte, Radierungen, Collagen und publiziert Künstlerbücher. Die bekannten Formen und Motive unterlegt er poetisch, schafft Verbindungen zwischen Wort und Zeichen, mit einem skeptischen…

Blumendekoratismus

  Alle Jahre wieder bricht sich die Angst Bahn, niemals wieder malen zu können, als habe der Faden, der zwischen Bild und Maler alles zusammenhält eine unsichtbare Stelle bekommen. Ein Riss in der Wahrnehmung der Welt. Ein abgeschnittenes Ende, da…

Brief eines Dichters an einen anderen

  Mein teurer Freund! Jüngsthin, als ich dich bei der Lektüre meiner Gedichte fand, verbreitetest du dich, mit außerordentlicher Beredsamkeit, über die Form, und unter beifälligen Rückblicken über die Schule, nach der ich mich, wie du vorauszusetzen beliebst, gebildet habe;…

Die Dreifalzgikeit der Nonkonformistischen Literatur

Victor Otto Stomps, 72. Der Knittel-Poet, Fabel-Dichter und Verleger ohne Mehrwert (so sein Autor Horst Bingel), als VauO unter Deutschlands Literaten längst legendär, hat fast ein halbes Jahrhundert lang in seinen Kleinverlagen (Rabenpresse, Eremiten-Presse, Neue Rabenpresse) junge Talente, von Günter…

ACHTUNG STUFEN!

  Arbeit an einer guten Prosa hat drei Stufen: eine musikalische, auf der sie komponiert, eine architektonische, auf der sie gebaut, endlich eine textile, auf der sie gewoben wird.   ***

In eigener Sache

Der eine sucht dies, der andere das, jeder nach seinem Bedarf. Michel de Montaigne Zeitläufte nehmen überraschende Wendungen, zu oft falsche Abbiegungen. Bisher wurde die Geschichte von den Siegern geschrieben. Nun ist unabhängiger Jornalismus und freie Kunst möglich um den…

Start up

  mit einem Spezialdiktionær das lieblos expatriierte Wortgut vor dem Vergessen bewahren   Gemuetstransfer ins un vordenkliche & genau dort das Scheitern missgluecken lassen   in den Furchen des Tiefdrucks ist: jedes Detail gelæufig jede Ligatur erschreckend vertraut   Magie…

schleife

  worte, letzte worte fallen dir als echo in den rücken dir zu leibe, die worte, letzte worte fallen dir als echo in den rücken dir zu leibe, die worte, letzte worte fallen dir als echo in den rücken dir…

Sprache

  Das Menschlichste, was wir haben, ist doch die Sprache.           Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur. → Lesenwert auch der Der Essay Unsere lyrische und epische Poesie seit 1848  

Die Kiste (Zeit)

  Natürlich verfliegt die Zeit, das weiß jeder Mensch. Früher verflog sie einfach so, die Sonne ging irgendwann auf und wieder unter, dazwischen lag der Tag, und in dieser Zeit konnte das Leben passieren. Wenn es dunkel war, wurde geschlafen…

Streichelzoo

  Pech: Er dichtet für die Ewigkeit. Nur hat sie für ihn keine Zeit.   Leiden: Der Dichter leidet an der Welt, bis er Preis um Preis erhält.   Zum Weglaufen: Zwanzig Dichter auf einem Haufen.   Kollegialer Gruß: Danke,…

Straßenkinder

  Ich hätte von Straßenkindern mehr gelernt als in der Schule und im Elternhaus. Die Mängel des breiten Bildungsbürgertums haben einen größeren Schaden in der Geschichte nicht nur des deutschen Volkes angerichtet, als man annimmt. Zu positiv wird selbst der…

Mutmassungen über Heiner

  Heiner ist weg. Als er die Kommerzgirlanden der Innenstädte hinter sich lässt, erblickt er einen Himmel, in dessen Schwärze hier und da die Positionslampen eines Flugzeugs, weiter oben die rotierenden Satelliten ihre Leuchtspur einzeichnen. Darüber stehen unverrückt die Sterne.…

