Raumgreifende Spracherkundung

Wer gelernt hat, den Zeichen zu misstrauen, dem bleiben zwei Optionen. Entweder legt man es darauf an, unter dem Schein der Oberfläche die eigentlichen ökonomischen, politischen oder sexuellen Triebkräfte zu enthüllen, oder man versucht, in der Wirklichkeit einem letztlich undurchdringlichen, nicht reproduzierbaren Realen zu begegnen, das sich dann aber nur poetisch beschreiben lässt.

Helmut Lethen

In der Wortspielhalle existieren keine Verhaltenslehren der Kälte. Hier gibt es zwischen den Zeilen eine literarische Metaebenenlust, die sich durch eine Geistesverwandtschaft auf den ersten Klick kongenial ergänzt. Die Verwandlungskünstlerin Sophie Reyer textet mit dem Sprechsteller A.J. Weigoni. Man meint zwischen ihren Zeilen hören zu können, wieviel Spaß die Schriftsteller dabei hatten, dieses Projekt per elektronischem Brief zu erarbeiten. Und dieser Spaß geht nicht etwa auf Kosten der Leser, sondern transportiert sich mit ihrer Hilfe. Ein charmanter Unterhaltungswert poetischer Art.

vom homo ludens zum homo poeticus

Photo: Konstantin Reyer

In einer Welt, die von Globalisierung, Quotenabhängigkeit und Fusionen bestimmt wird, droht eine Nivellierung des Individuellen. Zu Beginn des 21. Jahrhunderts bildet die Poesie als literarische Ausdrucksform einen Gegenpol zur mentalen Versteppung und vermittelt geistige Orientierung. Die lyrische Kompression von Reyer und Weigoni zur Twitteratur bietet die Möglichkeit, sich die Kodierungen der Nachrichten– und Informationskanäle, der Bild–, Ton– und Filmarchive in intensiver Textausdeutung zu erschliessen. Dies Schriftsteller passen den vorherrschenden Literaturbegriff einer veränderten Wirklichkeit an. Die Wortspielhalle ist ein atmender Beweis für die Grenzen von Authentizität, Utopie, Originalität und Copy/Paste. Das merkt man diesem Projekt an, das mit abendländischen Vorstellungen von Literatur spielt, ebenso wie diese Texte einer Hyperkultur unterworfen sind. Mit dem bürgerlichen Fundament ist dem Literaturbetrieb die Übersicht über die darzustellende Wirklichkeit abhanden gekommen. Diese LiteraturClips sind verschachtelt, von Tempo– und Harmoniewechseln durchzogen, daß beim Lesen keine Langeweile aufkommt. Man meint zwischen den Zeilen spektakuläre Dynamiksprünge, plötzliche Schnitte und abrupte Atmosphärenwechsel, wie sie die Musique concrète häufig prägen, zu hören. Es ist eine vitale Form der Sprache. Wo sonst kann das ABC freier sprechen?

Verwandlungskünstlerin trifft auf Sprechsteller

Auf einer Meta–Ebene ist diese Wortspielhalle auch eine Erinnerung an ein Lesen, welches das Leben von Sophie Reyer und A.J. Weigoni verwandelte, man lese dazu das aufschlußreiche Kollegengespräch zwischen der Verwandlungskünstlerin und dem Sprechsteller auf diesem Online-Magazin. Wie in dem früher schon publizierten Gespräch zum Thema Performance erkunden die Autoren präzise das Geheimnis künstlerisch reflektierter Spontaneität. Es ist aufschlussreich für dieses artistische, hoch reflektierte Stück Literatur. Jede zweite Lektüre ist eine Widerbegegnung mit dem Text und mit dem, der man gewesen ist, der man wohl nie aufgehört hat zu sein. Kein Bildhauer kann wie Michelangelo meißeln, kein Maler wie Vermeer malen, keine Dramatikerin wie Ilse Aichinger dichten. Reyer und Weigoni erschaffen lediglich eine Wirklichkeit durch die Deutung der Realität, die uns Leser umfängt. Literarisches Werk und Biografie werden aufeinander bezogen, daß Eine aus dem Anderen erklärt.

