Enzyklopädien des täglichen Irrsinns

  vier-fünf U-Bahn-Stationen all die Woolworth-Mädchen mit Lippenstift und Beatles im Ohr und die Männchen mit ihren Trauerhüten und Regenschirmen und so viel Charme im Gesicht wie ‘ne Schreibe Ersatzschinken also auch alles Verlierer ihr Einsatz so klein dass es…

Kreativität und Disziplin

  Die Disziplin setzt in der Formung des Materials ein, aber ich weiß, dass schon die Auswahl des Materials einem kreativen Akt unterliegt, nicht beherrschbar ist und auch nicht vollkommen beherrschbar sein sollte. Auch die Formung selbst, zu der eine…

Violett verraucht

Bei den Poetry Slams, da kommt zur Idiotie des Prätentiösen die Illusion, dass ein Bier in der Hand genügen würde, um alle grundsätzlichen Fragen zwischen Schrift und Rede mit einem Schluck aus der Welt zu schaffen. Und obendrein sind 90…

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    ich bin ein flächenbrand ohne ränder man band mir die hände ab   die gewänder der augen schraubten sich fest   abschaben und beschiffen ich stand in der bauchdeckee der offenen ohnmacht und höhlte die fracht ausm hintersten…

Das Unbewußte des Dichters

  Goethes Leben und Erziehung waren durchaus die eines Künstlers. Ihm fehlt das Unbewußte des Dichters. In seiner Selbstbiographie beschreibt er genauestens das Leben des Verfassers von »Wilhelm Meister«. Denn, wie dieses Buch eine Mischung von seltener und leuchtender Weisheit…

Verinnerlicht

(Meinem Doktor Benn)   Ich denke immer ans Sterben Mich hat niemand lieb.   Ich wollt ich wär still Heiligenbild Und alles in mir ausgelöscht.   Träumerisch färbte Abendrot Meine Augen wund verweint.   Weiß nicht wo ich hin soll…

Der Revoluzzer

Der deutschen Sozialdemokratie gewidmet War einmal ein Revoluzzer, Im Zivilstand Lampenputzer; Ging im Revoluzzerschritt Mit den Revoluzzern mit. Und er schrie: „Ich revolüzze!“ Und die Revoluzzermütze Schob er auf das linke Ohr, Kam sich höchst gefährlich vor. Doch die Revoluzzer…

Wo niemand

Weiterführend →  Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung an…

Massendiskurs

  Es ist nicht jedem gegeben, sein Innerstes an die Oberfläche aufsteigen zu lassen, ohne Scheu und ohne Furcht vor dem Zerrissenwerden oder der Antwort: Was für ein schwacher Text! Aber es geht gar nicht anders. Ich glaube, es ist…

Den Sanduhren zum Gruß

  Unter dem Streiflicht Mirabilien, Perlen eine zarte Blendung: Sonne und Meer nur Chiffren verlorene Entwürfe kaum Sand, kein Meer, und ein Tag wächst strandlos an den nächsten. Dies ist dein Gelände dein unumstößliches Zeugnis. Hier steht dein Schweigen geschrieben,…

Ich- & stiebfest

  Ein gedichtgefecht auf hoher warte, an tiefe fragen rührend, wann hat es das zuletzt gegeben? wir wissen von Meckel / Törnes freundschaftlichem versewechsel eine generation zuvor. Hier beversen sich wieder zwei dichter. Doch beiden geht es um angelpunkte, die…

Ich kann ihre Gedichte nicht leiden

Vor 100 Jahren starb Franz Kafka. Inzwischen ein Klassiker der Moderne war auch er von Vorurteilen nicht frei.      „Ich kann ihre Gedichte nicht leiden, ich fühle bei ihnen nichts als Langweile über ihre Leere und Widerwillen wegen des…

Spalte ab deine Worte

  von den Lippen und wirf deinen Blick nicht weg vergeblich tauben Augen zu Gefallen tue keinen Schlag ins Leere oder auch nur weniger     *** Anmerkung der Redaktion: Dieses Wortfeld wurde dem Roman Schimpfen von Peter Meilchen entnommen.…

