RSD

Der Record Store Day (kurz: RSD) ist der internationale Tag unabhängiger Plattenläden und findet am dritten Samstag im April des jeweiligen Jahres statt.

Wer im digitalen Zeitalter nach 1991 geboren wurde, und in den Genuß des sterephonen Höhepunkts kam, wird noch an ein Nebenprodukt des oelverarbeitenden Industrie erinnern. Gleichwohl erlebt dieser Tonträger im Retrotopia dieser Tage ein nostaligisches Revival.

Für alle Hörer, die noch wissen, dass man die Laufgeschwindigkeit auch umstellen kann: Covermotiv der Karnevalssingle „Man han isch ne dicke Kopp“. Photo: Anja Roth

Eine Schallplatte ist eine in der Regel kreisförmige und meistens schwarze Scheibe mit einem Mittelloch, deren heute beidseitige Rillen als  für Schallsignale dienen. Umgangssprachlich wird die Schallplatte auch als “Platte“ oder mit den aus der Jugendsprache stammenden Begriffen “Scheibe“ beziehungsweise “Vinyl“ bezeichnet. Das Wort “Schallplatte“ wurde bereits zur Zeit der Grammophon-Ära geprägt. Der seit dem Produktionsende der Grammophonplatten wesentlich geläufigere Begriff “Schellackplatte“ grenzt diesen älteren Tonträger deutlich von der späteren, noch heute üblichen Schallplatte aus Polyvinylchlorid ab.

Die Signale sind in einer üblicherweise vom Rand der Platte nach innen verlaufenden Rille gespeichert, deren Flanken die Schallschwingung des gespeicherten Signals abbilden. Bei der Wiedergabe wird die Abtastspitze eines Tonabnehmers entsprechend ausgelenkt. Die Rückverwandlung in hörbare Schallsignale kann rein mechanisch über eine Schwingungsmembran  und einen Lautsprecher als Schalltrichter oder bei heute üblichen Plattenspielern auf elektromechanischem Weg mit anschließender elektronischer Verstärkung durch einen Audioverstärker erfolgen.

Edison und der Phonographen

Im März 1857 meldete der Franzose Édouard-Léon Scott de Martinville den Phonographen als Patent (Nummer 17,897/31,470) an. Ihm gelang es 1860, das französische Kinderlied “Au clair de la lune“ mit Hilfe eines großen Trichters einzufangen und mit einer Membran, die die Schwingungen auf eine Schweineborste übertrug, auf eine rußgeschwärzte Walze zu kratzen. Das machte die Schwingung sichtbar, allerdings war es dabei noch nicht möglich, den aufgezeichneten Schall auch wiederzugeben. Das schaffte erst die 1877 von John Kruesi gebaute Erfindung des Amerikaners Thomas Alva Edison, der mit dem ebenfalls patentierten Phonautographen weltberühmt wurde. Auch dessen erste Aufzeichnung war ein Kinderlied “(Mary had a little lamb…)“. Die Töne wurden zunächst in eine Zinnfolie geritzt, später auf einer Phonographenwalze mit wendelförmiger Tonspur in Höhenschrift gespeichert, wobei das Prinzip der Amplitudenauslenkung auch hier unmittelbar akustisch (Membran/Trichter) genutzt wurde. Wichtige theoretische Grundlagen entwickelte auch der Franzose Charles Cros, der seine Arbeiten ebenfalls im Jahr 1877 bei der Académie des sciences in Paris einreichte.

Vom Wachszylinder zur Schallplatte

Bereits im Jahre 1880 machte der US-amerikanische Physiker Charles Sumner Tainter (Columbia Graphophone Company) die Entdeckung, dass viele technische Nachteile der Edisonischen Walzen (umständliche Handhabung und aufwändige Vervielfältigung) beseitigt werden könnten, wenn man die Tonspur spiralförmig in die Oberfläche einer flachen, runden Scheibe eingraviert. Tainter entwickelte den Prototyp eines entsprechenden Aufnahmeapparates und stellte einige bespielte Wachsplatten her, gab die Versuche aber infolge technischer Probleme nach kurzer Zeit wieder auf. Tainters Wachsplatten befinden sich heute im Smithsonian Institute in Washington. Sie gelten als die ersten Schallplatten der Welt.