Kugelförmig

  Die aufgedonnerte Weihnachtskugel war sehr korpulent gebaut. Sie schwor aufgedunsen bei den silbernen Talern der Götter, dass sie bis Heiligabend weder pellte noch platzte.     Eine Vorschau auf: Gedankenstriche von Joanna Lisiak Weiterführend → „Gedankenstriche ist eine mischung…

Ein Weihnachtsengel

Mit den Tannenbäumen begann es. Eines Morgens, als wir zur Schule gingen, hafteten an den Straßenecken die grünen Siegel, die die Stadt wie ein großes Weihnachtspaket an hundert Ecken und Kanten zu sichern schienen. Dann barst sie eines schönen Tages…

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  der kahlrasierte schädel auf/ geknackt wie wassermelone on the road       *** binnen, Gedichte von Sophie Reyer, Leykam Verlag, 2010. Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht sie der…

Die Kiste (Wein)

  Während von draußen der Sturm an die Fenster knallt, jene, die Herr Nipp auf Kippe hat, übel klappern lässt, und an den Türen rüttelt, erscheint es ihm ganz gemütlich auf seiner bloßen Matratze, die er sich vom Bettgestell heruntergezogen…

Jazz ist nicht tot

Jazz ist nicht tot, er riecht nur angestaubt. Frank Zappa     Bestand die Modernität des Aphorismus bisher in der Operativität, so entspricht diese literarische Form im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit der Denkgenauigkeit der Spätmoderne. Es ist Twitteratur. Weiterführend → ein…

Notizen zu Friederike Mayröckers Werk nach 2000

ihre dichtung hat eine meinen hals ausrenkende höhe erreicht, die so sehr weiter zu steigern ihre absicht ist, daß sie das alter von 150 zu erreichen proklamiert hat. Ernst Jandl 1 Zurück vom rundweg ›himmlischen‹ Gang durch weißen, schweigenden Wald…

Das bucklichte Männlein

  Solange ich klein war, sah ich beim Spazierengehen gern durch jene waagerechten Gatter, die auch dann erlaubten, vor einem Schaufenster sich aufzustellen, wenn gerade unter ihm ein Schacht sich auftat, welcher dazu diente, mit etwas Licht und Luft die…

Urschleim

  Schwerelos im Wasser treiben / Spuren = die nirgendwo hinführen…         *** Mikrogramme von A.J. Weigoni, KUNO 2006 – 2011 Diese Bruchstücke aus der Realität sind verwandt mit den Miszellen (von lateinisch miscella ´Gemischtes`), dies ist…

Suchtiefe

für Raymond Roussel   Lauter währt, wenn dich Stil verfehlt, Leere.   Laut, er wehrt: wendig, still verfällt Lehre.       Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt…

Wehe

  Wehe wenn der Wind über Felder tost sein Kriegsgeschrei ertönt zur Schlacht ruft von Ferne her Wellen um Wellen schlägt und nahend bricht an aufgebrochenen Furchen stolpert taumelt fallend türmt der Schnee sich auf zu Palisaden die Wehen sich…

BAUSTELLE

  Pedantisch über Herstellung von Gegenständen – Anschauungsmitteln, Spielzeug oder Büchern – die sich für Kinder eignen sollen, zu grübeln, ist töricht. Seit der Aufklärung ist das eine der muffigsten Spekulationen der Pädagogen. Ihre Vergaffung in Psychologie hindert sie zu…

things change

  b (da bleib ich kühl) mein haus steht unter dem eisenbahn-viadukt. kurz vor sechs uhr abends fährt der cisalpino darüber hinweg. und ich darin. im haus habe ich alles so gelassen, die ordnung und die unordnung. heute morgen war…

Leben in Möglichkeitsfloskeln XXII

Ist es nicht merkwürdig: Erst wenn man keine Chance mehr hat, tut man, was man schon immer wollte.   Weiterfühend → Lesen Sie auch den Nachruf über Peter Meilchens Lebenswerk und den Essay 50 Jahre Krumscheid / Meilchen über die Retrospektive im Kunstverein…

