Sein und Werden – Über Wechselwirkungen gegensätzlicher Grundlagen des Lebens / der Welt

Das Notwendigste, was die Welt braucht,

um glücklich zu werden, ist Einsicht.

Bertrand Russel (1872 – 1970)

 

Eine berechtigte Frage an Kinder und Jugendliche, um sie aus dem satten und unbeschwerterem DaSein der Anfangsjahre in den streckenweise Hunger zu verspürenden und leidvollen Weg bewusster Entwicklung zu bewegen, lautet: Was möchtest du einmal werden? Wohl dem der da unter Anleitung entsprechender Vorbilder über seine  Lebensgrundlagen zu philosophieren weiß, um zu den künftigen äußeren Unabhängigkeiten auch seine inneren zu erringen. Das Klein-Ich, welches mit beweglichem Guckloch an Neugier und Unternehmungslust ausgestattet ist, wird  zum Groß-Ich, das philosophierend interessierte Ich. Friedhelm Moser schreibt darüber in ‚Kleine Philosophie für Nichtphilosophen‘, dass das Klein-Ich nur ein Stecknadelkopf sei in Raum und Zeit, eine zufällige flüchtige Zusammenballung von Atomen im Wirbel der Galaxien, die Erde darin als ein Teil des Sonnensystems, die Sonne als nur eine von Milliarden Himmelskörpern in der Milchstraße, in der ständig Geburten neuer Sterne vor sich gehen und ebenso wieder „sterben“( verglühen, explodieren, etc). Welche Unendlichkeit im Kreislauf der Lebenswelten. Das Groß-Ich welches unendlicher ist als die Unendlichkeit nimmt diese grenzenlose Welt in sich auf. Jeder Mensch mit einem Groß-Ich spürt, dass er alles und mehr ist als alles. Und er erträgt die aberwitzige Kluft zwischen Klein-Ich und Groß-Ich, die ein Grundparadoxon unseres Lebens bildet, weil wir den Widerspruch ebenso in uns tragen wie den Wunsch alle Widersprüche zu beseitigen.

Wörtergewimmel

Aus dem anstürmenden Wörtergewimmel unterschiedlichster Theorien der verschiedenen Wissenschaftsvertreter versucht das sich formende philosophierende Groß-Ich die Komplexität zu erfassen. Es ergreift sich seine Gedankenspeisung wie das Kind am Strand, das in ein selbstgebuddeltes Loch nun das große Meer hineinschöpfen möchte. In diesem Augenblick ist es in seinem (gedanklichen) Tun, das ein ganzes Sein von ihm abverlangt dabei, durch dieses Ereignis hindurch ein Anderes/ein Anderer zu werden. Der Prozessdurchlauf, die Wechselwirkungen zwischen der Materie – der matieriellen als auch der imateriellen – bringt das zu Wege. Doch davon später mehr. An dieser Stelle sei Karl Jaspers erwähnt, der meinte, dass jeder Gedanke uns aus dem Seienden löst. Er zwinge uns zur Umkehr aus jeder Verfestigung einer Sackgasse, ein uns gleichsam umwendender Gedanke. Ein Werden ohne erst als solches bezeichnet werden zu müssen? Anstatt tiefgründiger Beantwortung, lassen Sie mich hier einen unangestrengten Versuch starten, einen anderen Weg zu nehmen. Philosophieren hat ja viel mit Um – und Abwegen, mit umherspazierenden Gedanken zu tun, mit ungewöhnlichen Zugängen zu den ganz gewöhnlichen Dingen des Lebens.

Der Begriff des Seins

In der traditionellen Herangehensweise der Philosophie steht der Begriff des Seins im Vordergrund. „Die Philosophische Hintertreppe“ Wilhelm Weischedels, mit 34 großen Philosophen in Alltag und Denken, gibt in Taschenbuchformat einen Überblick. Das Sein als zentraler Grundbegriff behält auch in der ontologischen Tradition (Metaphysik) von Aristoteles ausgehend, und verstanden als „Erste Philosophie“, seine Vorrangstellung, insofern sie nach den ersten Gründen und Ursprüngen des Seienden als Seienden fragt und thematisch das Sein selbst (Ontologie), das göttliche Sein ( philosophische Theologie), das seelische Sein (Psychologie) und den Zusammenhang alles Seienden im Ganzen (Kosmologie) zu ihrer Disziplin gemacht hat, wie dem dtv-Atlas zur Philosophie sehr anschaulich und übersichtlich zu entnehmen ist.

Das Bild als komplexes Gewebe

Das Werden hingegen ist ein Grundbegriff der dialektischen Logik, der das Prozesshafte der Welt beschreiben soll. „Werden“ bezeichnet – im Gegensatz zur Veränderung – ein aus sich selbst entwickeltes Geschehen. Wenn wir nochmals einen Schwenk zurück zum Bild des Kindes am Strand machen, das aus eigenem Antrieb aus der Auseinandersetzung mit sich und den Materien hervorgeht, indem die Erfahrungtröpfchen beim schöpferischen Akt ineinandergreifen, kann das Gleichnis des Werdens vielleicht besser nachvollzogen werden. Bildanalytisch betrachtet, erscheint die Situation (das Bild) als komplexes Gewebe von Beteiligtem und Geschehen, als Präsentation von Gleichzeitigkeiten, wie sie – abgesehen von unseren Gefühlen und da vordergründig vom Einfühlungsvermögen – nur das Auge, als wesentlicher Teil unserer Sinnlichkeiten, erfassen und unser Gehirn aufgrund seiner vernetzten Neuronenverschaltungen verarbeiten kann. Der Plot des Filmbildes ist übersichtlich, was uns ein müheloses Heranzoomen an die einzelnen Abschnitte und deren Betrachten ermöglicht. Wir können nicht in den Kopf des Kindes hineinsehen, nicht in seine Gedanken und nicht in seine emotionale Welt. Doch aufgrund der Beobachtung der Wechselwirkung der einzelnen Substanzen (Sand, Wasser, Hand(lungsköper-)Ich, Schöpfkelle), der Wechselwirkungen zwischen dem Kind selbst und seiner Umwelt, der Entwicklung des Ereignisses als struktur gebende Erfahrung, vollzieht sich vor unserem Beobachterauge ein Prozess, aus dem auch wir anders hervorgehen als wir hineingegangen sind. Die Wechselwirkung zwischen Beobachter und Beobachtetem vollzieht sich bei uns ebenso wie bei diesem Kind. Wir werden in das Geschehen des Prozesses hineingezogen, bleiben als integere LeserInnen jedoch nur in der Teilidentifikation, werden nur kurzweilig zum Kind, lösen uns nach der Beobachtung aus der angenommenen Rolle, aus der Identifikation als Zugang zu einer ästhetischen Erfahrung und reflektieren in unserem jetzigen Sein über das Werden, so es geschehen ist. Jedes Werden enthält ja immer auch ein Nicht-Werden, da e i n Mensch nicht alle(s) werden kann.

panta rhei

Schon Heraklit – ein Philosoph der Antike – befasste sich mit den Fragen des Werdens. Nicht zu verwechseln sei dabei seine Art Vorstellung mit der von Hölderlin, der sich mit dem „Werden im Vergehen“ beschäftigte, eine andere Art der Wechselwirkung von Prozessen. Heraklits Beschäftigung mit dem, natürlichen Prozessen innewohnenden, beständigem Werden und Wandel wurde in späteren Zeiten auf die populäre Kurzformel des „Alles fließt“ (panta rhei) gebracht. Erst zweieinhalb Jahrtausende später löst ein anderer Philosoph die festgehaltene Sicht auf die Beständigkeit der Dinge als Mittelpunkt philosophischer Sichtweisen ab, um das Werden wieder in die Mitte der Philosophie zu stellen, Whitehead, ein im englischen Ramsgate geborener Brite (1861 – 1947), der sich mehr im anglophonen als im deutschsprachigen Raum als wichtiger Erneuerer der Metaphysik einen Namen machte.