Prothesenwesen

  Rasender Stillstand / veredelte Vergænglichkeit auf Markanz, Inszenierung + Identitæt bedingungslos verzichten & Wandlungsreisender werden   Hyperboles & Ellipsoide generieren Nuancen der Verrohung weisen auf das Archiv der Verletzungen & die rostig rasselnden Fesseln der Authentizitæt   Ideologieabstossend /…

heavy metal/makarenko

  acht jahre nach unserer gemeinsamen inhaftierung (hauptquartier golgatha-makarenko: gelitten gestorben auferstanden in den toten eines brennenden kaufhauses: des banats im jahr der panzer und barrikaden an meinem 6. geburtstag dem beginn eines u-boot kriegs zwischen mir und meiner seele…

WEIßE FRAU

    warnt niemand mehr kinder vor ihr die sie einst raubte um sie zu opfern  daß nach dem winter auferstand  die saat aus ihrem körper der garbe wie feuer in der asche ist vergessen wie sie gebot über leben…

Durch die Friedrichstrasse

  Durch die Friedrichstrasse – die Laternen brennen nur noch halb, der trübe Wintermorgen dämmert schon – bummle ich nach Hause. In mir, langsam, steigt ein Bild auf. Ein grüner Wiesenplan, ein lachender Frühlingshimmel, ein weisses Schloss mit weissen Nymphen.…

Gewinn

  Ich sitz bei mir, auf einem dieser Stühle, Die zwischen allen stehn, im Zwischenraum. Und um mich weht des einen Herbstes Kühle, Da Blatt um Blatt verlässt den einen Baum.   Ich frage mich, wie ich mich immer fühle,…

Vermessung der nichtlinearen Raumzeit

  mit abseitigen Denkfiguren jenseits des ueberwachen Bewusstseins versucht ein Empathiker des Augenblicks mit Triebenergie einen Fremdkœrper zu implantieren & in amphische Traumwelten einzudringen   die hermetische Durchsichtigkeit der Wœrter & der von ihm umsteuerten Zwischenræume = das Mohair des…

MELANCHOLIE

  Ein nacktes Jungfräulein hängt An einem Galgen: das Blut, das von Mund und Nase Und sonst herunter geflossen, bildet im Rasen Eine rote Lache, die mählich schwarz gerinnt So wie das Blut der lehmigen Pfützen umher Mit der sterbenden…

Botschaften aus Nimmerland

  Der am 24. Juni 1935 in Chile geborene Jorge Octavio Teillier Sandoval zähle „neben Pablo Neruda, Vicente Huibobro, Gabriela Mistral, Pablo de Rokha, Nicanor Parra und Gonzalo Rojas […] zu den Fixsternen am Himmel der chilenischen Dichtkunst des 20.…

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  Kampf um Licht Sonne aber sitzt an meinem höchsten Ast sei mein Zwillingsbaum dennoch, da wo Wind trauert und singt     *** Baumzyklen, Gedichte von Sophie Reyer, KUNO 2024 Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem…

FÄHRE

      reisen nachts die unsichtbaren auf dem fluß ins reich der toten geben sie dem fährmann scherben  werf auch ich zerbrochenes nicht fort  es könnte gold wert sein in der hand  einer fremden frau mit großen zähnen  die…

Stötzer, ein Auszug

  Stötzer klagte über schmerzende Füße, ich aber ging beschwingt von dem Gedanken, dass ich es war, der diesen Platz entdeckt hatte, mit federnden Schritten voran. Wir liefen querfeld nach Norden zum Venusberg. Komm schon Stötzer, rief ich, es lohnt…

Buchstabenkonstellationen

  „Die naive Übereinstimmung von Wort und Sache, Ausdruck und Wirklichkeit, ist zerschlissen durch den tatsächlichen Gebrauch der Sprache wie durch die unerhörte Kluft zwischen dem Faktischen dieser Realität und den Worten, die damit fertig werden sollen.“      …

Dazwischenkunft

  mit gestischer Vitalitæt die Spanne zwischen Erfahrungraum & Erwartungsraum gemessen ausschreiten > Die Evidenz des Todesschreckens im kunstvollen Zusammenprall von Idylle & Grauen bei Grabungen ins Geschichtete untersuchen   im empfindlichen Bereich der Sinneseindruecke mikrotonale Strukturen ergruenden & Ver…

