Experimentierexperiment

  Der handwerkliche Akzent in der Literatur darf nicht zu scharf sein, so sehr heute Handwerkliches zu fehlen scheint. Handwerkliches Können wandelt sich außerdem. Heute sind es nicht Silben, Metrum, Reime. Die gegenteilige Wichserei im extrem langweiligen Experimentierexperiment ist auch nicht…

Mir bedeutet heute nur die Literatur etwas

  Mir bedeutet heute nur die Literatur etwas, die versucht, die Möglichkeiten der Literatur jenseits ihrer Grenzen auszuloten; jene Art von Literatur, die Traditionen in Frage stellt, von denen sie beherrscht wird Raymond Federman     Raymond Federman, der erst…

Uroborus

  In der Erinnerung läuft die Zeit rückwärts ab. Die hypermodernen Menschen erwachen in einer Welt, in der die Ideale der Demokratie nichts gegen Begrifflichkeiten wie Kapitalismus, Herrschaft und Macht mehr ausrichten können. Es bedarf des Organischen, wenn man nach…

Unsere Analyse

  Unsere Analyse hat eigentlich auch Pech gehabt. Kaum dass sie von den Kriegsneurosen aus die Welt zu interessieren beginnt, nimmt der Krieg ein Ende. Sigmund Freud       Wer von der Moderne spreche, so der deutsche Literaturwissenschaftler Peter-André…

Nachrichten aus der Wolfs- und Knochenzeit

  Zuweilen erzeugt das Gerücht des Nichtvorhandenseins womöglich den eigentümlichen Ruch der Präsenz. Über einen Autor gilt es zu sprechen, der laut Ulrich Bergmann, der in einer Laudatio einen eingehenden Blick auf die Arbeit eines solchen Einzelgängers wirft, gar nicht…

Nachgelassene Gedichte

In welcher Sprache fällt der Regen auf kummergewohnte Städte? Pablo Neruda Das dichterische Werk von Pablo Neruda hat in seiner thematischen und poetischen Vielschichtigkeit, ästhetischen Anziehungskraft und ideologisch-politischen Widersprüchlichkeit weltweit hohe Anerkennung in dutzenden Sprachen gefunden. Im deutschsprachigen Raum hat…

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ein Atemzug Stein einer Himmel einer ein Atemzug Wal so lebt es sich weiter: in Zügen und immer noch um eine Blüte zuviel wissen wollen noch Knospen halten die Blumen ihre Augen geschlossen doch sie bluten nicht Freudespuren *** Weiterführend…

FLAGGE

  Wie der Abschiednehmende leichter geliebt wird! Weil die Flamme für den Sichentfernenden reiner brennt, genährt von dem flüchtigen Streifen Zeug, der vom Schiff oder Fenster des Zuges herüberwinkt. Entfernung dringt wie Farbstoff in den Verschwindenden und durchtränkt ihn mit…

Hypochondrische Aphorismen 6

  Der Schreibende ist immer Jäger und Gejagter zugleich, und so sehr er sich auch bemüht, schreibt er hoffnungslos hinter sich her wie einer, der seinen Schatten überspringen will.     *** Weiterführend → Das erste Fazit von Ulrich Bergmann…

Anstaunen ist auch eine Kunst

  Anstaunen ist auch eine Kunst. Es gehört etwas dazu, Großes als groß zu begreifen.   *** Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur, sowie ein Recap des Hungertuchpreises. → Lesenwert auch der Der Essay Unsere lyrische und epische…

Regeln für den, der in den Bergen baut

  Fürchte nicht, unmodern gescholten zu werden. Veränderungen der alten bauweise sind nur dann erlaubt, wenn sie eine Verbesserung bedeuten, sonst aber bleibe beim blten. Denn die wahrheit, und sei sie hunderte von jahren alt, hat mit uns mehr jusammenhang…

IX

  Weichenstellung. Nataly flieht den Fensterplatz, als sich ein feister Spacko im Taschenmesserformat ins Abteil setzt, eine Zigarre entflammt und damit versucht, seinen alkoholisierten Atem zu maskieren. Sie begibt sich in die einzigsteklassenlose Gesellschaft, die das Rheinland bietet: das Zugrestaurant.…