Glück

  Es war nicht leicht, aber der kleine Boris bemühte sich. Nach einer zweistündigen Aktion fand der kleine Boris, was er gesucht hatte: Ein ansehnliches, vierblättriges Kleeblatt. Der kleine Boris freute sich darüber sehr und machte demzufolge kleine Luftsprünge. Und…

Aphorismen und Fragmente

    Es sind in Deutschland die Theologen, die dem lieben Gott ein Ende machen –  verraten wird man nur von seinen Freunden.     Heinrich Heine gilt als als Überwinder der Romantik. Er machte die Alltagssprache lyrikfähig, erhob das…

Laik Wörtschel – ein Künstler der Stille

  Bereits im Jahr 1999 wird er das erste Mal voller Erstaunen in einem Artikel des Feuilletons der Süddeutschen Zeitung benannt, in welchem über die Kunst des zukünftigen Jahrtausends breit spekuliert wurde. „Eine radikal zurückgezogene Position des Versteckens in der…

Malerei und Photographie

Peter Meilchen und Walter Benjamin sind sich nie begegnet. KUNO erinnert mit einer Denkfigur an den einen ohne den anderen nicht zu vergessen. Wenn man an Sonn- und Feiertagen bei erträglichem Wetter in den Pariser Stadtvierteln Montparnasse oder Montmartre spazieren…

Ein alter Tibetteppich

    Deine Seele, die die meine liebet Ist verwirkt mit ihr im Teppichtibet   Strahl in Strahl, verliebte Farben, Sterne, die sich himmellang umwarben.   Unsere Füsse ruhen auf der Kostbarkeit Maschentausendabertausendweit.   Süsser Lamasohn auf Moschuspflanzentron Wie lange…

Angelika Janz und das Barackenleben

Wir müssen uns gegenseitig unsere Geschichten erzählen. Um Texte wie die von Angelika Janz – ich meine nicht die Lyrik, die ich sehr schätze, sondern ihre halb essayistische oder essayistische Prosa in Texten wie Barackenleben, Die Implodierten oder In Scheindemokratien…

Was schenke ich einem Snob?

  Einen Snob beschenken heißt, sich auf eine Pokerpartie einlassen. Die Seele des Snobismus ist nämlich der Bluff. Bluff aus Frechheit oder aus Angst, das kann man hier so wenig wie im Poker unterscheiden. Jedenfalls könnte man gar keinen größeren…

König Bohusch

  Als der große Mime Norinski um drei Uhr nachmittags in das National-Café, welches vor dem Prager tschechischen Theater liegt, eintrat, erschrak er ein wenig, lächelte aber gleich darauf sein verächtlichstes Lächeln: in dem Spiegel, schräg gegenüber der Tür, hatte…

Die Kiste XII

  Neben sich auf dem Tisch steht eine Flasche Cola. Alte Marke, die in den siebziger Jahren revolutionäre Werbung machte. Afri – Cola. Nein, sie schmeckt nicht so glatt wie das andere braune Gebräu (das ist nicht politisch gemeint), das…

fragiles fragment

sentenz vom gedicht im deutschen sprachraum nach 2000 The poem is a machine made out of words William Carlos Williams Mais Degas, ce n’est pas avec des idées qu’on fait des vers, c’est avec des motsStéphane Mallarmé No verse is…

Schränke

  Der erste Schrank, der aufging, wann ich wollte, war die Kommode. Ich hatte nur am Knopf zu ziehen, so schnappte die Tür aus ihrem Schlosse mir entgegen. Drinnen lag meine Wäsche aufbewahrt. Unter all meinen Hemden, Hosen, Leibchen, die…

Kindheitsmuster

  Das Kind, das in mir verkrochen war – ist es hervorgekommen? Oder hat es sich, aufgescheucht, ein tieferes, unzugänglicheres Versteck gesucht? Hat das Gedächtnis seine Schuldigkeit getan? Oder hat es sich dazu hergegeben durch Irreführung zu beweisen, dass es…

HÄUTE

lieg ich nackt auf den narben der erde wärmt mich  die leichendecke des himmels werf ich ab die haut  das pergament die deckung meines geistes hebt sich  der leib mit einem schwachen zittern der beine vergieß ich mein blut um…

