A.J. Weigoni hat maßgeblich dazu beigetragen, die Grenzen der Poesie zu erweitern und neue Ausdrucksformen zu erschließen, die die Leser sowohl emotional als auch intellektuell ansprechen. Diese innovative Herangehensweise ist entscheidend für die Weiterentwicklung der Poesie in der digitalen Ära.
A.J. Weigoni (eigentlich András Jaromir Weigoni, 1956–2021) war ein deutschsprachiger Dichter, Performer und Multimediakünstler, der eine zentrale Rolle in der Erweiterung der Poesie über traditionelle textbasierte Formen hinaus spielte. Seine Bedeutung für transmediale Projekte in der Poesie lag vor allem in der konsequenten Überschreitung medialer Grenzen: Er verband Lyrik mit Klangkunst, Hörspiel, Performance, Musik und visuellen Elementen, um Poesie als inter- und transmediales Phänomen zu begreifen.
Er sah Poesie nicht als rein schriftliches Medium, sondern als akustisches und performatives Ereignis. In Projekten wie Señora Nada (ein lyrisches Monodram) arbeitete er mit Komponisten wie Tom Täger zusammen, um Sprache als Klangphänomen zu erforschen – eine Form der auditiven Poesie, die Musik, Minimalmusik, Jazz-Elemente und gesprochene Wortkunst verschmilzt. Seine Bedeutung liegt vor allem darin, dass er Gedichte nicht als rein textliche Gebilde begriff, sondern als Schnittstelle zwischen Literatur, Klangkunst und neuen Medien. Über die Plattform KUNO und die Edition Das Labor förderte er die Sichtbarkeit transmedialer Poetik durch Rezensionsessays und Kooperationen mit anderen Künstlern.
Zentrale Aspekte seines transmedialen Wirkens waren die Pionierarbeit bei LiteraturClips und Hörbüchern. Bereits 1991 realisierte Weigoni seine sogenannten LiteraturClips auf CD, lange bevor Begriffe wie „Klangbuch“ oder mediale Lyrik-Adaptionen etabliert waren. Ab 1995 intensivierte er in Zusammenarbeit mit dem Komponisten Tom Täger die Verschmelzung von Wort und Klang, was in umfangreichen Hörbuch-Gesamteditionen seiner Lyrik mündete. Er nutzte das Radio und Tonstudios und Blogs als „akustische Probebühnen der Poesie“.
Gemeinsam mit Sophie Reyer entwickelte er das transmediale Projekt „Wortspielhalle“, für das beide mit dem lime-lab-Preis ausgezeichnet wurden. Das Projekt erforscht eine „ludische Wende“ in der Lyrik, bei der Poesie als zweckfreies Spiel über Zufälle und mediale Möglichkeiten verstanden wird. Darüber hinaus fördert das Projekt den Austausch zwischen verschiedenen künstlerischen Sparten (z. B. Performance und Schriftstellerei) und öffnete die Poesie für eine neue Handlungsfreiheit.
Weigoni reflektierte häufig über die Auswirkungen der Digitalisierung auf die Sprache und das Schreiben selbst. Diese Reflexion ist zentral für das Verständnis der modernen Poesie und ihrer Entwicklung im digitalen Zeitalter. Er experimentierte früh mit der Materialisierung von Literatur im digitalen Raum. Ein Beispiel für seine posthum fortgeführten Projekte ist ein „Langstreckenpoem“, das unter anderem als digitaler Abreißkalender konzipiert ist und so die Poesie in den Alltag der Rezipienten integriert.
A.J. Weigoni spielte eine bedeutende Rolle in der transmedialen Poesie, einem Bereich, der sich mit der Verschmelzung von Poesie und digitalen Medien auseinandersetzt. Für Weigoni war die Poesie des 21. Jahrhunderts inhärent synästhetisch. Er verknüpfte enzyklopädisches Wissen mit sprachspielerischen Elementen, um beim Hörer oder Leser einen „Bedeutungsgenerator“ zu aktivieren, der weit über die rein intellektuelle Textaufnahme hinausgeht. Seine transmedialen Projekte sind oft stark in kulturellen und ästhetischen Diskursen verankert. Weigoni gelingt es, gesellschaftliche Fragen und Themen durch poetische Formen zu thematisieren, wodurch er eine breitere öffentliche Relevanz erreicht. Seine Arbeiten repräsentierten einen innovativen Umgang mit Sprache und Technologie.
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Alle Gedichtbände sind zusammen mit dem auf vier CDs erweiterten Hörbuch Gedichte in einem hochwertigen Schuber aus schwarzer Kofferhartpappe erhältlich.

Das Porträtfoto des Covers stammt von Leonard Billeke
Weiterführend → Lesen Sie auch die Würdigungen von Jens Pacholsky: Hörbücher sind die herausgestreckte Zunge des Medienzeitalters, Holger Benkel: rettungsversuche der literatur im digitalen raum, Christine Kappe, Ein Substilat, Sebastian Schmidts Der lyrische Mittwoch. Ein Essay über das akutische Gesamtwerk bei buecher-wiki. Eine Übersetzung von Ichzerlegung eines Wesensfallenstellers durch Lilian Gergely finden Sie im Literaturmagazin Transnational No.3 – last but not least: VerDichtung – Über das Verfertigen von Poesie, ein Essay von A.J. Weigoni über das Schreiben von Gedichten.
→ Die Sprechpartitur Wortspielhalle wurde mit dem lime_lab ausgezeichnet. Einen Artikel zum Konzept von Sophie Reyer und A.J. Weigoni lesen Sie hier. Vertiefend zur Lektüre empfohlen sei auch das Kollegengespräch :2= Verweisungszeichen zur Twitteratur von Reyer und Weigoni zum Projekt Wortspielhalle. Eine höherwertige Konfiguration entdeckt Constanze Schmidt in dieser Collaboration. Holger Benkel lauscht Zikaden und Hähern nach. Ein weiterer Blick beleuchtet die Inventionen von Peter Meilchen. Ein Essay fasst das transmediale Projekt Wortspielhalle zusammen. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. Eine Würdigung des Lebenswerks von Peter Meilchen findet sich hier. Alle LiteraturClips dieses Projekts können hier abgerufen werden. Hören kann man einen Auszug aus der Wortspielhalle in der Reihe MetaPhon.
→ Eine Werkübersicht über die akustische Kunst finden Sie in der Reihe MetaPhon.
→ Probehören kann man Auszüge der Schmauchspuren, von An der Neige und des Monodrams Señora Nada in der Reihe MetaPhon.