Schr – r – r – ing

 

Wäre dieses Buch eine Posse, – zu welcher Voraussetzung übrigens gar kein Grund da ist, denn sonst könnten Jedermanns Leben und Meinungen ebenso gut als Posse angesehen werden, – so würde mit dem vorigen Kapitel, Sir, der erste Akt geschlossen haben, und dieses Kapitel müßte dann so anfangen:

Schr – r – r – ing, – ting – teng – rong – trong – eine verdammte Geige! – Sagen Sie, ich bitte, stimm‘ ich oder nicht? – rong – trong – das sollen Quinten sein. – Niederträchtige Saiten – tr a.e.i.o.u. reng – Der Steg ist eine halbe Meile zu hoch, und der Stimmstock viel zu niedrig, sonst – rong – trong – Horch! der Ton ist gar nicht so schlecht. Didel – didel,  didel – didel, didel – didel dum. – Vor wirklichen Kennern läßt sich schon spielen, – aber da steht dort ein Mann – nein, nicht der mit dem Packet unter’m Arm – der Würdevolle dort im schwarzen Rock. – Zum Henker! nicht der mit dem Degen. Lieber wollte ich der Calliope selbst ein Capriccio vorspielen, als vor diesem Menschen meinen Bogen über die Saiten ziehn; und doch will ich meine Cremoneser gegen eine Judentrompete setzen, was die größte musikalische Wette ist, die noch je angeboten wurde, daß ich dreihundertundfünfzig Meilen Mißton aus meiner Geige ziehen will, ohne daß es seine Nerven im Geringsten angreift. – Quadel – didel, Quedel – didel, quiddel – didel, Quodel – didel, Quudel – didel, – rong – gong, – krink – kronk – krank. Ich bin fertig, Sir, – sehen Sie – ihm ist ganz wohl; wenn ihm jetzt Apollo selbst etwas vorspielt, so ist es ganz dasselbe.

Didel – didel, didel – didel, didel – didel, hum – dum – drum.

Ew. Wohlgeboren und Hochehrwürden lieben Musik, und Gott hat Ihnen allen ein gutes Ohr gegeben; einige von Ihnen spielen selbst vortrefflich – trong – grong, grong – trong.

O! Einer ist, dem könnte ich tagelang zuhören – was er geigt, das fühlt man – er erfüllt mich mit Freude und Hoffnung und setzt die verborgensten Federn meines Herzens in Bewegung. Wenn Sie fünf Guineen von mir borgen wollen, Sir, was gewöhnlich zehn mehr sind, als ich entbehren kann, und wenn Ihr Herren Apotheker und Schneider Eure Rechnung bezahlt haben wollt, – dann nehmt diese Gelegenheit wahr.

 

 

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Laurence Sterne (1713-1768), Gemälde von Joshua Reynolds, 1760

Laut Friedrich Nietzsche war er Der freieste Schriftsteller. KUNO stellt diesen Meister der Abschweifung in die Ahnenreihe der Twitteratur. Dank des Kurznachrichtendienstes Twitter ist der Aphorismus in Form des Mikroblogging eine auflebende Form. Bestand die Modernität der lakonischen Notate bisher in ihrer Operativität, so entspricht diese literarische Form im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit der Denkgenauigkeit der Spätmoderne. Es ist Twitteratur.

Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur.