Orte 5. RDB-Haus, Köln

Köln ist die mieseste, dreckigste, verpißteste Stadt, die ich kenne. Rolf Dieter Brinkmann Engelbertstr. 65. Hier wohnte  er — das Hotel, gegen das er einst seine Bierflasche warf, steht noch, der Dichter ist weg. Lange zeugte ein Grafitto an der…

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  den frost bringt der wind zur welt den trost hält das kind in den händen das blatt kann den ast nicht zertanzen die sonne hat sich ins meer verliebt während formen einander spielgen das krächzen des kranichs das sich…

Sonette – IV

  Es waren seine Blicke im Erwachen Mein einzig Leuchten auf den irren Fährten Und seiner Augen Sterne sie gewährten Den einzgen Schein in meinen Schlafgemachen   Nun sind dahingegangen die Gefährten Die stummen Spiegel allen Geistes brachen In diesen…

Salbei und Wermutkraut

  Ich liebe den Salbei das elegante Graugrün das nobel bescheidene Blüten blaudie Farbe des Geistes den reinen bitteren Duft das samtige Laub den Wohlklang des Wortes Salbei   Auch den Wermut liebe ich den dunkleren Wohlklang des Wortes seine…

Mauerpicker

  Die Ausstellung in der Art Galerie Siegen schließt nahtlos an Porschiens Fotografien der Berliner Jahre 2010 – 2013 an. Gezeigt werden Werke aus dem Jahr 2013 und 2014. Auch der Titel der Siegener Ausstellung und ihres Katalogs verrät Kontinuität,…

Erinnerung an lackierte Fotos

  Wer Bilder mit Texten überschreibt, sie mit grafischen Signalen und malerischen wie auch Collage-Feldern versieht, wer bereits im Titel des vorliegenden Gedichtbandes signalisiert, dass seine „Tage Ost – West“ gleitend ineinander fließen, der geht mit seinen poetischen Visionen nicht…

Take your protein pills and put your helmet on

 Der Weltraum, unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2200. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Enterprise, das mit seiner 400 Mann starken Besatzung 5 Jahre unterwegs ist, um fremde Galaxien zu erforschen, neues Leben und neue Zivilisationen. Viele Lichtjahre von…

Wer früher alt wird, bleibt länger jung

Dränge danach, jeden Gedanken, jede Erfahrung, jeden körperlichen Zustand in den vergangenen drei Jahren aufzuschreiben. Das nenne ich meinen Roman. Ich muss unbedingt aus meinen Erfahrungen ein Gesetz herausfinden. Rolf Dieter Brinkmann, Köln 1973, an Henning John von Freyend Am…

einst war es ein liebestraum

ein Land von Poeten, schon immer in Konkurrenz mit sich selbst nur ein Stück (Moldau), Melodramatik: Sinnessuche für niemanden so recht, geschaffen, außer für Elise für Sonne, Wind und Wetter: Liebe oder große Emotionen   Eine Träumerei. Keine Nachtmusik ……

WAS ICH NOCH LIEBE

  den purpur mag ich und das aschenkleid   die nächte sanft wie dunkle seide   das licht am himmel wenn der abend kommt   ein letztes schweigen wenn das wort verstummt   und eine vogelspur im unberührten schnee  …

Abschied von Gestern

Es empfiehlt sich, Gedichte von Günter Grass erst mit den Augen und dann mit dem Schraubenzieher zu lesen. Sie ähneln Ikea-Regalen. Auf dem Papier sieht alles ganz einfach aus, aber wenn man das fertige Werk erst einmal auseinander genommen hat,…

Noch ist es Morgen,

  kalt steht die Sonne, die Stämme der Kiefern sind lackschwarze Streifen auf dem Wasser.   Kein Wind. In der Luft noch der Schrei der Katzen und doch schon das Singen der Vögel. Nicht Lärm, und auch ich versuche, geräuschlos…

Die Vögel

  in dunkelblauen Augenblicken machen wir das Fenster zu die Vögel draußen schreien zerkratzen die Stille die der Wind hinterließ als er weiterzog der Wind der mit sanfter Hand die Küste streichelte bis sie satt und zufrieden war wir gehen…

Das Idol

  Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung…

irgendwann vielleicht

Das Rot der wilden Rebe kündigt kurze Tage an, Kastanien und Katarrh. Die Schmetterlinge verpuppen sich an feinen Zweigen. Alltägliches kann betrachtet werden. Mängel sind geduldet. Vorläufiges ist gegeben. Irritation unvermeidlich. Erhofft wird die Möglichkeit der Metamorphose. Bei so viel…