Unabhängig von Tainter, der seine Ideen nicht publiziert hatte, gelangte im Jahre 1887 der deutsch-amerikanische Erfinder und Industrielle Emil Berliner bei seinen Versuchen mit dem Edison-Phonographen zu einem ähnlichen Verbesserungskonzept. Er hatte sich mehrere Jahre lang mit dem Edison-Phonographen befasst und früher als Edison erkannt, dass die Zukunft der Tonaufzeichnung in erster Linie im Unterhaltungsbereich lag. Als Geschäftsmann sah auch er in der umständlichen und damit teuren Vervielfältigung der Walzen den entscheidenden Schwachpunkt des Phonographen und verwendete seine Zeit und Mühe vorrangig auf die Lösung dieses Problems.

Berliner gelang 1887 der entscheidende Durchbruch. Er konstruierte ein Gerät, das die Schallwellen nicht wie bei Edisons Höhenschrift-Phonographen in vertikaler, durch Auf-und-ab-Bewegung des Schneidstichels entstehender Modulation speicherte, sondern die Rille horizontal auslenkte; die mechanischen Schwingungen ließ er eine Stahlnadel schneckenförmig in eine dick mit Ruß überzogene Glasplatte einritzen. Nach chemischer Härtung des Rußes war er in der Lage, auf galvanoplastischem Wege ein Zink-Positiv und von diesem ein Negativ der Platte anzufertigen, das als Stempel zur Pressung beliebig vieler Positive genutzt werden konnte die Schallplatte war erfunden.

Heureka

Die älteste bis heute erhaltene Berliner-Schallplatte ist ein am 25. Oktober 1887 von Berliner selbst angefertigtes Zink-Positiv. Der Öffentlichkeit wurde das neue Aufzeichnungsverfahren erstmals in einem Bericht der Zeitschrift “Electrical World“ vom 12. November des gleichen Jahres vorgestellt; die frühesten zu Demonstrationszwecken angefertigten Zinkplatten hatten einen Durchmesser von 28 cm und bei etwa 30 cm eine Spieldauer von vier Minuten.

Geschriebene Laute

In den folgenden Monaten entwickelte Berliner in Zusammenarbeit mit dem Techniker Werner Suess sein Verfahren weiter, indem er das rußbeschichtete Glas durch eine mit Wachs überzogene Zink- oder Kupferplatte ersetzte. Nach der Gravur der Schallrille in die Wachsschicht wurde die Platte einem Säurebad ausgesetzt, das die noch mit Wachs bedeckten Teile der Platte nicht angriff, die freigelegten Rillen aber in das Metall einätzte, sodass nach Entfernung des Wachses eine haltbare metallene Urplatte entstand, die zur Herstellung der Pressmatrizen verwendet werden konnte. Am 16. Mai 1888 präsentierte Berliner ein erstes funktionsfähiges Gerät den Wissenschaftlern des “Franklin Institute“ in Philadelphia. Der zeittypischen Vorliebe für Gräzismus nannte er es “Grammophon“ (sinngemäß: „geschriebener Laut“), ein Vorläufer der LiteraturClips.

Im August 1888 begann er erstmals, die eigentlich von Anfang an vorgesehene Vervielfältigung seiner Zinkplatten durch Pressen der Negative in weiches Material zu erproben. Zunächst verwendete er als Pressmasse Zelluloid, das er unmittelbar vom Erfinder dieses Werkstoffs, John W. Hyatt, bezog und das sich bald als technisch ungeeignet erwies. Von diesen als “Hyatt Disks“ bekannten ersten experimentellen Zelluloidplatten sind nur sehr wenige Exemplare erhalten geblieben.

Im Juli 1889 kam Berliner aufgrund materialkundlicher Versuche zu dem Schluss, dass vulkanisiertes Hartgummi als Pressmaterial die günstigsten Eigenschaften aufweise, und erachtete seine Erfindung für ausgereift genug, um den Beginn der Serienproduktion einzuleiten.