Dithyrambos-Gesänge

Um einen Denker zu verstehen sei auch die Welt zu bedenken, aus der er stammt. Heraklits genaue Lebensumstände sind wie der Aufbau seines Werkes zwar ungeklärt. Doch entfaltet sich zur Zeit als er seine Schrift im Artemis-Tempel zu Ephesus niederlegt, unter den Händen von Aischylos und Sophokles die attische Tragödie zur Blüte Griechischer Dichtung. Aus dem vierten Kapitel von Aristoteles Poetik erfahren wir, dass sich die Tragödie aus den Dithyrambos-Gesängen, dionysische Kultlieder, entwickelt hat, der Urgrund der Tragödie  daher im Singen und Sprechen, nicht aber im Spielen oder mimischen Darstellungen liegt. Einen wichtigen Schlüssel für den widersprüchlichen Gott Dionysos liefert Heraklit in seinem 15. Fragment, in dem er sagt, dass Hades und Dionysos einer und derselbe sind, die Einheit der Gegensätzlichkeiten wohl überhaupt das auffallenste Merkmal dieses Gottes, jedoch auch der Kernthematik Heraklits Philosphie ist. Das Wesen der Tragödie, ein kultisches Geschehen in der der Mensch seine Ich-Grenze überschreitet und in Kontakt kommt mit seinen unbewussten Triebkräften, zeigt sich im Verzicht auf Handlung, lässt somit das Unsichtbare sichtbar machen, offenbart den Sinn des Inhaltes. Erwarten wir heute vom Theater das Spiel und die Dramatik des Geschehens, wurde dort nur gesprochen. Ein Antworter der aus dem Chorgesang der Raserei und Heiligem Wahnsinn heraustrat, sprach in jambischen Trimetern, wobei die Spannung zwischen Chor und „Schauspieler“, zwischem Gesungenem und Gesprochenem entstand, die später auch bei Nietzsche als Grundspannung zwischen dem Dionysischem und Apollonischem anzutreffen ist. Die Handlung der Tragödie (aus dem Griechischen wörtlich Bockgesang) war meist vor Beginn der Tragödie geschehen oder fand hinter den Kulissen statt. Das Wesen der attischen Tragödie ist also reine Reflexion und unterscheidet sich streng von all dem was später noch den Namen Tragödie tragen wird. Im antiken Griechenland waren Tragödienauführungen für die Gemeinschaft eine Möglichkeit, sich auf allgemein akzeptierte Art von Druck zu befreien. Die Menschen erkannten sich in den gesichtslosen Figuren auf der Bühne wieder, durchlebten ihr Schicksal und befreiten sich von aufgestauten Affekten. Das Durchlaufen einer Tragödie als Prozess, ein Werden mittels lebensweltlicher Erfahrungen wie sie im Allgemeinen jeder Mensch macht und, so er denn laut Heraklit zu den Belehrbaren zählt und zu tieferer Erkenntnis vordringen kann, die oberflächlichen Realitätswahrnehmungen und seine Lebensart ver-wandelt.

Feste Substanzen als Grundbausteine der Welt

Die Überwindung partieller Erfahrungen und Teilwahrheiten zu einer Gesamtsicht zu bringen, aus stückweisem Sein ein größeres, ein Ganzes werden zu lassen, gehört zu wiederholten Ausgangsgedanken des herakltischen Philosophierens. Alfred North Whitehead, vor allem bekannt geworden für seine monumentale mit Bertrand Russel verfasste Principia Mathematica (1910 -1913), als idealer Philosoph des 20. Jahrhunderts bezeichnet weil er auch Naturwissenschaftler, also Mathematiker und Physiker war, stellte ebenso fest, dass – nicht das Individuum oder Subjekt aus seiner Beobachtungstheorie, sondern die Wissenschaften die die Welt erklären möchten – diese Welt immer nur in einzelnen Teilen betrachtet werden kann, dass der Biologe die Welt anders schaut als der Chemiker, u.s.f. Er stellte das Manifest auf von der Aufgabe der Philosophie, alle Teilgebiete zusammenzudenken, die Verbindungen zwischen den wissenschaftlichen Erklärungen und dem alltäglichen Wissen herzustellen. Er beanspruchte wie Heraklit eine von allen herkömmlichen Vorstellungsweisen verschiedene Einsicht in die Weltordnung. So lehnte er feste Substanzen als Grundbausteine der Welt ab. Für ihn sind Grundbausteine nicht materielle Entenitäten, sondern Prozesse, Bindungsenergien als das „Ende“ von Materie beim endlosen Zerlegen bis auf die kleinstmöglichen Teilchen, „Wechselwirkungssubstanzen“ wie er diese benennt.

