einst war es ein liebestraum

ein Land von Poeten, schon immer in Konkurrenz mit sich selbst

nur ein Stück (Moldau), Melodramatik: Sinnessuche

für niemanden so recht, geschaffen, außer für Elise

für Sonne, Wind und Wetter: Liebe oder große Emotionen

 

Eine Träumerei. Keine Nachtmusik … ein Zivilisationsbruch.

selbstbestimmt, durchgeführt: an der Klippe gestanden & in die Ferne geblickt

so nah so nah – so unendlich nah. alles

den Stein gefunden, der auf die Narbe drückt: nicht weggerückt

 

ein Land von Poeten, in sich selbst verschlossen

Pflichtbeherrschung und Vorurteilen gerecht werden: Pragmatik

für niemanden so recht, verständlich, außer Blechtrommel- Spieler

Kollektivschuldthesen und Vergangenheitsbewältigung: Sausetheater

 

Zentralstellen. Heimkehrer … Nürnberger Prozesse.

Mephisto verbieten, überhaupt: die Banalität des Bösen

so nah so nah –  so unendlich nah. alles

ein Kniefall, ein Mann für uns alle: irgendwie

 

ein Land von Poeten, über Stolpersteine in die Falle

Personenregister angelegt, Adressbuch: bloß nicht anrufen

für niemanden so recht, logisch, außer im Krebsgang

Kontrollversuche unterlassen: Jetzt blüh doch endlich im Glanze

 

Blüh doch!

Blüh!

 

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aus: Ich mag die Welt so wie sie ist von Sarah Katharina Kayß, Allitera Verlag, München, 2014.

Politische Lyrik erlebt eine Widerkehr. Die Sammlung Ich mag die Welt, so wie sie ist läßt sich als Abgesang auf die Postmoderne lesen. Man genießt das Verspielte und Neugierige, das hier neben dem kritischen Impetus waltet. Kayß behandelt politische Themen wie Altlast, Schuld, Amerika-Skepsis: „unterdrückte Schreie und laut gewordenes Schweigen / werden zur Karnation dieser Texte“. Spezialwissen braucht es für die Lektüre nicht, wohl aber Offenheit. Diese Gedichte sind brauchbar, für Alltag und Politik, für das Wahrnehmen und für das Verstehen. Und sie können dennoch Lyrik bleiben.