Erste Serienfertigung

Emil Berliner ging auf Investorensuche, stieß aber bei der US-amerikanischen Industrie auf wenig Resonanz. Daher reiste er im August 1889 nach Deutschland, um das Grammophon potentiellen Interessenten vorzuführen. Am 26. November 1889 demonstrierte er das Gerät den staunenden Experten der Berliner “Elektrotechnischen Gesellschaft“, die ihn sofort als Mitglied aufnahm.

Schellackplatte „Grammophon“, Quelle: Landesmuseum Württemberg.

Von diesem Erfolg ermutigt entschloss er sich Ende 1889, die Serienfertigung der Platten zunächst auf eigene Rechnung in die Wege zu leiten. Die renommierte Spielwarenfabrik Kämmer & Reinhardt in Waltershausen (Thüringen) fertigte für ihn – vermutlich ab Juli 1890 – sehr einfache Grammophone mit Handkurbelantrieb und entwickelte auch eine sprechende Puppe mit Miniatur-Grammophon im Rumpf. Die passenden Platten wurden bei zwei deutschen Firmen in Auftrag gegeben. Einer der beiden Hersteller war die “Rheinische Gummi- und Celluloidfabrik“ (später “Schildkröt“) in Mannheim. Ein weiterer Hersteller war die Grammophon-Fabrik Kämmer. Hergestellt wurden Platten mit 8-cm-Durchmesser für die Sprechpuppe und 12,5-cm-Durchmesser für das Grammophon; zumindest teilweise kamen dabei wohl in den USA entstandene Matrizen zur Verwendung. Die Pressungen waren in Gummi-, Zelluloid- und Zink-Ausführung erhältlich, wobei nicht bekannt ist, inwieweit Zelluloid und Gummi zueinander in zeitlicher Abfolge standen; die Zinkplatten wurden offenbar gegen Aufpreis verkauft.

Diese ersten Serienschallplatten der Welt waren von so minderwertiger Klangqualität, dass Zettel mit dem vollständigen Text der jeweiligen Aufnahme auf die Plattenrückseite geklebt wurden, damit der Käufer den Inhalt der Platte nachvollziehen konnte. Insgesamt wurden 1889/1890 in Deutschland etwa 25.000 Platten gepresst, von denen heute weltweit nur noch sehr wenige Exemplare bekannt sind. Die einzige erhaltene Berliner-Sprechpuppe befindet sich im Heimatmuseum Schloss Tenneberg in Waltershausen. Kurzzeitig wurden die deutschen Berliner-Produkte auch nach England exportiert; das Geschäft mit dem unausgereiften System erwies sich aber als wenig lukrativ, weshalb Berliner 1891 die Fertigung einstellen ließ und in die Vereinigte Staaten zurückkehrte.

Am 23. April 1889 gründete er die “American Gramophone Co.“, die die Verwertung seiner Erfindung übernehmen sollte, aber nach kurzer Zeit zusammenbrach. Die folgenden zwei Jahre verbrachte Berliner damit, das Grammophon technisch zu verbessern. Er ließ von einem New Yorker Uhrmacher einen Federantrieb entwickeln, der sich allerdings als nicht praxistauglich erwies, und engagierte einen Techniker namens Edward L. Wilson, der für ihn ein Grammophon mit Münzmechanik konstruierte.

Erst im April 1893 wagte Berliner zusammen mit den Brüdern Fred Gaisberg|Fred und Will Gaisberg, die zuvor schon bei der Columbia Records tätig gewesen waren, eine neue Firmengründung. Es entstand die “United States Gramophone Company“ mit Sitz in Washington, D.C., die die Erfindung kommerziell verwerten sollte und an die er seine Patente abtreten musste. Die Firma produzierte einige wenige Grammophone und Schallplatten aus “Vulcanite“ beziehungsweise Hartgummi, geriet allerdings bald in finanzielle Schwierigkeiten.