Selbsttor eines Dorfkickers

  Kommentar zum Zeit-Artikel von Stefan Mesch: Wo Poeten laut werden Stefan Mesch: Vom po­eten­laden ab­ge­lehnt. In der Zeit als „Lyrik­exper­te“ und po­eten­la­den-Pol­terer will­kom­men. Wir Älteren erinnern uns noch gerne an die Selbst­tore von Franz Becken­bauer. So ele­gant hat vor…

Der Deutschen Sozialdemokratie gewidmet

  Politikverdrossenheit und schwere Krankheiten haben zuweilen etwas gemein: irgendwann hört man auf, sich zu wehren.     *** Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur. Twitteratur, eine Anthologie. Erweiterte Taschenbuchausgabe mit der Dokumentation des Hungertuchpreises. Herausgegeben von Matthias…

Stachlige Opuntien V

  Ja, aber …! Sehr richtig! Da alles in der Welt seine Ursachen hat, so hat es auch seine Ursachen, wenn man Banause ist. Man ist es darum aber doch, und doch ein schlechter F.W.Ver.     *** Jakob van…

Bedürfnis

  Ich bedarf äusserlich der Enge, um innerlich ins Weite zu gehen Theodor Storm       Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur.

Sprüche und Widersprüche

  Der Übermensch ist ein verfrühtes Ideal, das den Menschen voraussetzt.       *** Karl Kraus ist der Godfather des Aphorismus, in seinen Ausführungen finden wir aber auch Zuspitzungen. Der in der Schwebe gelassene Sinn, die Produktion von Ambiguität…

Sprache

    Literatur hat mit nichts anderem zu tun als mit Sprache.   Helmut Heissenbüttel     Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur.

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  Krähenfüsschen als Quasigesichter am Rand im Tag hocken nicht weiter wissen übertrauer doch endlich die Zeit Wie Vögel nach Haus fliegen wollen wenns Nacht wird aber wohin     *** Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier.…

Bruchstückhafte Morsezeichen

Redaktionelle Vorbemerkung: KUNO übernimmt diesen Artikel der vom Netz gegangenen Plattform Lyrikwelt: A.J. Weigonis Vignetten folgen einer mäanderförmigen Struktur. Dieser Schriftsteller nähert sich tastend und fragend. Und das entspricht dem Charakter dieser Novelle, die reflexiv ist, indem sie beim Betrachten…

An Friedrich Gottlieb Klopstock

  Klopstock oller Donnerer, Wirrkopf sonder Gnaden.         Bestand die Modernität des Aphorismus bisher in der Operativität, so entspricht diese literarische Form im Zeitalter der technischen Reproduzierbarkeit der Denkgenauigkeit der Spätmoderne. Es ist Twitteratur. Weiterführend → ein Essay…

Dumme und weniger dumme Sprüche

  Die Menschheit lebt in einem Käfig voller Narren, von denen jeder glaubt, nicht darin gefangen zu sein.       Anmerkung der der Redaktion: Gerne verweisen wir in diesem Zusammenhang noch einmal auf den Vorruhestandswahn, von Karl Feldkamp. Lesen Sie…

Das Hungertuch für Thomas Suder

Thomas Suder aus Düsseldorf erhält in Anerkennung seines künstlerischen Werks das Hungertuch für Bildende Kunst 2009 Der Konflikt moderner Kunst lässt sich in zwei Sätzen resümieren: „Jeder Mensch ist ein Künstler“ proklamierte Joseph Beuys. „Jeder Künstler ist ein Mensch“, entgegnet…

Scheidtweil

    Die Grundlage für die Photoarbeiten bilden Schnappschüsse von Gebäudeteilen. Digital bearbeitet verwandeln sich die Motive in absurde Architekturen, deren Reiz in der skulpturalen Neuformulierung des real Vorgegebenen liegt. Die Titel der Arbeiten weisen auf die Straße hin, in…

Sentenz

  Als ich sah, wie sich alle über die verpassten Chancen grämen, entschied ich, kein Fettnäpfchen auszulassen.       *** Von Herrn Nipp waren auf KUNO zwischen 1989 und 1994 Aperçus, Bonmots, und Sentenzen zu lesen. Eine Vorform der…