Rebellion gegen Austriazismen

Die Wienerin Sophie Reyer hält nicht ostentativ an ihrer Sprachfärbung fest, ihr Schmäh hat keine Sanftheit behalten, sondern eine polemische Schärfe gewonnen, die man dieser zierlichen Frau nicht zutraut. Diese sprachmächtige Autorin wird umso bissiger, je lyrischer sie textet. Hier findet keine experimentelle Textzertrümmerung statt, diese Poesie spiegelt eine fragmentarische Gesellschaft, diese Autoren öffnen den Blick auf die Gegenwart. Nicht nur die Literatur bedarf der Befreiung durch den Sprachwitz, mehr noch der Leser. Und manchmal steckt eine solche Subversion in einem Diminutiv, gelegentlich in einem dialektalen Wispern.

Der drängende Wille zum Tun, die schöne Lust am Spiel

Photo: Leonard Billeke

Weit davon entfernt sich von ihrem Charme abwatschen zu lassen, setzt der ungarisch rheinische VerDichter A.J. Weigoni auf Snobismus, analytische Tiefe und der Verfolgerung der etymologischen Spuren. Wie seiner Mitverschwörerin geht es ihm darum die Monumentalität der Musik in Poesie einzuschmelzen, ohne Ehrfurcht und mit spielerischer Leichtigkeit. Die Aufmerksamkeitsspanne, die Weigoni seinem Gegenüber und dem Leser abfordert, ist von enormer Gewitztheit. Er ist erfrischend die sprunghaft–assoziativen Verknüpfungen anstelle formaler und inhaltlicher Geschlossenheit und die Selbstreflexivität zu lesen, in der ständig das Erzählen und die Sprache als dessen Medium selbst zum Thema werden. Sein Eindampfen stellt in jedem Fall eine VerDichtung war.

Die Aneinanderreihung von LiteraturClips wirkt wie ein Kommentar zur Rezeption der Poesie im Zeitalter der digitalen Fotografie und lädt dagegen zum Verweilen ein.

Gerade das Spannungsverhältnis zwischen objektiven Fakten und subjektiver Interpretation ist es, was diese Twitteratur zu einem spannenden Vermittler von Information und Geschichte macht – besonders wenn sie, statt die Ambivalenzen hinter der Strenge eines Sonnets zu verstecken, diese in den Vordergrund rückt. In diesem Bewußtseinsstrom werden in ungeordneter Folge Bewusstseinsinhalte einer oder mehrerer Figuren wiedergeben. Hinter den zahllosen Verflechtungen der verarbeiteten Stoffe und Stile, hinter den weitgespannten Verweisen zwischen den Zeilen, stößt der kundige Leser auf die Vieldeutigkeit menschlicher Existenz, auf Unberechenbarkeit sowie auf die Unmöglichkeit, klare ethische Richtlinien festzulegen, aber eben auch auf die Mahnung, sich gleichwohl eine ethisch/moralischee Ordnung zu geben.

Reyer und Weigoni sind letztendlich auch Menschen, die lesen, sie sind – wie wir alle – Leser ihrer selbst.

Das Subtile an dem Projekt Wortspielhalle ist, daß die Texte von Sophie Reyer und A.J. Weigoni in beide Richtungen verweisen: Vor und zurück. Im Prozeß der Selbstorganisation haben diese Autoren eine höhere strukturelle Ordnungen erreicht, ohne dass erkennbare äußere steuernde Elemente vorliegen. In einer Parallelaktion rufen die Komponistin und der Sprechsteller ein k.u.k. in Erinnerung, daß sie als ‚Kunst und Klang’ sinnfällig dekonstruieren. Das Geheimnis dieser Twitteratur liegt in der Mischung aus Vollkommenheit und Unvollkommenheit, in der Fähigkeit dieser Schriftsteller unter der Oberfläche das menschliche Drama, den ungeschönten Ausdruck zu entdecken. Reyer und Weigoni präsentieren in ihrer Wortspielhalle eine Literatur als Gegenprogramm zu Alltag und Banalität. Hier findet keine experimentelle Textzertrümmerung statt, diese Poesie spiegelt eine fragmentarische Gesellschaft, die Komponistin und der Hörspieler öffnen mit ludischem Innovationsverhalten den Blick auf die Gegenwart.

Der Mensch spielt nur, wo er in voller Bedeutung des Worts Mensch ist, und er ist nur da ganz Mensch, wo er spielt.