Ein Außenseiter macht sich bemerkbar

  Uralt, vielleicht so alt wie das Schrifttum selber, ist in ihm der Typus des Mißvergnügten. Thersites, der homerische Lästerer, der erste, zweite, dritte Verschworene der Shakespeareschen Königsdramen, der Nörgler aus dem einzigen großen Drama des Weltkrieges, sind wechselnde Inkarnationen…

Brille

  Anstatt seine Argumente anzuhören, seine Brille anziehen und die Welt aus seiner Sicht betrachten.     *** Ein Ausblick auf: Blempek ist ein Trick, der sich bewährt, von Joanna Lisiak Weiterführend → Holger Benkel denkt in einem Rezensionsessay anhand…

Zuhausesein

  Ich habe die von Peter Ettl engagiert betreute Reihe schnell schätzen gelernt. Von wenigen Ausnahmen abgesehen, habe ich diese sympathisch gestalteten Broschüren als Lyrikbände erlebt, die einen guten Einblick in die deutschsprachige Lyrikproduktion nach 2000 abseits der im Fokus…

„Wo warst Du letzte Nacht?“

  „Das ist so lange her, ich erinnere mich nicht.“ „Sehen wir uns heute Nacht?“ „Ich plane nie so weit im voraus.“       *** Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur. Am 26. November 1942 feierte Casablanca in…

Das Karussell

Das Brett mit den dienstbaren Tieren rollte dicht überm Boden. Es hatte die Höhe, in der man am besten zu fliegen träumt. Musik setzte ein, und ruckweis rollte das Kind von seiner Mutter fort. Erst hatte es Angst, die Mutter…

Die Kiste XI

  Eine unglaubliche Müdigkeit hatte ihn seit Tagen erfasst, sogar rund um die Augen konnte man sehen, dass etwas los war mit ihm. Aber woran konnte es nur liegen? Vielleicht daran, dass kaum noch einmal Zeit war, um Ruhe zu…

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wenn bloss die Nacht nicht und die Sterne vorm Blick zittern glücklich wer keine Augen mehr hat *** Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht sie der Frage nach, wie das Schreiben durch das…

Die Wiederkehr des Flaneurs

  Wenn man alle Städteschilderungen, die es gibt, nach dem Geburtsorte der Verfasser in zwei Gruppen teilen wollte, dann würde sich bestimmt herausstellen, daß die von Einheimischen verfaßten sehr in der Minderzahl sind. Der oberflächliche Anlaß, das Exotische, Pittoreske wirkt…

Altar

    Mit demselben Gefühle, mit welchem du bei dem Abendmahle das Brot nimmst aus der Hand des Priesters, mit demselben Gefühle, sage ich, erwürgt der Mexikaner seinen Bruder vor dem Altare seines Götzen.   *** Heinrich von Kleist stand…

Pflanzen 3. (Fagus purpurea)

  Rot raschelts im Moerser Park: rot, tiefrot — dies ist die blutige Buche: die BlutundBodenbuche, die Steguweit grüßte bei Brühl: auf fettem Heimatgrund, der ihm gütiger schien als der von Flandern. Im flirren Blattwerk lischelt ein Wind, der auch…

In diese Richtung

  In diese Richtung die Gebärde mit der nächsten Flut. Wenn da drüben wirklich America liegt, ist es zwecklos, wieder im ADVANCED nachzuschlagen (und wieder die Tautologie). Vom letzten Haus bis zur Fahrer sind es keine hundert Schritte, die Fähre…

things change

  l  (im keller leben) claus aus st.pauli lädt mich dann zu sich ein. so lerne ich die hafenstraße kennen. aus wenigen wochen sind zuletzt sechs jahre geworden. claus lebt im sechserblock. eine selbstgebaute brücke überspannt den lichthof. im keller…

the bird

Wherever the bird with no feet flew, she found trees with no limbs,   *** Audre Geraldine Lorde (* 18. Februar 1934 in Harlem, New York City; † 17. November 1992 in Christiansted, Saint Croix, Amerikanische Jungferninseln) war eine US-amerikanische…

