Gibt es ein erstes Mal?

 

für Jürgen Ploog

Wumm, und der schwere, schwarze Wagen
Springt an, gleich-
Zeitig mit dem Radio, schwerer, schwarzer
Rock im Amerikanischen Soldatensender,
Schiesst die Strasse entlang wie ein Do-
Bear-V-Mann, Ploog hinter dem Steuer-
Rad wie ein Terminator, der aus dem Mond-
Gebirge rast, als gälte es, die Inter-
Zone vor der Pest des linearen Erzählens
Zu retten: wohin, mit Cut als Co-Pilot?
Dann in seinem Raum, er ass die Pell-
Kartoffeln mit Schale, Erdfrüchte mit
Quarks, die blaue Frau in ihrem Win-
Dow-Zimmer nackt, fremde Land-
Schaften quälen sich durch die vom Mino-
Taurus besetzten weissen Zeilen zwischen
Dem break thru in grey-Papier …
Wieder, dann, ein Anarcho-Schuppen mit
Gesichtslosen Gestalten in ihren
Schuppigen Windjacken, die Selbstgedrehte
Im Schnabel, Ploog suckelt am Zieh-
Garillo, auf dem Screen ein U-Film mit
Verwackelten Gedanken, die ins Wanken
Bringen die festgefügten Steine behind the
Wall of silence, Ploog schaut mit seinem
Kühn gestriegelten Hinterkopf zu,
Die Augen durchmessen das Armaturenbrett
Tollkühn fliegender Kisten, langsam
Rollt ein R aus seinem Mund, die Welt
Ist ein mit Rasierklingen zerschnittener
Film, wir beschreiben die Narben,
Und dann lacht er, bläht die Wangen auf,
Kichert wie ein Sal Paradise, als
Ich mir mit meinem Gedicht den Hintern
Abwische, is was, Doc?
Er mag es nicht, wenn ich ihn Graue
Eminenz des Deutschen Untergrunds nenne.
Als ich ihn kennenlernte, wusste ich
Nicht, dass ich ihn nicht kennenlernte.
Als Burroughs starb, brachte das ZDF
Die Fernsehmeldung, während ich
Ans Telefon stürzte, um Ploog zu informieren,
Anna war dran, dann er, und als ich
Sagte, was geschah, rief er, die Zeit nur um
Eine Sekunde verschiebend, Carl Weissner
Die Nachricht ins Nebenzimmer, three
On one string, bis zum Ende des Drahtes,
Da sitzt er, knorrig, lang wie eine Faser,
Die Worte mit Seidentüchern umwickelnd,
Bis sie kein Echo mehr haben,
Geschichten aus seinem All morsend,
Da ist kein Anfang, der nicht Ende wäre,
Gerippt wie ein eng anliegendes Nesselhemd
Die Sätze, immer wieder durch den Fleisch-
Wolf gedreht, bis sie wie Quader,
Zwischen die keine Zeitungsseite mehr passt,
Abgestürzte Momente, lost in dead space,
Dead in lost race, chemical mace,
Würgeengel, aus den Medien klaubend, was
Durch die Bilder zu Hirnmatsch geworden:
Lupe, Reinheit, Staub
Und den Funken Gespür für das,
was nicht stimmt, wenn einer anfängt vom
Krieg zu erzählen, dem Alltag der schein-
baren Wirklichkeit: Vor und zwischen
Und hinter den Fronten: Melburn, Singapoor
Honolulu, New Fork, und immer wieder Bomb-
Ay auf dem Schirm, und kryptische Aerogramme
Sendend aus Stundenhotels in Flohrida,
Bis die Koordination unentwirrbar
Bis wir so cool sindwie ein PayPsy:
You may keep your hat on

 

 

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Weiterführend →

Der Urvater des Social-Beat. Hadayatullah Hübsch. Photo: Masroor-ahmad

Zu den Gründungsmythen der alten BRD gehört die Nonkonformistische Literatur, lesen Sie dazu auch ein Porträt von V.O. Stomps. Kaum jemand hat die Lückenhaftigkeit des Underground so konzequent erzählt wie Ní Gudix und ihre Kritik an der literarischen Alternative ist berechtigt. Ein Porträt von Ní Gudix findet sich hier. Lesen Sie auch die Erinnerungen an den Bottroper Literaturrocker von Werner Streletz und den Nachruf von Bruno Runzheimer. Zum 100. Geburtstag von Charles Bukowski, eine Doppelbesprechung von Hartmuth Malornys Ruhrgebietsroman Die schwarze Ledertasche. 1989 erscheint Helge Schneiders allererste Schallplatte Seine größten Erfolge. Produziert von Helge Schneider und Tom Täger im Tonstudio/Ruhr. Lesen Sie auch das Porträt der einzigartigen Proletendiva aus dem Ruhrgebeat auf KUNO. In einem Kollegengespräch mit Barbara Ester dekonstruiert A.J. Weigoni die Ruhrgebietsromantik. Mit Kersten Flenter und Michael Schönauer gehörte Tom de Toys zum Dreigestirn des deutschen Poetry Slam. Einen Nachruf von Theo Breuer auf den Urvater des Social-Beat finden Sie hier – Sowie selbstverständlich his Masters voice. Und Dr. Stahls kaltgenaue Analyse. – Constanze Schmidt beschreibt den Weg von Proust zu Pulp. Ebenso eindrücklich empfohlen sei Heiner Links Vorwort zum Band Trash-Piloten. Die KUNO-Redaktion bat A.J. Weigoni um einen Text mit Bezug auf die Mainzer Minpressenmesse (MMPM) und er kramte eine Realsatire aus dem Jahr 1993 heraus, die er für den Mainzer Verleger Jens Neumann geschrieben hat. Ein würdiger Abschluß gelingt Boris Kerenski mit Stimmen aus dem popliterarischen Untergrund.