Monat: Dezember 2015

auf ein neues

  die sekunde springt über die datumsgrenze   macht uns zu anfängern in sachen zukunft   eingebettet in ein gestern ein damals das uns begleitet   denken wir das morgen neu das uns blüht   noch ist was kommt versprechen…

Der grüne Laubenpieper Ralph gründet
 die Ökozelle Fatagana

  Seit Heinrich Böllerjahn von grünen Aktivisten nach Prüfung möglicher Gewinnbilanzen als Fahnenträger links von Gutmensch-Fonds und mitte links von Hedge-Fonds aufgeboten wurde, gab es im Bremer Westen, links und rechts der Ochtum die Laubenkolonie „Zum blauen Fuchs“, ein Zweig…

schatten

  lieg ich allein am offnen fenster in der nacht vergehn die stunden samen gleich die nicht befruchten bleibt unberührt mein schatten der verschorfte pfeil  im fleisch verliert sich das leben geh ich ins freie am morgen zerfällt er zu…

Böhmische Nachkriegsgeschichte

  Hinter dem lapidaren Titel des autobiographisch verbürgten Berichts des tschechischen Schriftstellers und Bürgerrechtlers František Šedivý (Jg. 1927) verbirgt sich eines der schrecklichsten Kapitel der böhmischen Nachkriegsgeschichte: die Produktion von Uranerz für die nach 1945 in der Sowjetunion einsetzende Herstellung…

Fünfzigtausend Anschläge

Ein Schwarzbuch ist eine Sammlung von Negativbeispielen aus der Sicht des Autors oder Herausgebers, die in Buchform veröffentlicht wird („Schmutzbuch“). Quelle: Wikipedia Nachdem das Jahrbuch der Lyrik 2015 für Furore gesorgt hatte, vor allem deshalb, weil „sich so gut wie kein politisches, zumindest gesellschaftskritisches Gedicht…

Erfahrungsseelenkunde

  der Ankunft eines Blicks hinter hertræumen & darauf warten bis… die Gedanken entzuengelt sind: Vitalitæt entlæd sich in Schueben   als Seismograf der Verænderung am Vermessungspunkt des Lebens den Nullpunkt der Existenz erfoschen = den Stoffwechsel von Fiktion &…

Der Panther

im Jardin des Plantes, Paris   Sein Blick ist vom Vorübergehn der Stäbe so müd geworden, daß er nichts mehr hält. Ihm ist, als ob es tausend Stäbe gäbe und hinter tausend Stäben keine Welt.   Der weiche Gang geschmeidig…

Weihnachten

  Und wieder nun läßt aus dem Dunkeln die Weihnacht ihre Sterne funkeln! Die Engel im Himmel hört man sich küssen und die ganze Welt riecht nach Pfeffernüssen …   So heimlich war es die letzten Wochen, die Häuser nach…

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  als wär jedes licht am rande der straße ein brief den die liebe der großmutter mir schrieb: neig dich beug dich   als wär jede wolke jede ermattung der füße auf zu langen reise programmen ein ruf aus dem…

Crossmedia

Vorbemerkung der Redaktion: Für die in Österreich erscheinende Zeitschrift Autorensolidarität machte Dieter Scherr ein Interview mit Sophie Reyer. Im Vorjahr erschien Wortspielhalle, eine Gemeinschaftsarbeit mit dem Düsseldorfer Schriftsteller A.J. Weigoni, wie kam es dazu? Reyer: Aufgrund meines Filmstudiums an der…

Zeit der Kettenhunde

Vorbemerkung der Redaktion: Daß ausgerechnet der unkomplizierteste Zugang zur Viefalt der Lyrik in Verruf geraten ist, ärgert Axel Kutsch, einen der leidenschaftlichsten Herausgeber: Rezensionen von Lyrik-Anthologien findet man eher selten in den Medien – und wenn doch, dann kommt es…

hautstille | im gegenlicht

für Friederike Mayröcker 2014 regenschirme treiben vorbei das leben zahlt sich aus tage wabern im sommerlicht wie algenteppiche oder wasserlinsen im mäander auf einem berg stand ich am parnass sagen wir besser an einem abhang und stürzte in ein thrakisches…

Zum Geleit

Vorbemerkung der Redaktion: Zum näheren Verständnis zu den Gedichten aus der Zeit der Tang-Dynastie baten wir den Übersetzer Ulrich Bergmann um eine Vertiefung: Was verbindet die ausgewählten Gedichte aus dem 7. – 10. Jahrhundert (Tang-Dynastie) und dem turbulenten 20. Jahrhundert?…

Ichzerlegung eines Wesensfallenstellers

  auf der Suche nach einer Biologie des Geistes in die Wesenseinheitsfalle geraten > in vor gefertigte Identitætskæstchen abgelegt werden & sich als eine von sieben Milliarden identischen biochemischen Maschinen erkennen   metaphysische Innenræume erkunden im Binnenraum der Sprache auf…

Sonette – XII

  Einst wird von dem Gedenken und Vergessen Nichts bleiben als ein Lied an seiner Wiege Das nichts verriete und das nichts verschwiege Wortloses Lied das Worte nicht ermessen   Ein Lied das aus dem Grund der Seele stiege Wie…

Who is who / is who or what

  nach Kai Pohl   Leninallee heißt jetzt Landsberger Dimitroff heißt jetzt Danziger Wilhelh-Pieck- heißt jetzt Torstraße Joan Baez heißt jetzt Kultur- und Schankwirtschaft BAIZ Burger King heißt jetzt Kaffee Burger Klum heißt jetzt Samuel Feldbusch heißt jetzt Pooth Po…