SPIELWAREN

  MODELLIERBILDERBOGEN. Buden haben wie große schwankende Kähne zu beiden Seiten die steinerne Mole angelaufen, auf der die Leute sich schieben. Es gibt Segler, die Masten aufragen lassen, an denen die Wimpel herunterhängen, Dampfer, aus deren Schornsteinen Rauch steigt, Lastkähne,…

Biermanns Dialektik

  Wolf Biermann sagt das Wahre immer so entsetzlich schief, dass es dadurch wieder falsch wird, Biermanns Dialektik ist schizophrene ungehobelte Scholastik.     *** Weiterführend → Das erste Fazit von Ulrich Bergmann zur Twitteratur viel eher skeptisch aus. Er stellte…

Bemerkungen über uns närrische Menschen

  An ungebildeten Leuten ärgert einen Eigennutz nicht.       *** Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur. Lesen Sie sowohl den Essay über Jean Paul auf KUNO, als auch feinstes Rezensionsfeuilleton von Wolfgang Schlott.

The Life and Opinions of Tristram Shandy, Gentleman

In diesem Sinne mach ich aufmerksam auf einen Mann, der die große Epoche reinerer Menschenkenntnis, edler Duldung, zarter Liebe in der zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts zuerst angeregt und verbreitet hat. An diesen Mann, dem ich so viel verdanke, werd…

ANTIQUITÄTEN

  MEDAILLON. An allem, was mit Grund schön genannt wird, wirkt paradox, daß es erscheint. GEBETMÜHLE. Lebendig nährt den Willen nur das vorgestellte Bild. Am bloßen Wort dagegen kann er sich zu höchst entzünden, um dann brandig fortzuschwelen. Kein heiler…

Das Unwandelbare

  »Unaufhaltsam enteilet die Zeit.« – Sie sucht das Beständge. Sei getreu, und du legst ewige Fesseln ihr an.     *** Der Homo ludens ist ein Erklärungsmodell, wonach der Mensch seine kulturellen Fähigkeiten vor allem über das Spiel entwickelt: Der…

Die Untoten sind – lebendig!

Der Begriff Zombie leitet sich von dem Wort nzùmbe aus der in Nord-Angola beheimateten Bantusprache Kimbundu ab. Er bezeichnete dort ursprünglich einen Totengeist, eine Bedeutung, die das im Kreolischen gebräuchliche Wort zonbi (gesprochen zombi) in Haiti noch besitzt. Zombies, der…

Rückblende

  Die Sperrstunde naht. Kein Pardon. Hier ist man strenger als anderswo. Peter Nitsche, Inhaber der G–Bierbar, stellt noch einen Absacker auf den Tresen. Die verbliebenen Gäste kippen den Korn, stellen die Gläser mit einem Ruck auf der Theke ab,…

Der Himmel

  Der Himmel in schweren grauen Bahnen tapeziert, Heimkehrer in seiner eigenen Dämmerung, darunter Häuser wie verwaschene Skulpturen im Nebel. Der Tag schließt sich schweigend einer geheimnisvollen Mehrheit an. Die Ideen dämmern in den Schädel hinein. Man ist im Sitzen…

Übersetzungen

  Wer übersetzt, arbeitet in zwei Sprachen. Sein Material vielmehr: sein Organ – ist neben seiner Muttersprache nicht sowohl der fremde Text als vielmehr dessen Sprache. Aus beiden Sprachen baut er etwas auf und kann gemeinhin schon von Glück sagen,…

still he is turning: one two three

  one: hamburger guck – ein rundling ohne namen(boskoop berlepsch bittenfelder) wenn er fällt: bewegungsmelderinszeniert bloß kleine dramen grünhalm knickt hör boden bebenkerbtier nagt die dralle beute schaf kingfisher [hund] katze heutemorgen möglich dichter leben two: unter bäumen hughes gold-peppinggeflammter…

x-chen

  noch im deckmantel unfertig regt sich wachstum fließend sich faltet ein gang in gott zum fliegen bestimmt muss es seiner flugidee treu bleiben       *** Klee composé. Lyrik mit Paul Klee, Gedichte von Joanna Lisiak. Littera Autoren…