Friedrich von Schiller

Dieses Buch / Katalog-Projekt ist von einer paradox ernsten Unernsthaftigkeit. Auf einer Metaebene geht es diesen Autoren um das eigene Lesen und Schreiben, ein Sich-Einschreiben des lyrischen Ichs, denn auch in den digitalisierten Lebensabläufen bliebt das Sprachspiel eine menschliche Leistung, die allein in der Lage ist, die Ganzheitlichkeit der menschlichen Fähigkeiten hervorzubringen. Nicht nur die Literatur bedarf der Befreiung durch den Sprachwitz, mehr noch der Leser. Und manchmal steckt eine solche Subversion in einem Diminutiv, gelegentlich in einem dialektalen Wispern. Die ‚Twitteratur‘ von Reyer und Weigoni ist von Tempo- und Harmoniewechseln durchzogen, daß beim Lesen keine Langeweile aufkommt. Ähnlich wie Friedrich Schiller halten die Komponistin und der Sprechsteller eine Rückbesinnung auf das Poetische und Spielerische für erstrebenswert, um entgegen den allgegenwärtigen Zwängen einen Freiraum für eine menschliche Betätigung nach selbst gewählten Regeln und um ihrer selbst willen zu schaffen. Es ist in der Wortspielhalle eine vitale Form der Literatur entstanden, die der Sprache auf die Finger schaut, sie zugleich ihrem eigenen Gefälle überläßt und damit entfesselt.

 Die Einzigartigkeit des Kunstwerks ist identisch mit seinem Eingebettetsein in den Zusammenhang der Tradition.

Walter Benjamin

Marion Haberstroh

Die Wortspielhalle ist geprägt von Weite, Spielfreude und existenzieller Wucht. Die Dringlichkeit der Sprachfindung schwingt in diesem Projekt mit, man sollte diese Texte im Wortsinn lesen oder sich in der Interpretation der Schauspielerin Marion Haberstroh und des Autors vor Ohren führen lassen. Spätestens hier verliert sich die auratische Distanz zum Zuhörer. Probehören kann man einen Auszug aus der Wortspielhalle in der Reihe MetaPhon. Im Sprachspiel kommt die Poesie mit der Unterstützung von Haberstroh zu sich selbst. Die Wortspielhalle ist ein Umkreisungsbuch von Textartisten. Bilder und Texte, Schnipsel und Stills wechseln sich ab, alles wirkt leichtfüßig. Das Oszillieren zwischen Prosa und Lyrik bietet ein lebendiges, ein dynamisches Zusammenspiel von Form und Inhalt. Die reiche Überfülle der mit Bildern und Reflexionen gesättigten Prosa wirkt wie eine hemmungslose, ausgelassene Verschwendung von Kraft und Ideen. Als hätten die Reyer und Weigoni zu viele davon, verschwenden sie Einfälle, Gedanken und Situationen wieder, halb nur eingelöst, nachdem sie einmal blitzartig hervorgetreten sind. Dieses Moment des Verschwenderischen ist gleichzeitig ein durchgängiges Thema dieser Poesie.

Das collagehafte Buch ist mehr als die Summe seiner Teile.

Jeder kann sein Leben komponieren wie Musik, diese Übereinstimmung der beteiligten Artisten werden mit den Inventionen von Peter Meilchen weitere Zwischentöne abgewonnen. Das Leben im 21. Jahrhundert und nicht weniger die Kunst: ein Spiel, eine Verschiebung von Signifikanten, ohne schicksalhafte Kettung an ein biografisches oder historisches Signifikat. Die Schwere der Existenz wird aufgehoben durch die Leichtigkeit der künstlerischen Interaktion. Reyer trifft als dichtende Analytikerin auf einen analytischen Verdichter. Weigonis Variante der Twitteratur läßt einen philosophischen Bildungsroman auf wenige Zeilen zusammenschnurren, während er als Erzähler auf der Suche nach dem Sinn des globalisierten Lebens ist – wie wir alle.

Peter Meilchen deutet auf den Rheinkilometer 630

Inventionen von Peter Meilchen

Die Inventionen in diesem Buch / Katalog stammen von Peter Meilchen. Weil die Grenzen der Sprache zugleich die Grenzen der Welt sind, betrifft die meisten Menschen nur die Welt der Mitteilbarkeit und ihr gemeinsames Symbolsystem, Peter Meilchens Welt hat andere Grenzen, in ihr können Bilder vorkommen, die sich selbst bedeuten. Die bildende Kunst nimmt wieder ihren Ort im Dreieck Kunst – Idee – Bild ein. Und eine Idee zu einem ganzheitlichen Bild, das unterschiedlichste Dinge vereint, zu formen, darin besteht die große Aufgabe künstlerischen Schaffens. Keineswegs ist die Welt also nur alles, was der Fall ist, der Künstler kann es so zeigen, daß sie uns auf fremde Weise vertraut vorkommt. Meilchen hinterfragte in Zusammenarbeit mit Weigoni die Widersprüche zwischen Wort und Bild, überschritt aber früh die Grenzen der Malerei, indem er Installationen, Künstlerbücher, Fotografien oder den Film Schland schuf. Er verspricht dem Betrachter eine Wirklichkeit, die jene Bildwirklichkeiten nicht mehr benötigt, in welche der Betrachter seit der Renaissance gleichsam einem Fenster hineinsieht. Ein Bild interessiert ihn nur, wenn es anders wird als das, was ich man sich vorgestellt hat. Mit Bildern ist es wie mit Wünschen: Die unerfüllten bleiben intakt, die erfüllten werden flach. Einer der Vorteile von Kunst gegenüber der Wirklichkeit ist die Hemmungslosigkeit, mit der man sie ansehen darf.

