Eremitenpresse

In diesem Jahr stellt die Eremiten-Presse die Publikationstätigkeit ein. Christoph Klimkes Gedichtband Bernsteinherz ist der 602. und letzte Titel

Victor Otto Stomps begann in der Nachkriegszeit im Jahr 1949, ohne finanzielle Absicherung in Frankfurt am Main Bücher von weitgehend unbekannten Autoren zu drucken. 1954 zog er mit dem Kleinverlag nach Stierstadt im Taunus. Ab 1966 wurden Dieter Hülsmanns und Friedolin Reske (* 1936) gleichberechtigte Teilhaber. Im Jahr darauf verließ Stomps den Verlag und ging nach Berlin, wo er bereits von 1926 bis 1937 einen Kleinverlag, die Rabenpresse, geführt hatte. Hier gründete er die Neue Rabenpresse, in der neben Büchern von Fred Viebahn, Johannes Schenk und Christoph Meckel die Anthologie Anthologie als Alibi mit Texten aller in den drei Verlagen verlegten Schriftsteller sowie Holzschnitten von Günter Bruno Fuchs, Johannes Vennekamp, Arno Waldschmidt, Albert Schindehütte und Uwe Bremer erschienen.

1972 zog die Eremiten-Presse von Stierstadt nach Düsseldorf um. Im Mai 1981 starb Dieter Hülsmanns. Anfang 1983 wurde der Hamburger Artdirector Jens Olsson (* 1944) Mitinhaber. Eines der ersten von Reske und Olsson gemeinsam verlegten Bücher war Alpha Beet, eine verlegerische Bilanz mit Beiträgen von u. a. Jens Rehn, Max von der Grün, Martin Walser, Friederike Mayröcker, Ben Witter und Ilse Aichinger. Die Autoren Thomas Kling und Detlev Meyer hatten in der Eremiten-Presse ihre ersten Veröffentlichungen. Zunehmend wurden die Bücher mit Grafiken von bildenden Künstlern wie Ulrich Erben, Günther Uecker, Otmar Alt, HAP Grieshaber, Sascha Juritz, Jörg Remé, Walter Zimbrich oder Jan Schüler gestaltet. Weitere Künstler wie Bele Bachem, Bernard Schultze oder Fritz Schwegler veröffentlichten ihre eigenen Texte. 1984 verlegten Friedolin Reske und Jens Olsson Christa Reinigs Sämtliche Gedichte, die den üblichen Umfang von Eremiten-Büchern weit überschritten, deren Auflagen meist unter eintausend Exemplaren lagen.

Von den Autoren und Künstlern, die von Victor Otto Stomps bzw. der Eremiten-Presse entdeckt und verlegt wurden, erlangten mehrere große literarische Bedeutung, darunter Christa Reinig, Ernst Meister, Detlev Meyer, Wolfgang Bächler, Gabriele Wohmann, Hans Neuenfels, Thomas Kling, Cyrus Atabay, Ingrid Bachér oder Ernst Jandl. Beachtung fanden ebenfalls die von Hans Bender herausgegebene Literaturzeitschrift Konturen, ein Vorläufer der Akzente, sowie die auf Kontroversen angelegte Streit-Zeit-Schrift.

 

 

Porträt V.O. Stomps © Minipressen-Archiv

Weiterführend →

Zu den Gründungsmythen der alten BRD gehört die Nonkonformistische Literatur, lesen Sie dazu auch ein Porträt von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins. Kaum jemand hat die Lückenhaftigkeit des Underground so konzequent erzählt wie Ní Gudix und ihre Kritik an der literarischen Alternative ist berechtigt. Ein Porträt von Ní Gudix findet sich hier (und als Leseprobe ihren Hausaffentango). Lesen Sie auch die Erinnerungen an den Bottroper Literaturrocker von Werner Streletz und den Nachruf von Bruno Runzheimer. Zum 100. Geburtstag von Charles Bukowski, eine Doppelbesprechung von Hartmuth Malornys Ruhrgebietsroman Die schwarze Ledertasche. 1989 erscheint Helge Schneiders allererste Schallplatte Seine größten Erfolge, produziert von Helge Schneider und Tom Täger im Tonstudio/Ruhr. Lesen Sie auch das Porträt der einzigartigen Proletendiva aus dem Ruhrgebeat auf KUNO. In einem Kollegengespräch mit Barbara Ester dekonstruiert A.J. Weigoni die Ruhrgebietsromantik. Mit Kersten Flenter und Michael Schönauer gehörte Tom de Toys zum Dreigestirn des deutschen Poetry Slam. Einen Nachruf von Theo Breuer auf den Urvater des Social-Beat finden Sie hier – Sowie selbstverständlich his Masters voice. Und Dr. Stahls kaltgenaue Analyse. – Constanze Schmidt beschreibt den Weg von Proust zu Pulp. Ebenso eindrücklich empfohlen sei Heiner Links Vorwort zum Band Trash-Piloten. Inzwischen hat sich Trash andere Kunstformen erobert, dazu die Aufmerksamkeit einer geneigten Kulturkritik. In der Reihe Gossenhefte zeigt sich, was passiert, wenn sich literarischer Bodensatz und die Reflexionsmöglichkeiten von populärkulturellen Tugenden nahe genug kommen, der Essay Perlen des Trash stellt diese Reihe ausführlich vor. Die KUNO-Redaktion bat A.J. Weigoni um einen Text mit Bezug auf die Mainzer Minpressenmesse (MMPM) und er kramte eine Realsatire aus dem Jahr 1993 heraus, die er für den Mainzer Verleger Jens Neumann geschrieben hat. Jürgen Kipp über die Aufgaben des Mainzer Minipressen-Archives. Ein würdiger Abschluß gelingt Boris Kerenski mit Stimmen aus dem popliterarischen Untergrund.