Aufräumen

Alle paar Wochen muss der Arbeitsplatz wirklich aufgeräumt werden. Auf den Tischen haben sich allerhand Materialien und Werk- zeuge angesammelt. Auf dem Boden Reste der Arbeit, Schnipsel und Holzspäne, auch mal recht rutschiger Sand. Der wird immer gebraucht, sei es…

Traum und Umnachtung

  Am Abend ward zum Greis der Vater; in dunklen Zimmern versteinerte das Antlitz der Mutter und auf dem Knaben lastete der Fluch des entarteten Geschlechts. Manchmal erinnerte er sich seiner Kindheit, erfüllt von Krankheit, Schrecken und Finsternis, verschwiegener Spiele…

ABGESCHABT

  reißen tapeten in speichern und küchen komm ich aus zerfallenem papiergeröll im kopf such ich brot und fleisch stieben tropfen wie funken unterm dampf der kessel seh ich schwarz flieh ich in zerstrahltem staub schützt mich mein skelett auf…

Ein Spiel dauert 90 Minuten

    Ein Spiel dauert 90 Minuten. Und wie lange dauern 90 Minuten? Wie lange dauern sie ohne Gesellschaft? Und wer erträgt sie? Ilse Aichinger         An Ingeborg Bachmann schrieb Ilse Aichinger in einem Brief, daß sie…

Polaroids von den Schattenseiten der Gesellschaft-Fiktion

Eine Parodie auf die unschöne Gutmenschenwelt Diese Zombies sind Fiktion, dabei ist kaum etwas  erfunden. Die von A.J. Weigoni als ‚hypermoderne Menschen‘ beschriebenen Typen erleben eine Zergliederung und Fragmentierung des Abgebildeten, Veränderungen und Verstümmelungen des eigenen Körpers, sie sind das…

Lesegeschwindigkeiten

  Ich kann im Zug nur neben Zeitungslesern in einem Buch lesen. Neben Buchlesern ertappe ich mich dabei, langsamer zu werden und über das Bewusstwerden dieser Tatsache mich noch mehr zu verlangsamen. Statt mich auf das Lesen zu konzentrieren, messe…

Alle Straßen

  Alle Straßen münden in schwarze Verwesung.     Weiterführend → Eine Annäherung von Peter Paul Wiplinger an Georg Trakl finden Sie hier. → Ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur, sowie ein Recap des Hungertuchpreises.

Ist die Photographie eine Kunst?

Peter Meilchen und Walter Benjamin sind sich nie begegnet. KUNO erinnert mit einer Denkfigur an den einen ohne den anderen nicht zu vergessen. Vor acht bis zehn Jahren (ca. 1926, die Redaktion) hat man begonnen, die Geschichte der Photo­graphie zu…

Sterben als Möglichkeitsfloskel

Nur wenn der Tod Dir vertraut ist, kannst Du ihn anlächeln, wenn er Dich aufsucht. Doch wie kann man mit einem Fremden Freundschaft schließen?     *** Peter Meilchen ist ein Frühverlorener, seine Biografie endet am 27.10.2008 nicht mit dem…

Die deutsche Dichtkunst

  Die deutsche Dichtkunst schrieb notorisch Sich selber den Uriasbrief, Seit das Gefühl ihr obligatorisch Und der Verstand nur fakultativ.     *** Den Essay „Die Kunst. Ihr Wesen und ihre Gesetze“ lesen Sie hier. Eine Rezension von Kurt Tucholsky…

Wahrheit

    Der Wahrheit dienen wenige in Wahrheit, weil nur wenige den reinen Willen haben gerecht zu sein und selbst von diesen wieder die wenigsten die Kraft, gerecht sein zu können.     *** Friedrich Nietzsche ist ein Meister des…