Neue Poesie

  Gäbe es den Begriff Neue Poesie, und er meinte nicht die Novitäten der Herbstmesse oder die Gewohnheit, den jeweiligen Gegenstand, wie etwa eine bestimmte Auswahl von Namen oder Texten, eine „Generation“, Richtung oder Schule abzugrenzen (wovon? vom breiten Hauptstrom…

fahrensehen

Mit dem Untertitel „Erstlinge“ präsentiert die Galerie amschatzhaus in ihrer 26. Ausstellung eine neue Reihe. Junge Künstlerinnen und Künstler erhalten die Gelegenheit erstmals eine Einzelausstellung zu konzipieren und dem geschätzten Kunstpublikum vorzustellen. Den Anfang dieser Reihe macht die gebürtige Friedrichshafenerin…

Die dritte Elegie

  Eines ist, die Geliebte zu singen. Ein anderes, wehe, jenen verborgenen schuldigen Fluß-Gott des Bluts. Den sie von weitem erkennt, ihren Jüngling, was weiß er selbst von dem Herren der Lust, der aus dem Einsamen oft, ehe das Mädchen…

Der Anarchisterich

  War einst ein Anarchisterich, der hatt’ den Attentatterich. Er schmiss mit Bomben um sich rum; es knallte nur so: bum bum bum. Einst kam der Anarchisterich an einen Schlosshof fürstelich, und unter’m Rock verborgen fein trug er ein Bombombombelein.…

Literarischer Widerstand gegen die Umstände

  Der in Zusammenarbeit mit der Heinrich-Böll-Stiftung und dem Sächsischen Landesbeauftragten für Stasiunterlagen unter der Federführung des polnischen Germanisten Ernest Kuczynski entstandene Sammelband zeichnet sich durch ein besonderes Engagement für den am 9. Mai 1999 im Alter von 48 Jahren…

Gewohnheit

  Wer nach anderthalbstündigem Warten allein mit dem Essen beginnt, muss in den Augen des Anderen nicht unbedingt richtig handeln.   *** Von Herrn Nipp waren auf KUNO zwischen 1989 und 1994 Aperçus, Bonmots, und Sentenzen zu lesen. Eine Vorform…

Rondel

  Verflossen ist das Gold der Tage, Des Abends braun und blaue Farben: Des Hirten sanfte Flöten starben Des Abends blau und braune Farben Verflossen ist das Gold der Tage.       Die nachhaltige Faszination der Gedichte von Georg…

Das Maß des Menschlichen

Der Dichter und Freund Alois Vogel Wenn ich an Alois Vogel denke, so sehe ich ihn fast immer wie in einem Bild vor mir: wie er an seinem Arbeitstisch sitzt, vielleicht an einem späten Novemberabend, von seiner Schreibarbeit aufblickt und…

Schädelmagie • Revisited

Der Schriftsteller, der nicht zerstreuen, sondern wirken will, muss den Mut aufbringen, auch gegen den Leser zu schreiben. Stil ist kein Schlafpulver, sondern ein Explosivstoff. Günter Eich Bereits sein Name war ein Auftrag: Kling! Die Bedeutungsebene der Sprache versuchte dieser…

Die Behörde

  Korf erhält vom Polizeibüro ein geharnischt Formular, wer er sei und wie und wo.   Welchen Orts er bis anheute war, welchen Stands und überhaupt, wo geboren, Tag und Jahr.   Ob ihm überhaupt erlaubt, hier zu leben und…

Singen

    Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer…

BIRMINGHAM / 910

Aston Villa Football Club, sagte jemand halblaut auf dem Motorway über Birmingham, die Blicke gingen dorthin. Dergleichen Attraktionen sind selten auf den schlechten Wegen Europas, den Transitrouten für Lowlifes, wie ein anderer sagte, vorausgesetzt, die Victoria Coach Station war keine…

Elegie & Zauber

    Der Fluss ist ein Schwimmer zum Meer. Er schwimmt entlang vieler Ufer. Wir treffen ihn immer im Moment des Abschieds. Ein See harrt am gleichen Platz. Er schaut mit blauen Augen aus dem Gesicht der Erde. Kein Blinzeln,…

Auswertung der Flugdaten

  Der Titel Auswertung der Flugdaten deutet zunächst auf ganz and­res Terrain als ›Untertage‹. Hier hats of­fenbar den Totalabsturz gege­ben, der Poetpilot kriegt die Black Box noch einmal mit bei­den Händen zu fassen, jetzt gehts mit letzter Leidenschaft an die…

