Dieser Tag leuchtet

 

Gedichte, Gedichte, Gedichte. Wer findet sich heute noch zurecht in den Regalen? Wer kann sogenannte moderne Gedichte noch deuten? Immer wird nach einer neuen Faszination gesucht, immer wird ein neues Feld bestellt mit ungepflügten Worten. Einer, der seit Jahrzehnten darüber hinweggeht, ja: nicht schreitet, ist Walter Helmut Fritz. Seine Gedichte habe ich schon verschlungen, als Eich und Bachmann und Benn und Konsorten Verse auf dem absterbenden Ast ausbrüteten. Und als die konkrekte Poesie einfiel wie ein thebanisches Heer mit linksverstärkter Phalanx und als Brinkmann und Co. die Szene aufmischten in den 70ern und 80ern. In all dieser Zeit – bis heute – hat ein Lyrikautor seinen Stammplatz in meinem Bücherregal: Walter Helmut Fritz. All diese Wortgefechte hat er überlebt und schreibt unbeirrt weiter in seinem heiter-elegischen, leise-explodierenden Stil, der eben Jahrzehnte überdauert, all das Piercing-Getue und Tatoo-Geschramme der Neuzeit überlebt hat. Einer, der ganz leise und ganz böse an die Dinge des Lebens herangeht, der wird überhört und übersehen vom Multimedia-Getue der Jetztzeit. Wer Walter Helmut Fritz liest, weiß mehr vom Leben, erfährt mehr von allen Dingen, die uns beschäftigen. Er wird reicher, Wort für Wort. Und er weiß, wie der Autor es meint: Sanft, beruhigend, beiläufig. Und dabei doch: Erschütternd. beunruhigend, direkt. Selten habe ich so gute Texte entdeckt, die – so einfach sich gebend – so nachhaltig wirkend sind. Natur, Natur. Werden und Gehen. Die Einsamkeiten der Menschen untereinander. Jedem kleinem Wink aus dem Alltagsleben gewinnt der „Zeitagent“ Fritz einen kleinen Brocken Lyrik ab und ist souverän wie selten heute einer.

Die Wolke

 

Wir saßen bei Schafskäse,
Oliven, Tomatensalat,
als wir die Wolke sahen,
die ihren Schatten
über einige Häuser des Dorfs legte,
dann über den Hügel,
dann ihre Fahrt
verlangsamte,
anhielt,
und in der leuchtenden Luft
Wurzeln schlug

Das Gesamtwerk beginnt mit dem Band „Achtsam sein (1956, führt über „Die Beschaffenheit solcher Tage, ( Roman, 1972) und „Zugelassen im Leben“ (Gedichte, 1999) zu „Achtsam sein – Walter Helmut Fritz – Gesamtwerk“, das im September im Verlag Hoffmann und Campe erscheint (99 Euro, drei Bände) zum 80. Geburtstag des Autors am 26. August 2009.

 

 

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Weiterführend →

Einen Essay von Theo Breuer zum 80. Geburtstag am 26. August 2009 von Walter Helmut Fritz lesen Sie hier. – Ein Porträt von Peter Ettl und der Edition Silver Horse finden Sie hier. – Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.