Sonette – XVIII

  In seine Hände mocht ich meine Stunden Wie Knospen schütten die um ihn erblühn Gedachte mit des Schweigens Immergrün Die Stirn zu schirmen die Gesänge runden   Ihm sollte meines Armes Schwertschlag glühn Im Kampfe der gebenedeiten Wunden Wo…

Gedichte / Lichtbilder

  Was passiert, wenn eine renommierte Lyrikerin und Schriftstellerin, im mittelsächsischen Burgstädt 1959 geboren, seit über zwanzig Jahren in Duisburg lebend, zum ersten Mal im Frühjahr 2014 für einige Wochen in Istanbul, in einer für sie fremden urbanen Kultur, weilt?…

ZWERGIN

    als eine zwergin aus dem erdloch kam in dem sie lebte von geburt an verborgen schön  sah sie sich um mit dem verstand ihres blickes  entdeckte sie einen mann verlockte sie ihn  durch gesang lebten sie fortan zufrieden…

Augenblick

      Wenn ich mein Leben noch einmal leben könnte, im nächsten Leben, würde ich versuchen, mehr Fehler zu machen.   Ich würde nicht so perfekt sein wollen, ich würde mich mehr entspannen. Ich wäre ein bisschen verrückter, als…

Hirnzonenreflexmassage

  Freiheitssehnsucht + Verlorenheit in: abgruendiger Weltentfremdung den purpurnen Tiefen des Unbewussten durch fliessende Identitæten in eine Seelenfalle geraten Verlandung bietet den einzigen Fluchtpunkt   das ethnografische Dickicht entrætzeln Gegenstand & Sprache zugleich mit einem Sprachzeugkasten fuer Wortwerker in die…

Literatur

  Weil er sich nicht geniert hat, glaubt er, er sei ein Genie. Weil er uns nicht amüsiert hat, hält ers für Poesie. Weil er einst onaniert hat, wirds eine Autobiographie       *** Zum 150. Geburtstag von Karl…

Antinous

  (Adi André-Douglas) Der kleine Süßkönig Muß mit goldenen Bällen spielen.   Im bunten Brunnen Blaugeträufel, honiggold, Seine Spielehände kühlen.   Antinous, Wildfang, Güldklang, Kuchenkorn mahlen alle Mühlen.   Antinous, Du kleiner Spielkönig, In den Himmel fährt es schön auf…

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Ein Haus in das kein Regen fällt ein Kind das seinen Reigen tanzt weil das dunkel keine Wände hält den Rhythmus des Windes stanzen: Innen       *** Vor zehn Jahren erschien: Wortspielhalle, eine Sprechpartitur von Sophie Reyer &…

Es leben die Toten

  Dein Leben ein Bad im Fluss Allmählich spürst du die Überquerung Kein Charon der dich steuert   Die Münze sinkt zum Grund des Himmels Oben schwimmt der Kokon   Gestrandet mit den Ratten lernst du wieder laufen …  …

DU KANNST JETZT GEHEN

aber achte darauf dass wir zusammen sind wenn die welt untergeht wenn das grelle licht kommt jesus messias oder schwarze löcher wenn menschen und geräte stehen bleiben weil keine entscheidung mehr möglich ist papst-audienzen in der schnellen erdtotsekunde in verschluckung…

Hyperion – ein Hybrid

  Es ist eine Sprache, die stets an ihren eigenen Rändern balanciert., die changiert zwischen Erzählen, Singen, Zirpen, Klingen und dem Vorantreiben einer Handlung. Roman, dramatisches Gedicht, fiktiver Brief? Mit der Analyse Friedrich Hölderlins „Hyperion“ gelangt der Germanist an seine…

Nicht weniger nicht mehr

„Die Poesie“, hat der Dichter Paul Celan gesagt, „die Poesie zwingt sich nicht auf, sie setzt sich aus.“ Übersetzen Sie das Wort Celans ins Französische, und Sie verstehen, wie sehr der Satz in der Romanität zu Hause ist: la poésie…