Im Jahr 1895 gelang es Berliner, eine Gruppe von Investoren aus Philadelphia für seine Erfindung zu begeistern. Es kam zur Gründung der “Berliner Gramophone Company“, deren Anteile allerdings nur zum kleineren Teil Berliner selbst gehörten. Die “United States Gramophone Co.“ bestand allerdings parallel dazu als Inhaberin der Patente weiter. Das neue Unternehmen eröffnete in Baltimore (109 North Charles Street) eine Fabrik nebst “Ausstellungsraum“ und begann mit der Fertigung von Geräten und Tonträgern.

Der Durchmesser der Platten wurde 1894 auf zehn Zoll festgelegt. Bis zum Herbst 1894 verließen etwa 1000 Grammophone und 25.000 Platten die Fabrik. Berliner veröffentlichte die erste gedruckte Bestellliste der verfügbaren Aufnahmen. Das Unternehmen bot neben den handbetriebenen Grammophonen auch zwei Luxusmodelle mit Elektromotoren an. 1895 änderte man den Plattendurchmesser auf 17,5cm; im selben Jahr erhielt Berliner nach langen juristischen Auseinandersetzungen jenes US-Patent für sein Horizontalschrift-Aufnahmeverfahren, dessen Existenz später die jahrzehntelange monopolartige Position der “Victor Talking Machine Company“ (später Teil von Radio Corporation of America) auf dem nordamerikanischen Plattenmarkt begründen sollte.

Kommerzieller Durchbruch mit Federbetrieb und Schellackplatten

Die Umsätze der Firma waren zunächst bescheiden, da die potentiellen Kunden in Berliners primitivem, handkurbelbetriebenem Grammophon noch immer eher ein Kinderspielzeug als ein ernstzunehmendes Unterhaltungsgerät sahen. Angeregt durch entsprechende Entwicklungen auf dem Phonographen-Sektor beschäftigte sich Berliner erneut mit dem Gedanken, seine Geräte mit Federmotoren auszustatten. Er beauftragte den Mechaniker Eldridge R. Johnson aus Camden (New Jersey) mit der Entwicklung und Serienfertigung eines passenden Federwerk-Motors, dessen Markteinführung 1896 erfolgte und dem Produkt tatsächlich zu einer enormen Umsatzsteigerung verhalf.

Im Oktober 1896 gab Berliner die Verwendung von Hartgummi als Plattenmaterial auf und ersetzte die Substanz durch eine von der “Duranoid“ Newark, New Jersey, hergestellte Pressmasse, die im Wesentlichen aus Schieferpulver, Baumwollflock und Schellack bestand, das sich beim heißen Pressvorgang kurz verflüssigte, sich auch an die Oberfläche der Scheibe drückte und damit ein strapazierfähiges Material für die Rillen bildete. Das verbesserte die Klangqualität und Haltbarkeit der Platten enorm. Die Schellackplatte war geboren.

Lächeln, es geht aufwärts

Im selben Jahr engagierte Berliner den Werbefachmann Frank Seaman, dessen Aufgabe es sein sollte, den Vertrieb der Berliner-Produkte zu übernehmen. Seaman gründete unter dem Namen “National Gramophone Company“ ein eigenes Unternehmen und schloss mit der “Berliner Gramophone Company“ einen auf 15 Jahre Laufzeit ausgelegten Vertrag, der ihm die Exklusivrechte am Vertrieb aller Berliner-Erzeugnisse sicherte. Seamans brillante Werbekampagnen machten das Grammophon binnen kürzester Zeit weltweit bekannt und ließen die Verkaufszahlen der Platten und Geräte förmlich explodieren. Im Geschäftsjahr 1898 konnte Berliner bereits 713.753 Schellackplatten absetzen. Berliners Erfindung lag nun in den Händen dreier voneinander unabhängiger Firmen. Die “United States Gramophone Company“ hielt noch immer die Patente, die “Berliner Gramophone Company“ produzierte Platten und Abspielgeräte, die “National Gramophone Company“ beherrschte die Vermarktung.