Das Durchschnittswerk des heutigen Gelehrten will wie ein Katalog gelesen sein. Wann aber wird man soweit sein, Bücher wie Kataloge zu schreiben? Ist das schlechte Innere dergestalt in das Äußere gedrungen, so entsteht ein vortreffliches Schriftwerk, in dem der Wert der Meinungen beziffert ist, ohne daß sie deswegen feilgeboten würden.

Walter Benjamin

Die Schnittstelle der Beziehung zwischen bildender Kunst, Musik und Texten hat Peter Meilchen stets interessiert. Seine künstlerische Produktion war von konzeptuellen Überlegungen getragen. In seinem Werk sehen wir Arbeiten, die stets die Grenzen von künstlerischem Objekt und Alltagsgegenstand befragen. Dies erkennt man auch an der Reihe Frühlingel, die erstmals im Kunstverein Linz ausgestellt wurde. Er greift auf bewährt analoge Mittel, wie Entwicklerflüssigkeit, Photopapier und das Mittel der Collage zurück. Jeder kann sein Leben komponieren wie Musik, diese Übereinstimmung der beteiligten Artisten werden mit den Inventionen von Peter Meilchen weitere Zwischentöne abgewonnen. Das Leben im 21. Jahrhundert und nicht weniger die Kunst: ein Spiel, eine Verschiebung von Signifikanten, ohne schicksalhafte Kettung an ein biografisches oder historisches Signifikat. Die Schwere der Existenz wird aufgehoben durch die Leichtigkeit der künstlerischen Interaktion.

Gibt es eine Wirklichkeit hinter den Bildern? Und wenn ja, gibt es einen direkten Zugang zu ihr?

Ganz neu sind diese Fragen nicht. Die Sehnsucht nach dem “unvermittelten Blick” auf die Welt, jenseits der Medien, ist so alt wie die menschliche Kultur. Doch wie der Künstler Peter Meilchen sie stellt, das macht sein Werk so wertvoll. Daß dies auch mit einer spielerischen Leichtigkeit geschehen kann, belegt die Reihe Frühlingel.

Weil die Grenzen der Sprache zugleich die Grenzen der Welt sind, betrifft die meisten Menschen nur die Welt der Mitteilbarkeit und ihr gemeinsames Symbolsystem, Meilchens Welt hat andere Grenzen, in ihr können Bilder vorkommen, die sich selbst bedeuten. Gegen die seit der Zentralperspektive eingeführten Annahme, daß Kunst denken in Bildern sei, richtete sich bereits der russische Formalist Viktor Schklowski in seinem Aufsatz Kunst als Verfahren:

Künstlerisch im engeren Sinne wollen wir nennen, was mit Hilfe besonderer Verfahren entstand, die darauf abzielen, Dinge möglichst eindeutig als Kunst wahrnehmbar werden zu lassen.

Die bildende Kunst nimmt wieder ihren Ort im Dreieck Kunst – Idee – Bild ein. Und eine Idee zu einem ganzheitlichen Bild, das unterschiedlichste Dinge vereint, zu formen, darin besteht die große Aufgabe künstlerischen Schaffens. Keineswegs ist die Welt also nur alles, was der Fall ist, der Künstler kann es so zeigen, daß sie uns auf fremde Weise vertraut vorkommt. Meilchen hinterfragte in Zusammenarbeit mit Weigoni die Widersprüche zwischen Wort und Bild, überschritt aber früh die Grenzen der Malerei, indem er Installationen, Künstlerbücher, Fotografien oder den Film Schland schuf. Meilchen wirft einen illusionsloser Blick auf das, was bleibt, er verspricht dem Betrachter eine Wirklichkeit, die jene Bildwirklichkeiten nicht mehr benötigt, in welche der Betrachter seit der Renaissance gleichsam einem Fenster hineinsieht. Ein Bild interessiert ihn nur, wenn es anders wird als das, was ich man sich vorgestellt hat. Mit Bildern ist es wie mit Wünschen: Die unerfüllten bleiben intakt, die erfüllten werden flach. Einer der Vorteile von Kunst gegenüber der Wirklichkeit ist die Hemmungslosigkeit, mit der man sie ansehen darf.