Baracke, nebenan Feierabend

  Wenn es begann, waren wir vollzählig. Die Erzählungen über frühere Arbeitspausen zu Arbeitsbeginn schlugen immer wie Granaten ein. Die Frühstückspausen revolutionierten Gefahr, die Mittagspausen griffen realistisch an, die Kaffeepausen am Nachmittag bombten alles Leben aus. Sieh mich an, Lebenswille,…

Die Mitte und kein Ende

In Dichterkreisen wird gestritten, und es kursieren Positionen um die Frage: Wie hat ein Gedicht zu sein? Sie bewegen sich zwischen Verrätselung und Hermetik auf der einen Seite und zugänglichen Formen und Inhalten auf der anderen. Während die einen die…

Die Macht am Rhein

    restlos bunt flach graugeflutet kieselsteinwurftakt herzlaufzeit eile weg sommerweiße dampfer schieben bilder vor sich her die möwe schreibt ins blau basaltglanz im fell der katze die junge jahresfahnen sich nach süden strecken sieht sonnenrebengoldenes entsetzen blüht hangaufwärts und…

Landschaft, Winter

  Der Schnee, die unsichtbaren Wege. Der Stand der Eichen gibt die Richtung an, in die wir gehn. Aus ihrer Borke sehn uns tausende Gesichter nach und auf dem Hügel stehn die Birken wie Odins tote Krieger.   Die Nachrichten…

Öffentliche Beziehungen

Vorbemerkung der Redaktion: Unter „Kunst im öffentlichen Raum“ verstand man früher das Reiter- oder Kriegerdenkmal, Sklupturales oder Brunnen. Seit den nuller Jahren ist eine veränderte Wahrnehmung bekannt scheinender urbaner Kontexte zu beobachten. Im 21. Jahrhundert nennen Künstler ihre Werke „Interventionen“. Diese…

Poetische Performance

Awch behelt daz gemell dy gestalt der menschen nach irem steben. Albrecht Dürer  A.J. Weigoni erinnert mit seiner dichten Lockenmähne nicht nur an einen attraktiv gealterten Rockstar, das selbstironisch verwendete Vor-Bild findet sich auf einem Gemälde, Albrecht Dürers Selbstbildnis im…

Der Sprache aufs Maul schauen

Zähes Schreiben nährt den Geist. A.J. Weigoni belohnt seine Leser mit Erkenntnisgewinn. Mischa Kuball VerDichtung bedeutet für A.J. Weigoni ersetzen, tauschen, überschreiben, eskamotieren, reduzieren, übersetzen, selbst vom Deutschen ins Deutsche. Es ist eine unablässige Durchdringung von Sprachspiel und Gedankengang; eine…

Die 53. Woche

  1976, als Traian Pop Traian in Temeswar Gedichte wie „Der letzte Schnee“ verfasste, notierte ich in mein Tagebuch, wie ich das Fahrrad geflickt hatte, um mit den Nachbarskindern um die Wette zu fahren. Dass es Rumänien gab und wo…

O.T.

  canapé-kommando die spackos fahren konvoi   truschige schnappatmer keuchen tsipras doch die rettungsschwimmer sehen gut aus (neil young weiß auch nichts genaues)   das schranzenkonvolut zählt die falter in der cola lackmustest gescheitert darauf einen ouzu   –  …

Wir warten

  Wir warten die stumpfen Bahnen des künftigen Starts Wir starten von Tüchern ins Blaue   Wir landen an Rändern von Zonen, das spart die Gebühren zur Pflege der Ahnen.   Wir warten. Schon ist unser Meister in Sicht, er…

Zitat

  Als Zitat gesehen über die Zeit eines Lebens verliert jenes seinen Sinn die Sinnlichkeit des Augenblicks   Als Zitat gelebt über die Zeit eines Augenblicks verliert dieser seinen Schrecken Sinnlichkeit des Erlebens     *** Das Mittelmaß der Welt,…

Der lüfte schaukeln wie von neuen dingen

  Der lüfte schaukeln wie von neuen dingen · Aus grauem himmel brechend milde feuer Und rauschen heimatwärts gewandter schwingen Entbietet mir ein neues abenteuer Du all die jahre hin mir glanz und glaube Bei dir · und wo die…

Im Winter

  Der Acker leuchtet weiß und kalt. Der Himmel ist einsam und ungeheuer. Dohlen kreisen über dem Weiher Und Jäger steigen nieder vom Wald.   Ein Schweigen in schwarzen Wipfeln wohnt. Ein Feuerschein huscht aus den Hütten. Bisweilen schellt sehr…

Modernes Antiquariat

  Zu den traurigsten Nachrichten gehörte in diesem Jahr, daß “Der große Conrady“ auf dem Ramschtisch gelandet ist.  Es ist die Mutter aller Lyrik-Anthologien, die mit dem Wessobrunner Gebet aus dem 9. Jahrhundert beginnt und mit einem Gedicht von Ann Cotten endet.…

Was muss ein Gedicht, was darf es?

ein Gedicht muss gar nichts ein Gedicht darf alles es wählt seine Form selbst, unabhängig von Jahreszeiten, Prosa und sonstigen Gewohnheiten es ist niemandem Rechenschaft schuldig, es ist kein Kredit, kein Fast-Food, keine Laune der Natur es darf sich seine…