Berliner expandierte durch Gründung ausländischer Tochtergesellschaften, als deren wichtigste im Jahre 1898 die britische “Gramophone Company“ entstand. Diese gründete ihrerseits als Tochter-Tochterunternehmen die “Deutsche Grammophon-Gesellschaft“ mit Sitz in Hannover, geleitet von Berliners Bruder Joseph.

Das zunächst sehr erfolgreiche unternehmerische Konzept sollte sich für Berliner bald als fatal erweisen, denn Seaman, der als wenig vertrauenswürdiger Charakter galt, war angesichts der enormen Gewinne, die in Berliners Kassen flossen, mit seinem langfristigen Vertrag unzufrieden. Er begann 1898 heimlich mit der Herstellung seiner “Zonophone“, die technisch lediglich Plagiate der Berliner-Geräte darstellten. Seaman bot Berliner an, er möge künftig die Zonophone kaufen und unter seinem Namen vertreiben lassen. Berliner lehnte das empört ab, zumal er den Vertrag mit Johnson nicht gefährden wollte und Seaman allgemein misstraute; überdies waren die Zonophone von schlechterer Qualität als Berliners Erzeugnisse.

Seaman wertete die Ablehnung Berliners als Aufhebung seines Vertrags, benannte seine Firma in “United Talking Machine Company“ (UTMC) um und begann, auf eigene Rechnung Platten und “Zonophone“ zu fertigen. Berliner verklagte Seaman wegen Vertragsbruchs. Daraufhin nahm dieser vertrauliche Verhandlungen mit dem Walzenhersteller Columbia auf, der die Patente an den Erfindungen von Chichester Bell und Charles Sumner Tainter hielt. 1899 erhob Columbia auf Seamans Betreiben Klage gegen Berliner mit der Begründung, die Berliner-Patente von 1887 wären unter Verletzung älterer Bell- und Tainter-Patente erteilt worden und damit nichtig.

Die komplizierten juristischen Auseinandersetzungen, in die auch Eldridge R. Johnson verwickelt war und in denen der von Columbia engagierte Star-Anwalt Philipp Mauro eine entscheidende Rolle spielte, endeten für Seaman erfolgreich.

Das führte dazu, dass Berliner ab dem 25. Juni 1900 die Verwendung des Namens “Gramophone“ in den USA verboten war und er auch sonst für sein amerikanisches Unternehmen keine Zukunft mehr sah. Er löste seine Firmen auf, verkaufte alle seine US-amerikanischen Patente an Eldridge Johnson, mit dem er sich wieder versöhnt hatte, und siedelte nach Montreal über. In den folgenden Jahrzehnten leitete er sehr erfolgreich die kanadische Niederlassung seines Imperiums und nahm auch maßgeblichen Einfluss auf die Entwicklung der aus seiner britischen Filiale entstandenen “Gramophone Company“. Nebenbei beschäftigte er sich mit Aeronautik|aeronautischen Problemen und war an der Entwicklung eines der ersten brauchbaren Hubschrauber beteiligt.

Entstehung der Schallplattenindustrie ab 1900

Der große kommerzielle Erfolg der Berliner-Schallplatte und der relativ schlechte patentrechtliche Schutz der Erfindung ermunterten ab etwa 1900 vor allem in Europa zahlreiche Unternehmer, die Produktion eigener Schallplatten und Abspielgeräte aufzunehmen. Binnen weniger Jahre entwickelte sich so ein äußerst innovativer, schnelllebiger Industriezweig, als dessen Zentren London, Paris, Hannover, Berlin und Wien galten.

Zum damaligen Zeitpunkt konkurrierten noch einige Systeme, die untereinander oft nicht kompatibel waren. Vor dem Ersten Weltkrieg war beispielsweise die französische Firma “Pathé Records“ sehr dominant am Weltmarkt. Ihre Platten konnten nur mit einer abgerundeten Saphirnadel abgespielt werden, liefen immer von innen nach außen und waren mit der sogenannten Vertikalschrift aufgenommen worden. Da Pathé zum Zeitpunkt des Aufkommens der Schellackplatten bereits über einen großen Fundus älterer Walzenaufnahmen verfügte, deren Grundlage ebenfalls die Tiefenschrift war, konnte die Firma mit einem für die damalige Zeit unerwartet großen Sortiment an Musiktiteln ins Geschäft einsteigen. Die mit Tiefenschrift aufgenommenen Platten durften niemals mit einer Grammophonnadel abgespielt werden, da diese die Platte sofort zerstörten. Für diese Platten gab es das Pathéphone oder als Adapter für Grammophone eine Pathé-Schalldose, welche jedoch nur mit Fachkenntnis installiert werden durfte.