Die Schnittstelle der Beziehung zwischen bildender Kunst, Musik und hat Weigoni stets interessiert

Jeder kann sein Leben komponieren wie Musik, diese Übereinstimmung der beteiligten Artisten werden mit den Inventionen von Peter Meilchen weitere Zwischentöne abgewonnen. Das Leben im 21. Jahrhundert und nicht weniger die Kunst: ein Spiel, eine Verschiebung von Signifikanten, ohne schicksalhafte Kettung an ein biografisches oder historisches Signifikat. Die Schwere der Existenz wird aufgehoben durch die Leichtigkeit der künstlerischen Interaktion. Weigonis Variante der Twitteratur läßt einen philosophischen Bildungsroman auf wenige Zeilen zusammenschnurren, während er als Erzähler auf der Suche nach dem Sinn des globalisierten Lebens ist – wie wir alle.

Gibt es eine Wirklichkeit hinter den Bildern?

Und wenn ja, gibt es einen direkten Zugang zu ihr? Ganz neu ist die Frage nicht. Die Sehnsucht nach dem „unvermittelten Blick“ auf die Welt, jenseits der Medien, ist so alt wie die menschliche Kultur. Doch wie der Künstler Peter Meilchen sie stellt, das macht sein Werk auch nachhaltig so wertvoll. Das dies auch mit einer spielerischen Leichtigkeit geschehen kann, belegt die erstmals ausgestellte Reihe Frühlingel in Rahmen der Ausstellung 50 Jahre Krumscheid / Meilchen & Der Bogen im Kunstverein Linz.

Schland, Schland ist alles Gebilde von Menschenhand

Meilchen hinterfragte in Zusammenarbeit mit Weigoni die Widersprüche zwischen Wort und Bild, überschritt aber früh die Grenzen der Malerei, indem er Installationen, Künstlerbücher, Fotografien oder den Film Schland schuf. Seine Photos sind ein Abdruck der vom Objekt zurückgeworfenen Lichtstrahlen. Sie sind nicht bloß eine leere Behauptung, sondern enthalten Spuren von etwas, das tatsächlich einmal da war. Er verspricht dem Betrachter eine Wirklichkeit, die jene Bildwirklichkeiten nicht mehr benötigt, in welche der Betrachter seit der Renaissance gleichsam einem Fenster hineinsieht. Ein Bild interessiert ihn nur, wenn es anders wird als das, was ich man sich vorgestellt hat. Mit Bildern ist es wie mit Wünschen: Die unerfüllten bleiben intakt, die erfüllten werden flach. Einer der Vorteile von Kunst gegenüber der Wirklichkeit ist die Hemmungslosigkeit, mit der man sie ansehen darf.

 

 

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Wortspielhalle, eine Sprechpartitur von Sophie Reyer & A.J. Weigoni, mit Inventionen von Peter Meilchen, Edition Das Labor, Mülheim 2014

Cover: Frühlingel von Peter Meilchen

Weiterführend →

Das Projekt Wortspielhalle ist in der Edition Das Labor erschienen. Die Sprechpartitur wurde mit dem lime_lab ausgezeichnet. Einen Artikel zum Konzept von Sophie Reyer und A.J. Weigoni lesen Sie hier. Vertiefend zur Lektüre empfohlen sei auch das Kollegengespräch :2= Verweisungszeichen zur Twitteratur von Reyer und Weigoni zum Projekt Wortspielhalle. Eine höherwertige Konfiguration entdeckt Constanze Schmidt in dieser Colaboration. Holger Benkel lauscht Zikaden und Hähern nach. In ihrem preisgekrönten Essay Referenzuniversum geht Sophie Reyer der Frage nach, wie das Schreiben durch das schreibende Analysieren gebrochen wird. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier. Eine Würdigung des Lebenswerks von Peter Meilchen findet sich hier. Alle LiteraturClips dieses Projekts können hier abgerufen werden. Hören kann man einen Auszug aus der Wortspielhalle in der Reihe MetaPhon.