Archetypen des Seelischen

Wenn ich von Prozessen, Bindung, (Lebens-) Energie und Wechselwirkungen lese, fällt mir analog die Prozesserkenntnis in der Psychotherapie ein: In der Tiefe werden Probleme /Seelenbilder einander immer ähnlicher sodass sie – bis auf die kleinsten Prozesseinheiten heruntergebrochen – keine persönlichen Züge mehr tragen, d.h. je tiefer eine Therapiemethode in das Seelische des Menschen hinabzusteigen vermag, umso weniger indiviuell erscheint das Seelische in ihrer „Grundsubstanz“. Die Unterschiede von Individuum zu Individuum treten immer weiter zurück zugunsten der Geimeinsamkeiten von Bildern bis hin zu Gleichheiten. Tiefenpsychologie wird damit gleichsam archetypisch indem sie zu den „Grund legenden“ Strukturen des Bewusstseins durchdringt. C.G. Jungs Archetypen des Seelischen waren ein spektakulärer Ansatz, doch auch Ausgangspunkt für grundlegende Meinungsverschiedenheiten im Lehrer-Schüler-Verhältnis, (s)einem persönlichen Werden mittels Ablösung aus dem Generationenkonflikt, aus dem „Bild-Verbot“ heraus. Ähnliche Werde-Gänge von Vater-Sohn-Konflikten (Lehrväter- Lehrsöhne-Problematiken) deren Auflösung nicht gelungen ist, gibt es sowohl in der Geschichte als auch in Literatur und der modernen Prominenz. Friedrich der Große und sein Vater Friedrich Wilhelm I, Franz Kafka und sein Vater Hermann, Michael Jackson und sein Vater Joseph, litten ebenso unter wechelseitigen Beziehungsschwierigkeiten, weil sie unter dem Eindruck eines dominant Väterlichen standen, das das Neue nicht neben dem Althergebrachten als Seinsweise wertschätzend stehen lassen konnte, was für die Reifung, das weitere Werden beider Beteiligten, nötig gewesen wäre. So artete der rechthaberischen Machtkampf aus und jeweils beide blieben in einer Entwicklung stecken, ungeachtet welchen Weg sie dann einschlugen. Der Vater-Sohn-Konflikt drehte sich in der älteren Literatur vor allem um die Herrschaft der „wirklichen“ Thronfolge. Die neuere Literatur verlegt den Kampf um das geistige Erbe, eine Darstellung von Menschen die ihr Werden der Welt präsentieren möchten. Das Zerwürfnis zwischen Whitehead und seinem Schüler Russel ging nicht nur auf persönliche Gründe des ersteren zurück, der seinen Sohn im 1. Weltkrieg verlor, in dem sich Russel als Pazifist gab, und somit keinen würdigen „Sohn-Ersatz“ darstellte. Auch die gemeinsame Arbeit an dem monumentalem dreibändigen Werk führte die beiden an ihre physischen und vor allem psychischen Grenzen. Whitehead der beim Erstellen der Veröffentlichungen zeitweise samt Familie in Russels Haus wohnte , stellt die „Generationenfolge“ ebenso auf den Kopf wie Freud, der sich in einem intensiven Briefverkehr eine größere Kollegialität („Gleicheit unter Gleichgesinnten“) erhoffte, als möglich war. Freud selbst schrieb den 20 Jahre Jüngeren zunächst mit „Lieber Freund und Kollege“ an, später mit „Lieber Freud“, während C.G.Jung stets bei der Anrede „Hochverehrter Herr Professor“ blieb, auch als er selbst erfolgreiche Vorträge auf Kongressen hielt mit denen er seinen Lehrvater verteidigte, weil dieser  lange angezweifelt wurde. Doch die „wechselseitigen Substanzen“ die nicht miteinander harmonierten wie im Falle Russel-Whitehead, Freud-Jung, bezogen sich eher auf die zu unterschiedlichen Herkünfte und kulturellen/sprachlichen Sozialisationen. Russel war aus gebildetem wohlhabendem Haus, er erhielt sogar einen Nobelpreis für Literatur, Whitehead, aus einfacheren Verhältnissen abstammend, wurde zwar mit etlichen wissenschaftlichen Preisen versehen, produzierte ein umfangreiches Werk, in dem er sich jedoch eher als Meister von Neologismen (Wortschöpfungen) einen Namen machte, weswegen er schwer zu lesen /zu verstehen ist. C.G.Jungs Vorbehalte gegenüber Freud betrafen nicht hauptsächlich die umstrittene Theorie, dass alle Neurosen ausschließlich aus dem Sexuellen erwachsen, sondern dessen Herkunft aus einfacher Familie mit begrenzter Bildung. Jungs Buch „Wandlungen und Symbole der Libido ließen Freud erkennen, das Jung nicht vorhatte seine Sexualtheorie anzuerkennen. So schied der Meisterschüler aus, wurde ebenso wie davor Alfred Adler, der die reine Lehre Freuds verlassen und den Trieb nach Macht in seine eigene Theorie miteingeschlossen hatte, „verstoßen“. Was ihnen aber eher zu ihrem eigentlichen Werden verholfen hat als in der bedachten Rolle als Nachfolger und Übernehmende eines noch nicht zur Gänze ausgereiften Gedankengutes.

