Neue kulinarische Streifzüge

  Auf dem Buchumschlag sind vier weltweit bekannte russische Schriftsteller im Umkreis der Dichterin Marina Zwetajewa hinter einer reich gedeckten Tafel abgebildet: Nikolaj Gogol, Joseph  Brodsky, Anton Tschechow und Lew Tolstoj. Ihre Blicke aber richten sich nicht auf das vor…

Die Frühlingsfähren

  Die Mühle zielt mit ihrem Flügel Nach einem fernen Haselbusch, Der Maulwurf gräbt und wirft den Hügel, Als baue er den Hindukusch. Und aller Bauern Güter gären, Und alle Gärten kochen Seim, Und rings gehn unsichtbare Fähren In süßen…

Die zweite Elegie

  Jeder Engel ist schrecklich. Und dennoch, weh mir, ansing ich euch, fast tödliche Vögel der Seele, wissend um euch. Wohin sind die Tage Tobiae, da der Strahlendsten einer stand an der einfachen Haustür, zur Reise ein wenig verkleidet und…

Bewusstseins–Upload

In den 1920er- und 1930er-Jahren sprach man für eine Weile von Kunst als Ersatz für Religion; heute sind B-Movies ein Ersatz für Religion. Pauline Kael Falls es in 20 Jahren noch das Ettikett Trash gibt, kann man Neill Blomkamps Chappie…

Waldgespräch

  Es ist schon spät, es wird schon kalt, Was reit’st du einsam durch den Wald? Der Wald ist lang, du bist allein, Du schöne Braut! Ich führ’ dich heim! „Groß ist der Männer Trug und List, Vor Schmerz mein…

Die gelbe Rose

  Die gelbe Rose, zart und dunkel umlaubt, In Porzellan vom bläulichen Grau der Taube, Die gelbe Rose öffnet das blühende Haupt Und zieht in Duft, dem safranfarbigen Staube, Durch meine Stube schwimmend wie Träume hin, Die goldbeschnäbelten Schwäne, die…

lavant a lettre

Weit mehr als eine ungefickte Alleinstehende. Thomas Kling Laut Lexika fragt die Rezeptionsästhetik nach der gedanklichen und emotionalen Wahrnehmung künstlerischer Werke und inwieweit sie bereits im Gegenstand angelegt ist bzw. erst im Prozess der Rezeption entsteht. Angesichts der Schwundstufen von…

am ende

  am ende wird es ein erdenaufenthalt gewesen sein, der kaum zu ordnen war, für mich, der ich immer ordentlich bin. Rolf Persch (* 7. Juni 1949 in Bonn; † 5. März 2015 in Ahrdorf/Eifel)       *** von…

Nutzen

  Die Hoffnung auf Besserung kann zusammenschweißen, aber nur wenn es nicht halbwegs gut geht.     *** Von Herrn Nipp waren auf KUNO zwischen 1989 und 1994 Aperçus, Bonmots, und Sentenzen zu lesen. Eine Vorform der Twitteratur. Prägend für…

An Franz Marc

  Katzen beinen Katzenbeinen Menschen Lust Menschen welten Erde runden die Katzen Katzen pfoten das zahme Gras kreuzen Faden Strich Hirnen Lust Geheul die zwanzigtausend Katzen Tintenp[f]oten schwänzen Katzen Raum Und Räume, Räume, Räume Katzen Und Katzen, Katzen, Katzen Räume…

Musik im Mirabell

  Ein Brunnen singt. Die Wolken stehn Im klaren Blau, die weißen, zarten. Bedächtig stille Menschen gehn Am Abend durch den alten Garten.   Der Ahnen Marmor ist ergraut. Ein Vogelzug streift in die Weiten. Ein Faun mit toten Augen…

HOCHALPIN

  Die Unschärfe des Montblanc auf einer alten Fotografie spiegelt seine Unbestimmtheit als Gegenstand dieser Welt.   Ruhig liegt der eingebildete Gigant im Schnee. Es ist noch Zeit vom Vortag übrig, und an seinem Fuße sammelt sich Höhe wie Worte…

