Wünsche

 

Ich wäre gern der Hut,

aus dem man Hasen zaubert,

Tauben, deren Flattern

das Publikum betört.

Ich hätte gerne Ohren, deren Muscheln

aus den Geräusche-Räuschen, Brandungen

des Stadtverkehrs, der Stimmen

des Alltags Ohrenperlen bildeten.

Und gerne wäre ich der See, in den die Bäche

die schäumenden Geschichten ihren Jugend

hineinerzählen, und der Schwarm der Fische,

der sich im Sommer zwischen Schilf und Schatten

dem Aug der Sonne zeigt.

 

 

 

***

Frühe Gedichte 1985–2001 von Thomas Frahm. Chora-Verlag

In der Zeit, in der diese Gedichte entstanden, begann der Siegeszug des PC. Das Internet wurde zum Kommunikations- und Informationsmedium schlechthin, und mit den virtuellen Räumen verlor der bislang übliche 1 : 1 -Maßstab der Wahrnehmung seine Verbindlichkeit.
Etwas Ähnliches, nur viel Faszinierenderes lernte der Autor in Bodenkunde-Vorlesungen kennen, wo Bodenproben, fein geschliffen und unter Glas vom Elektronenmikroskop in riesiger Vergrößerung auf Diafilm aufgenommen, an Weltraumbilder erinnerten und die Vereinigung von Mikro- und Makrokosmos optisch erleben ließen.
Auf diesen Verlust eines äußeren Leitmaßstabs hat Frahm in vielen dieser Gedichte reagiert. Andere dokumentieren die Suche des werdenden Autors nach Themen, zu, und Formen, in denen er etwas zu sagen hat. Schließlich ist da noch dieses alte und mit jeder Generation doch wieder neue Phänomen Jugend, das Menschen seit jeher veranlasst hat, gegen Maß und Mäßigkeit zu rebellieren – immer euphorischer, melancholischer, alberner oder ernster als comme il faut.
So fehlt nicht nur der einheitliche Maßstab, sondern auch der gemeinsame Nenner: Der alles unter sein Joch zwingende Stil muss sich hier selber beugen …

Weiterführend → Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.