Wirkliche Wechselwirkungssubstanzen

In einer Psychoanalyse/ tiefenpsychologisch orientierter Psychotherapie geht es nie um ein Sein ODER Werden. Das Werden im Sein zu erlangen, wie ein spielendes Kind, das Sein im Werden halten zu lernen wie ein Boot auf ruhiger/bewegter Ausfahrt auf die Offene See, ist die Freiheit für die es sich zu entwicklen, zu wandeln lohnt. Die Wechselwirkungen in der Verbindung mit dem/der PsychotherapeuttIN, der Prozess der Wandlung, sind das Heilende: die Beziehung. Die emotionale Bezogenheit aufeinander unter Aufrechthaltung der notwendigen Abstinenz (= das Privatleben des Therapeuten/der Therapeutin nicht in die Therapie miteinzubeziehen; siehe auch Wirkung der gesichtslosen Masken der Griechischen Tragödie), haben sich nachweislich als „wirkliche Wechselwirkungssubstanzen“, als evaluierte Therapierfolgsträger, erwiesen.

Zwischen den Zeilen

Methodisch geht die klassische Psychoanalyse/Erkenntnismethode den Weg über die Sprache in der sie- ähnlich der Metaphysik- den Niederschlag des Wirklichen und Nichtwirklichen wiederzufinden glaubt. Neu wäre der anerkannte Ansatz über das Vorsprachliche (das Bild), bzw. das Komplexsprachliche , das Sprachbild ( das Gleichnis). Die Leib-Seele-Aufspaltung wie bei Freud, bzw. die Gegensätze von Geist und Materie wie bei Descartes oder die Kantschen Gegensätze von metaphysicher und physikalisch-empirischer Realität würden in einem komplexeren Ansatz überwunden werden. Die Erweiterung der Verbalsprache durch Systeme von Zeichen die Informationen transportieren, die nicht an Schallwellen gebunden sind, bzw. die Kommunikation „zwischen den Zeilen“ gleichnishaft „zur Sprache bringt“, kann das Sprachtor zum Anderen/ zu Anderen (im weitesten Sinn) öffnen.

Selbstreflexion

Die (Verbal-)Sprache als Mutter aller Missverständnisse, wie Moser im bereits erwähnten Werklein sein Kapitel über die Sprache beginnt, hat einen begrenzten Geltungsbereich trotz oder wegen dem Meer von Mehrdeutigjkeiten. Dem Seienden erspart sie deswegen nicht die Seinsfrage nach dem „Wer bin ich“. In einer prozesshaften Rückschau – ob in einer literarischen Form einer veröffentlichten Autobiographie oder einer philosophischen / psychotherapeutischen Selbstreflexion oder einfach nur mittels Tagebuch – die den Kopf aus den Vorstellungswolken holt und den Nachdenkenden auf die Umsetzungserde stellt – kann erfahren werden, dass wir auch immer das sind, was wir geworden sind. Und was wir geworden sind, unser Werden, hängt vornehmlich davon ab, welchen Menschen wir begegnet sind, welche Erfahrungen wir mit ihnen gemacht haben und wie wir diese Erfahrungen bewerten. Das philosophisch interssierte Groß-Ich ist ebenso abhängig davon wie das Klein-Ich, zuerst die Voraussetzung der Begegnung mit einem Nicht-Ich, von dem es begrenzt ist, zu erfüllen. Parmenides von Ela, Zeitgenosse von Heraklit und ein Dichter, der seine philosophischen Gedanken nicht nur politisch sondern auch in Versen vortrug, leugnet ein Nicht-Sein und somit das Werden. Ich halte es mit Heraklit, der eine untrennbar verschränkte Einheit in der Untersuchung des Verhältnisses von Sein und Werden herausgefunden hat, die Beständigkeit des Flusslaufes bei gleichzeitiger Ruhelosigkeit des Fließens, die er sehr bildlich in seinen Worten wiedergibt: „Selbigkeit als Beständigkeit einerseits, Herbeikommen von anderem und immer anderem andererseits“. Die  Einheit der Gegensätze als Kernelement der heraklitischen Lehre sind darin ebenso enthalten wie das Flussgleichnis das für eine Gesamtheit von Werden und Wandel, das Weltgeschehen als Seinsgesetz steht . Damit setze ich einen (vorläufigen) Schlussstein in diesen Gedankenfluss ° ~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~~

 

 

 

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Die Autorin ist u.a auch multimediale Kunsttherapeutin in Österreich, einer staatlich anerkannten Zusatzausbildung. Sie befaßt sich seit 30 jahren mit dem „BILD“.

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