Das Hungertuch für Tom Täger

Tom Täger erhält in Anerkennung seines Lebenswerks das Hungertuch für Musik 2001

Seit 1981 ist Tom Täger an Produktionen mit ‚Comalounge‘, ‚Die Regierung‘, ‚His Girl Friday‘, ‚Die Sterne‘, ‚MissFits‘, Combos aus der Weltmusik, Life–Mixen für Musicals an der Folkwangschule Essen und anderen beteiligt. Mit großer Kompetenz und menschlicher Wärme betreut Tom Täger “Behinderte und Bekloppte” sowie exzentrische Künstlerpersönlichkeiten.

1989 erscheint Helge Schneiders allererste Schallplatte Seine größten Erfolge. Produziert von Helge Schneider und Tom Täger im Tonstudio/Ruhr.

Nach der Produktion von Helge Schneiders Hörspielen folgten Hörbuchproduktionen mit dem Minnesänger Ludmillus, der seit 1994 die Herzen seines Publikums mit mittelalterlicher Musik und galanter Unterhaltung erfreut. Der neuzeitliche Barde reist mit seiner Cister “Nelly” und drei Hörbüchern im Gepäck durch die Lande. In der Tradition von Walther von der Vogelweide singt Ludmillus Lieder der gleichberechtigten Liebe oder schildert erotische Erlebnisse. Im Frauenlied wiederum wird der Minnedienst aus der Sicht der angebeteten Frau betrachtet. Sie nimmt den Minnedienst entgegen und drückt ihr Bedauern aus, dass sie ihn – natürlich – zurückweisen muss. Ludmillus ist Haus– und Hofbarde aus dem “Lager der Spiel– und Handwerksleut’” des renommierten Mittelalterveranstalters “Kramer, Zunft und Kurzweil”. Ludmillus spielt auf Burg– und Schlossfesten, sowie historischen Stadtfesten im ganzen Land und seit Anno Domini 1999 gehört er zur erlesenen Schar jener, die jährlich zum Bardentreffen auf die Marksburg eingeladen werden. Diese Auftritte wurden von Täger mit dem Hörbuch »Live« eindrucksvoll dokumentiert.

Tonstudio an der Ruhr, historische Aufnahme – Das Urheberrecht für dieses Photo liegt Andreas Mangen.

Täger hat ein Faible für Trivialmythen, ihn faszinieren die technischen Entwicklungen der elektronischen Medien. Seine vielgestaltige Arbeit als Musiker und Produzent im Tonstudio an der Ruhr läßt sich exemplarisch an der Produktion RaumbredouilleReplica darstellen. „Was heute noch wie ein Märchen klingt…“ – so haben sich die Deutschen in den 60–er Jahren des 20. Jahrhunderts die Zukunft vorgestellt, als militärischen Staat, in dem die Akteure in einem Rhythmus reden, der sich als Vorläufer des Raps hören lässt: „Es gibt keine Nationalstaaten mehr, es gibt nur noch die Menschheit und ihre Kolonien.“

Die RaumbredouilleReplica berücksichtigt die Anforderung des klassischen Science–Fictions (Bedrohung der Planeten, Rettung desselbigen) und ergänzt sie um Chiffren der Popkultur. Was für das „Raumschiff Enterprise“ die Klingonen, waren ‘die Frogs’ für „Raumpatrouille Orion“, der deutschen Science–Fiction–Serie mit Kultstatus und Heimwerkerappeal: Bügeleisen dienten dem hochtechnisierten Raumschiff als Schaltgeräte, und brennende Tennisbälle flogen durch die wolkenlose Weite des Himmels.
Die neu aufbereitete Tonspur dieses Straßenfegers hält ein weiteres ungeahntes Abenteuer bereit. Wie meinte Dietmar Schönherr nach bestandenem Abenteuer: „Rücksturz zur Erde“. Bei der Hörspielcollage RaumbredouilleReplica geht es in einer Invasion der Geistesgegenwart um alles: Die Bedrohung der Erde. Einen gesteuerten Schnellläufer. Eine Invasion und natürlich: Die Rettung der Erde. Selbstverständlich mit einem Humor, der Lichtjahre von der Spaß– und Eventkultur dieser Tage entfernt ist.

Tom Täger ist es gelungen, dem Genre Schundliteratur eine ästhetische Dimension abzugewinnen, er gibt so der Sprache der Straße im 21. Jahrhundert eine künstlerische Form. Dafür wird er mit dem Künstlerpreis „Das Hungertuch“ ausgezeichnet.

Kunstraum Düsseldorf, Dezember 2001

 

 

 

Weiterführend → 

Im Jahr 2001 wurde mit dem Hungertuch vom rheinischen Kunstförderer Ulrich Peters ein Künstlerpreis gestiftet, der in den Jahren seines Bestehens von Künstlern an Künstler verliehen wird. Es gibt im Leben unterschiedliche Formen von Erfolg. Zum einen gibt es die Auszeichnung durch Preise und Stipendien, zum anderen die Anerkennung durch die Kolleginnen und Kollegen. Letzteres manifestiert sich in diesem Künstlerpreis.

Die Dokumentation des Hungertuchpreises ist in der erweiterten Taschenbuchausgabe erschienen:  Twitteratur, Genese einer Literaturgattung. Herausgegeben von Matthias Hagedorn, Edition Das Labor 2019.

Weiterführend → ein Essay über die neue Literaturgattung Twitteratur. Und ein Recap des Hungertuchpreises. Eine Liste der bisherigen Preisträger finden Sie hier.