Schlaglichter

  Zweimal in einer Woche in besagten Wildwald zu fahren, spricht entweder von extremer Neugier auf die Natur oder die naturpädagogischen Programme, zeigt, dass man eine Jahreskarte hat oder aber eine Freikarte. Es könnte natürlich auch sein, dass etwas ganz…

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schmatzende Flüsse wenn Finger einander entdecken sagt er: komm mir ein bisschen entgegen aber du: Blut zwischen den Schenkeln das erste Mal riecht nach Sperma und Fisch ist ein Stinken in der Erinnerung schmatzende Flüsse that´s all *** Weiterführend →…

Rhein wörtlich

  Vielleicht ist meine beste Chance auf so etwas wie den erweiterten Rückgewinn von Gewissheit der Rhein. Der Strom als mächtiger Filter, als Geistesmaschine und Erzählapparat, der alles schon gesehen und gut durchgekaut wieder ausgespuckt oder nach Gusto für sich…

Mängel des breiten Bildungsbürgertums

  Ich hätte von Straßenkindern mehr gelernt als in der Schule und im Elternhaus. Die Mängel des breiten Bildungsbürgertums haben einen größeren Schaden in der Geschichte nicht nur des deutschen Volkes angerichtet, als man annimmt. Zu positiv wird selbst der Schatten…

Zurückgezogen

Das einzige, was ich mir wirklich wünsche, ist, zurückgezogen zu leben. Ich will nur in Ruhe gelassen werden. Elfriede Jelinek Elfriede Jelinek schreibt gegen Missstände im öffentlichen, politischen, aber auch im privaten Leben der österreichischen Gesellschaft. Dabei benutzt sie einen…

things change

  m (ich fühle mich) ich besuche meine freundin in mailand. noch heute nacht werde ich sie sehen. der zug hat die grenze bei chiasso erreicht. draußen fällt regen, der die lichter der nacht multipliziert und bricht. ich denke zurück…

Schwebezustand

  Als Produzent interessiert sich Gregory Zonker für Optometrie. Er will die Muster verstehen, welche die globalen Ströme von Materie, Energie und Information dirigieren. Da alle Menschen mehr Zugang zum Leben anderer haben, wird es unpersönlicher. Das Dilemma der Kommunikations–Guerilleros…

Vernunft

    Die allgemeinen fixen Ideen, welche man die gesunde Vernunft tauft, sind unerträglich langweilig.       Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur.

Flechte

  Gesenktes Haupt wirft den Blick zu Boden über den Bürger steigen en masse sich stehlen um fürwahr zu nehmen was wahr scheint auf Bildschirmen glänzende Verführer Entführer nach überall und nirgends ist gleichzeitig hier und anderswo heißt lateinisch alibi…

DIESE ANPFLANZUNGEN SIND DEM SCHUTZE DES PUBLIKUMS EMPFOHLEN

  Was wird „gelöst“? Bleiben nicht alle Fragen des gelebten Lebens zurück wie ein Baumschlag, der uns die Aussicht verwehrte? Daran, ihn auszuroden, ihn auch nur zu lichten, denken wir kaum. Wir schreiten weiter, lassen ihn hinter uns und aus…

Die Laubenpieperin

  Sie trägt die Bürde ihrer Jahre in einer Schürze aus Radieschen: grün ist der Saum, rot-schwarz die Frucht, die ihr der Laubenpieper übern Maschendraht hinweg am späten Abend reicht. Die Wurzeln ranken sich um ihre Hände, die erdig, rauchgeschwängert…

Wut

  Wütend geworden, weil er, den ich nicht kenne, dennoch bald beurteile (beurteilen muss, da ich doch ständig Orientierungspunkte brauche), weil er ihr nämlich auf offener Strasse ins Gesicht fährt. Er tut dies vermeintlich zärtlich. Das vermeintlich Zärtliche aber (und…

BOGENLAMPE

  Einen Menschen kennt einzig nur der, welcher ohne Hoffnung ihn liebt.     *** Die Einbahnstraße ist eine entscheidende Gelenkstelle in Benjamins Gesamtwerk, in der Überlegungen des Frühwerks transformiert werden, um sie dann in späteren Arbeiten weiterzuführen. Dies veranschaulicht…