Brandzeichen

  die Asche der Apocalypse im Haar … Unbehaust eine Spur aus dem Hohlweg finden & neue Wahrnehmungsintensitæten ausloten… am Umschlagpunkt die im Moment stillgestellte Zeit auf den Nullpunkt einfrieren & ein visuelles Territorium markieren   zwischen Traum + Wachsein…

Schwieriger Dialog

  O Herr wie soll ich sprechen zu dir – Deine gekreuzigte Gestalt winzig am andern Ende der Kathedrale wie eine Mücke die in meinem Weinglas zappelt – Als sähe ich dich durch ein umgedrehtes Fernrohr – Während du mich…

Schuldiger

  Die Schuld der Anderen ist schwer zu vergessen, wohl aber, wem Dank geschuldet wird.   *** Von Herrn Nipp waren auf KUNO zwischen 1989 und 1994 Aperçus, Bonmots, und Sentenzen zu lesen. Eine Vorform der Twitteratur. Prägend für diesen…

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  starr und still wie die sterne mit unsichtbaren stricken festgebunden an den bergen damit sie nicht weg steigen wie heiß luft ballone in ein all rein zu den wippenden engeln die pleiaden hingen reglos an einem seil schwer mit…

die maus

kurz vorm verenden noch sah ich die maus in meiner falle zuckend unterm metall haust sie fortan und ohne nest im schädel mir bewegt sie sich wie muskeln zwischen knochenklippen in der haut zernagt sie meine nerven *** Seelenland, Gedichte…

Heute ist Indiebookday

Alle Jahre wieder und nicht nur zur Weihnachtszeit werden Leser aufgefordert ein Buch eines unabhängigen Indiependent-Verlags zu kaufen. Darüber hinaus werden sie gebeten ein Photo des Covers in einem sozialen Netzwerk unter dem Stichwort (Hashtag) „Indiebookday“ zu posten. Der Tag…

Welttag der Poesie

Vorbemerkung der Redaktion: Seit 2000 wird jedes Jahr der Welttag der Poesie gefeiert. Er soll an „die Vielfalt des Kulturguts Sprache und an die Bedeutung mündlicher Traditionen erinnern“. Was bleibt ist der Mythos oder die Legende. Nicht die Werke selbst.…

Der Zeitgeist

  Die Menschen finden sich in dieser Welt zum Leben, Wie Jahre sind, wie Zeiten höher streben, So wie der Wechsel ist, ist übrig vieles Wahre, Daß Dauer kommt in die verschiednen Jahre; Vollkommenheit vereint sich so in diesem Leben,…

Lass deine Flügel ruhen

  von Jón úr Vör Lass deine Flügel ruhen in meinem Gedicht, kleiner Vogel, beim weiten Flug vom Morgen bis in die Nacht.   Lehne dich, Stern, an eine Blume in meinem Garten, einen Atemzug lang, auf deiner Reise durch…

Anamorphosen

    juveniler Delinquismus produziert mit semantischen Okkupationen authentische Extasen auf dem Friedhof der vertrauten Pathognomik das Grauen scheint in einer Abbreviatur in der Mentalitæt des Vernichtungsfanatismus auf & verschwindet in einem Furror des Vergessens   Coolness, Indifferenz & Ambiguitæt…

Sonette – III

  Du selige Geburt wie tief verschwiegen Entstieg ich ihm und war zur Stund bestimmt Zu sein wie Nacht die ihm im Auge glimmt Dem Leisesten auf weiten Himmelsstiegen   Der Strahl zu sein den er im Blick vernimmt An…

Dichten als Form des Denkens

  A.J. Weigonis VerDichtung ist die Suche nach dem Wort, der Versuch, jenseits des Geschwätzes, des alltäglichen Sprechens zu einer ursprünglichen Schicht des Sagens vorzudringen. In seinen Gedichten findet sich alles, was ästhetisch befriedigende Gedichte im 21. Jahrhundert ausmacht: klarsichthüllenklare…

Alltagslyrik

Das kleine Ding ist in Wahrheit ein Schatz für jemand, der Gedichte schreibt. Jan Wagner Literaturpreise sollten eigentlich rein nach Kriterien ästhetischer Qualität vergeben werden, dies ist eine notwendige Fiktion, die jede Jury aufrechterhalten muss. Die Urteilsfindung kommentierte KUNO. Und…