Die Entdeckung Afrikas

 

 

Die Entdeckung Afrikas war in der Sonne,

Als ich noch zu jung war, sie

Lag nackt auf dem Schnee des Kilimandscharos.

Die spiegelte sich im Nil, während

Ein Krokodil träge in das graue Wasser

Des Fotos starrte.

Sie war ein Mythos so groß wie die Haut.

 

In der Palme die Äffchen.

In der Kokosnuß die Milch.

Äquator.

 

Die Gieraffee im Sanella-Sammelalbum in

Verwaschenen, stumpfen Farben,

Die Fant Eie,

Die Fee Af,

 

Waren da nicht auch noch ein paar

Buschmänner mit Pfeilen und Bogen, mit

Langen Messern? Und

Wilde Frauen mit kaum Haar und sehr großen

Ohrringen und Fallbrüsten und einer

Schnur um den Bauch, an den sich

Winzige Babys klammerten?

 

Ich glaube, es war das Weiße auf dem Berg und

In den Augen und auf der Landkarte,

In dessen undurchdringlicher Mitte sich

Dr. Livingstone mit wem auch immer zufällig

Traf,

Irgendeine Quelle und Liane

Das Mädchen aus dem Urwald, das ein Bananen-

Röckchen trug mit nichts als Josephine

Baker darunter.

 

Irgendwann kam dann der Kongo dran.

Die Elfenbeinküste lag links.

Weit gegenüber eine Pyramide und ein Kamel,

Vermutlich trank es Wasser aus einem

Schlammigen Timbuktu-Karnevals-Tümpel,

Während nachts in Lambarene Albert Schweitzer

Vor seiner Orgel saß und nicht schlief

Aus Sorge um seine schwarzen Kinder.

Die Buren hatte ich schon fast vergessen.

Aber dass Sahara mit langem a in der Mitte

In Wirklichkeit Köfferchen heißt, nicht.

Eine Zeitlang habe ich versucht,

Sahara richtig zu betonen, mit kurzem ersten a,

Als hätte man keine Halsentzündung dem

Kinderarzt zu verheimlichen,

Aber der Nachrichtensprecher im Fernsehen

War dagegen.

 

Was also kann ein armer Junge dann anderes tun,

Als abwechselnd Sklave und Sklavenhändler

Zu spielen? Die Entdeckung

Afrikas lag irgendwann in der Zukunft,

Ich wüßte nicht, wer sie einholen könnte,

Wenn nicht jemand, der aussieht wie

Ananas.

 

 

 

***

Aus: Hadayatullah Hübsch: Eurobeat. Gedichte. Hannover: edition roadhouse, 2004

Der Urvater des Social-Beat. Hadayatullah Hübsch. Photo: Masroor-ahmad

Hübschs literarische Laufbahn begann mit einer Veröffentlichung in der von Peter Rühmkorf herausgegebenen, viel beachteten Sammlung Primanerlyrik – Primanerprosa. 1969 veröffentlichte Hübsch seinen ersten Gedichtband Mach was du willst bei Luchterhand. Der ebenfalls bei Luchterhand veröffentlichte spätere Literaturnobelpreisträger Günter Grass prophezeite Hübsch daraufhin eine große Karriere als Lyriker; Hübsch bevorzugte es jedoch, Undergroundpoet jenseits der „Hauptstraßen“ zu bleiben.

Hübschs Lyrik war inspiriert von experimenteller Literatur, dem Dadaismus und expressionistischer Lyrik. Später haben ihn die Beatliteraten geprägt, vor allem Allen Ginsberg, William S. Burroughs und Jack Kerouac. Nach seiner Konversion zum Islam war seine Lyrik zusätzlich von der mystischen Poesie Persiens, von Hafis, Rumi und Sadi beeinflusst.

Hübsch war ein „Spoken-Word-Dichter“, der die literarische Strömung des deutschen Poetry Slam mitbegründete und Namensvater des ersten Social-Beat Festivals in Berlin war. Er gilt als „Urgestein“ und „Legende“ der Social-Beat-Szene und der „Lyrik Performance“. Er war deutschlandweit unterwegs auf Lesetouren und förderte junge Nachwuchsliteraten. 1996 wurde er zum „Deutschen Literatur-Meister“ beim internationalen Poetry Slam gewählt.

Weiterführend →

Zu den Gründungsmythen der alten BRD gehört die Nonkonformistische Literatur, lesen Sie dazu auch ein Porträt von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins. Kaum jemand hat die Lückenhaftigkeit des Underground so konzequent erzählt wie Ní Gudix und ihre Kritik an der literarischen Alternative ist berechtigt. Ein Porträt von Ní Gudix findet sich hier (und als Leseprobe ihren Hausaffentango). Lesen Sie auch die Erinnerungen an den Bottroper Literaturrocker von Werner Streletz und den Nachruf von Bruno Runzheimer. Zum 100. Geburtstag von Charles Bukowski, eine Doppelbesprechung von Hartmuth Malornys Ruhrgebietsroman Die schwarze Ledertasche. 1989 erscheint Helge Schneiders allererste Schallplatte Seine größten Erfolge, produziert von Helge Schneider und Tom Täger im Tonstudio/Ruhr. Lesen Sie auch das Porträt der einzigartigen Proletendiva aus dem Ruhrgebeat auf KUNO. In einem Kollegengespräch mit Barbara Ester dekonstruiert A.J. Weigoni die Ruhrgebietsromantik. Mit Kersten Flenter und Michael Schönauer gehörte Tom de Toys zum Dreigestirn des deutschen Poetry Slam. Einen Nachruf von Theo Breuer auf den Urvater des Social-Beat finden Sie hier – Sowie selbstverständlich his Masters voice. Und Dr. Stahls kaltgenaue Analyse. – Constanze Schmidt beschreibt den Weg von Proust zu Pulp. Ebenso eindrücklich empfohlen sei Heiner Links Vorwort zum Band Trash-Piloten. Inzwischen hat sich Trash andere Kunstformen erobert, dazu die Aufmerksamkeit einer geneigten Kulturkritik. In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen, der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Die KUNO-Redaktion bat A.J. Weigoni um einen Text mit Bezug auf die Mainzer Minpressenmesse (MMPM) und er kramte eine Realsatire aus dem Jahr 1993 heraus, die er für den Mainzer Verleger Jens Neumann geschrieben hat. Jürgen Kipp über die Aufgaben des Mainzer Minipressen-Archives. Ein würdiger Abschluß gelingt Boris Kerenski mit Stimmen aus dem popliterarischen Untergrund.