Jahrelang standen wir uns am Tresen gegenüber,
und mal ging die Runde an dich,
mal habe ich einen Sieg errungen.
Wir fighteten hart um jeden Zentimeter,
in den Kaschemmen, draußen im Park
oder oben in meiner Wohnung.
Du bist immer jung geblieben, in bester Kondition,
absolut durchtrainiert, und die Liste deiner Gegner
liest sich wie das „Who is Who“ der High-Society.
Meine schlampige Art, mich vorzubereiten,
brachte dir einige Punktsiege ein,
bei denen du nur ein paar Frauen, ein paar Jobs
und etliche Jahre genommen hast.
Kürzlich wollte ich dir den Titel hier in Dortmund
streitig machen und ging mit abgeschlafftem Geist
und zu hohen Leberwerten auf dich los.
Für einen Moment sah es so aus,
als wäre ich wieder ganz der Alte,
und ich schaffte es sogar,
dich in der vierten Runde anzuknocken,
doch wie das so ist beim Saufen,
du kamst wieder hoch,
spieltest deine ewige Jugend gegen mich aus
und gabst noch einmal alles:
Bier, Wein und Jim Beam,
und wie ich schließlich K.O. auf die Bretter knallte,
hatte ich nicht nur den Kampf,
sondern Frau, Kind und Wohnung verloren.
Den Job hast du mir gnädigerweise gelassen.
Für eine Revanche
kein schlechter Ausgangspunkt.
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Bewegungen im Untergrund, Dunkle Gedichte im Ariel-Verlag, 1996