AN EINEN SOLDATEN

  Krieg fügt Ihnen und den Menschen in Ihrer Umgebung erhebliche Maden zu.      *** Weiterführend → Axel Kutsch erweist sich als Meister der Twitteratur. Kein Gedicht ist länger als 140 Zeichen! Über die Literaturgattung Twitteratur finden Sie hier…

Ästhetisierung der Politik

    Alle Bemühungen um die Ästhetisierung der Politik gipfeln in einem Punkt. Dieser eine Punkt ist der Krieg.     *** Walter Benjamin ist ein Großmeister des Aphorismus, in seinen Ausführungen finden sich elegante Zuspitzungen. Wenn Benjamin philosophische „Lesestücke“…

Schrapnell

  Der Himmel wirft Wolken Und knattert zu Rauch. Spitzen blitzen. Füße wippen stiebig Kiesel. Augen kichern in die Wirre Und Zergehren.       *** Am 1. September 1915 ist August Stramm bei Horodec östlich Kobryn, in einem sinnlosen Krieg gestorben.…

Gedankenstrich

  Soll es mich trösten, dass eventuell meine Seele wandern, nach mir sein wird bei jemand anderem zuhause? Dass meine Seele also nicht mich im Spiegelbild erblicken wird, sondern ein ganz anderes Gesicht? Kann mich das trösten?     ***…

Ethisches

  Wer die Grausamkeit der Natur und der Menschen einmal erkannt hat, der bemüht sich, selbst in kleinen Dingen wie dem Niedertreten des Grases schonungsvoll zu sein.     *** Galgenlieder, von Christian Morgenstern. Erschienen im Verlag Bruno Cassirer. Berlin…

Lob der Langsamkeit

  Ein Mensch, der zu langsam ist, der wird nicht so viel Schaden unter den Menschen anstiften als der Mensch, der zu schnell ist.         Weiterführend → Die von Farben und Tönen bestimmte ungebundene und rhythmische Lyrik…

Monostichon = Twitteratur?

  Ein Monostichon (von griech. μόνος, monos „eins“ und στίχος, stichos „Zeile“; deutsch auch Einzeiler) ist ein Gedicht, das aus einer einzigen Zeile besteht. Ein bekanntes Beispiel aus der deutschsprachigen Literatur ist Goethes Monostichon: Blumen reicht die Natur, es windet…

Dieser Tag leuchtet

  Gedichte, Gedichte, Gedichte. Wer findet sich heute noch zurecht in den Regalen? Wer kann sogenannte moderne Gedichte noch deuten? Immer wird nach einer neuen Faszination gesucht, immer wird ein neues Feld bestellt mit ungepflügten Worten. Einer, der seit Jahrzehnten…

Facetten der Stille

  Handeln bedeutet mithin: Sprachhandeln. Und die Anstrengung, die ein solches Handeln bedeutet. Die Pausen drücken das Unsagbare aus. Es ist der unablässige Versuch die Sprache mit Atem aufzuladen und die vorläufige Erkenntnis, dass sich ein unbändiger Geist nicht an…

Das Gedächtnis sagt

  Das Gedächtnis sagt: So war es. Der Stolz sagt: So kann es nicht gewesen sein. Endlich gibt das Gedächtnis nach.     *** Friedrich Nietzsche ist der Godfather des Cynismus. Oft leisten seine Texte viel mehr: Aufschreckende Brüche und Diskontinuitäten…

Eine neue Widerlegung der Zeit

  Wir werden alle Augenblicke unseres Lebens wiedererlangen und sie kombinieren, wie es uns gefällt. Gott und unsere Freunde und Shakespeare werden unsere Mitarbeiter sein.     *** Der in der Schwebe gelassene Sinn, die Produktion von Ambiguität – was…

Momentaufnahme

  Trichterwinde: deine Hände als Pflanze   in meinem Haar   ***   Weiterführend → Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht sie der Frage nach, wie das Schreiben durch das schreibende Analysieren gebrochen…

Schalksberg

  Zarte Lichtstreifen zerrinnen am Himmel, wo alles leer ist. Für Sekunden hängt der Abend rot im Maul der Dämmerung, dann frisst die Nacht unten im Tal die letzten sauren Reben von den Stöcken. Reisebusse schnüffeln mit ihren gelben Lichtern…