Verhaften Sie die üblichen Verdächtigen

Viele Gedichtbücher sind zwischen Anfang 2014 und März 2015 erschienen. Welche darunter sind außerordentlich bemerkenswert, interessant, überraschend? Kritiker, Lyriker und Vertreter literarischer Institutionen haben zwölf deutschsprachige und zwölf ins Deutsche übersetzte Gedichtbände ausgewählt, die sie für besonders empfehlenswert halten. Die…

Gute Nacht, gute Nacht!

  Wenn ich gleich einschlafe, sagt Schlange, bin ich dann nicht mehr da, oder bist du nicht mehr da, oder sind wir alle beide weg? Wenn ich wach bleibe, sage ich, bin ich da, aber du siehst mich nicht, und…

Ambiguitætstoleranz

  Lebensstatisten ersetzen eine Emanation des vergangenen Wirklichen kœrperlose Stimmen tœnen polyphon = was sich entzieht… wird mimetisch dargestellt   die Konfrontation mit dem eigenen Ich fuehrt zu einer Dezentrierung der Wahrnehmung & evoziert Reproduktionen aus dem Gegenstrom der Aufmerksamkeit…

Die erste Elegie

  Wer, wenn ich schriee, hörte mich denn aus der Engel Ordnungen? und gesetzt selbst, es nähme einer mich plötzlich ans Herz: ich verginge von seinem stärkeren Dasein. Denn das Schöne ist nichts als des Schrecklichen Anfang, den wir noch…

Die Laubwolke

  Beständig ist das leicht Verletzliche. Lange hing die grüne Wolke über der Erde, Wohin ging sie? Im neuen Frühling schwebt sie wieder an Und erfüllt ihren Ort Zwischen Grund und Höhe. Vom Winde gesteuert, Vom Regen gedrängt, Vom Licht…

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  ihre stirn der strahl der sonne rief nach mass haltungs programmen sagte: iss sagte atme brachte mütter zur welt rote weiße schwarze schrieb nicht sprach texte auf ein tonband zu wort wenn der tag ins dunkel fällt trägt sie…

katze

  jagt die seele licht im auge in der nacht mit schlankem körper krummem rücken  schleicht sie und zieht schlangen aus der erde  trennt sie ihnen den kopf ab und zerstückelt sie vermehrt sie milch butter körner geld hütet sie…

DAS LETZTE LICHT

  das letzte licht als die sprache der bäume   als botschaft des himmels schwarzblau   die schattender nacht du hörst diese stille   du hörst deinen atem du hörst   deinen pulsschlag als zeichen der Zeit      …

wintermärz

  der frühling wurde vom frost gekreuzigt   man trug ihn zu grabe rollte eine schneewalze über das land   die sonne versinkt nun im mantelkragen hoch wie eine lärmschutzwand –   nachts fährt die wärme zum himmel auf  …

Wo ich herkomme,

  neigt man sich vor der stahlgestützten Linde eines Poeten wie vor einer Ikone und winkt der in Bronze erstarrte Ovid den Passanten zu, und wo ich herkomme, nimmt man Platz an Brancusis Schweigetisch, um Steine ins Wasser zu werfen.…

Sehnsuchtsmaschinen

  Versehrte im Gefuehlsnahkampf durchleben eine Katharsis in rosenfingriger Morgenrœte versuchen die Fassungslosigkeit zu bewahren & sich mit Ueberschreibungen zu retten…   von den Wonnen der Unabhængigkeit zur Geographie des Geschmacks = in einer Neujustierung den Raum im eigenen Innenraum…

Sonette – II

  Hättst du der Welt dein Sterben prophezeit Natur wär dir vorangeeilt im Tode Kehrte mit unerbittlichem Gebote Das Sein in ewige Vergessenheit   Am Himmel ständen sanfte Morgenrote Zur Stunde da hinglitt dein Körperkleid Die Wälder färbte alle schwarzes…

Profitgier

  Die Hoffnung auf Besserung schweißt solange zusammen, wie nichts durchgesetzt ist, dann kommt der Eigennutz.   *** Von Herrn Nipp waren auf KUNO zwischen 1989 und 1994 Aperçus, Bonmots, und Sentenzen zu lesen. Eine Vorform der Twitteratur. Prägend für…

Aus meinem Kohlebunker

  ich hab die zeichnung in kohle erkoren als handlanger auf weissem papier drin hab ich nun habicht oben… oben von unten her bewegt * wir haben bunker mit kohle gesaettigt haben kohle gebunkert nun schauen wir oben oben nicht…

herzgegend

  bäume haben sich ihre schatten herausgerissen, brennen im wurzelfeuer. holzasche über   geöffneter erde verstreut. das licht der laternen wurde durchtrennt, lose treibt es im augenwind. die tür ist zugemauert, fenster sind verschweißt. auf den scheiben liegen die nerven…

Wer langsam erlischt

  Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung…

Köstliche Miniaturen

 „… die Dinge sind (.) das, was sie scheinen – und hinter ihnen. ist nichts“ Jean Paul Sartre Schreiben ist leicht. Man muss nur die falschen Wörter weglassen, sagt Markt Twain auf der Seite 6. Und spätestens hier, bevor die…

Mein blaues Klavier

    Ich habe zu Hause ein blaues Klavier Und kenne doch keine Note.   Es steht im Dunkel der Kellertür, Seitdem die Welt verrohte.   Es spielten Sternenhände vier – Die Mondfrau sang im Boote. – Nun tanzen die…

Ten years after

  es gibt die konstellationen des südlichen und des nördlichen himmels, und es gibt sie: die silberdisteln. Unlängst wurden die diesjährigen Kandidaten für den Preis der Leipziger Buchmesse 2015 bekanntgegeben. Darunter befindet sich mit Jan Wagner zum ersten Mal seit…

Venus Consolatrix

  Dann kam Stern Lucifer; und meine Nacht erblaßte scheu vor seiner milden Pracht. Er schien auf meine dunkle Zimmerwand, und wie aus unerschöpflicher Phiole durchflossen Silberadern die Console, die schwarz, seit lange leer im Winkel stand. Auf einmal fing…

Wasserschleier

  Sarah versucht, durch den Wasserschleier zu sehen, ob Kathrins Fenster beleuchtet sind. Sie sieht nichts. Alles ertrinkt im Regen. Il pleut dans mon cœur, comme il pleut sur la ville, quelle est cette langueur, qui pénètre mon cœur… Ich…

ERK

  Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung…

Abgelaufene Zeit

A clock stopped—not the mantel’s; Geneva’s farthest skill Can’t put the puppet bowing That just now dangled still. An awe came on the trinket! The figures hunched with pain, Then quivered out of decimals Into degreeless noon. It will not…

Traum und Boot

  Ein Boot fährt leise übern Silbersee Wellen glitzern wie Geschmeide Trink aus der Flasche kalten Tee Er rinnt durch die Kehle, sanfte Seide   Zum Ufer fuhr der alte Kahn kaum schwimmend leckt er Wasser und ist dort bald…

Die drei Teiche von Hellbrunn

  Der erste   Um die Blumen taumelt das Fliegengeschmeiß Um die bleichen Blumen auf dumpfer Flut, Geh fort! Geh fort! Es brennt die Luft! In der Tiefe glüht der Verwesung Glut! Die Weide weint, das Schweigen starrt, Auf den…

Traue

  Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung…

Gesang der Ungeborenen

  Vater, dir drohet nichts, Siehe, es schwindet schon, Mutter, das Ängstliche,   Das dich beirrte! Wäre denn je ein Fest,   Wären nicht insgeheim Wir die Geladenen, Wir auch die Wirte?       Weiterführend → Im Alter von…