Zwischen 1904 und 1908 kamen die ersten doppelseitig bespielten Schallplatten auf den Markt.

Eine weitere frühe Variante stellte die nordamerikanische Edison-Diamond-Disc dar, die der Öffentlichkeit 1911 präsentiert wurde. Auch diese Schallplatten waren mit Tiefenschrift bespielt und konnten ebenfalls nur mit speziellen Plattenspielern abgespielt werden. Die etwa fünf Millimeter dicken Tonträger bestanden nicht aus Schellack, sondern einer Mischung aus Phenol, Formaldehyd, Holzmehl und Lösungsmittel, die mit einer Lackschicht aus phenolhaltigem Kunstharz überzogen war. Diese Platten sind in Europa äußerst selten.

Letztendlich setzte sich die Schellackplatte mit einer Geschwindigkeit von 78 Umdrehungen pro Minute durch, für die es spezielle Nadeln zu kaufen gab, die nach verschiedenen damaligen Empfehlungen nach jeder Platte ausgewechselt werden sollten. Preiswerte Grammophone einfacher Bauart kamen in vielfältigen Formen auf den Markt und ließen die Schallplatte zu einem auch für die unteren sozialen Schichten erschwinglichen Unterhaltungsmedium werden. Bis 1914 entstanden allein in Deutschland etwa 500 konkurrierende Schallplattenmarken. Durch technische Verbesserungen konnte die Klangqualität stetig steigen. Allmählich begannen sich auch große Musiker wie Enrico Caruso, Nellie Melba und Hermann Jadlowker für das Medium Schallplatte zu interessieren und verhalfen mit ihren Einspielungen den Plattenkonzernen zu beträchtlichen Gewinnen.

Besonders das zunächst eigenständige, später vom Konzern des schwedischen Schallplattenproduzenten Carl Lindström übernommene Label “OdeonOdeon“ tat sich mit technischen Innovationen hervor und brachte die ersten großformatigen Platten (25, 27 und 30 cm Durchmesser) sowie die ersten doppelseitigen Pressungen auf den Markt.

Der Erste Weltkrieg ließ die Schallplattenproduktion weltweit stark zurückgehen, was primär durch den vorübergehenden Zusammenbruch des internationalen Handelsnetzes für Rohschellack bedingt war. Nach Kriegsende erholte sich die Schallplattenindustrie zunächst nur langsam. Die weltweiten Wirtschaftskrisen der 1920er Jahre und auch die Entstehung der ersten Rundfunksender beeinträchtigten die Plattenabsätze weltweit erheblich. Ins Gegenteil verkehrte sich diese Entwicklung allerdings, als ab 1925 mehrere US-amerikanische, niederländische und deutsche Firmen annähernd gleichzeitig elektrische Aufnahmeverfahren präsentierten, die die alten akustisch-mechanischen Aufnahmeapparate binnen kurzer Zeit völlig verdrängten, die Kosten der Schallplattenaufnahme dramatisch reduzierten und die Klangqualität enorm verbesserten. Die Einführung der elektrischen Aufnahme ließ in Deutschland erneut eine große Zahl kurzlebiger kleiner Plattenfirmen entstehen, die technisch und musikalisch oft sehr experimentierfreudig waren. Das 1928 von dem Erfinderkollektiv Tri Ergon entwickelte Lichttonverfahren erlaubte erstmals das Schneiden und Nachbearbeiten von Aufnahmen. Erste elektrische Plattenspieler kamen auf den Markt. Die Musikbegeisterung der späten 1920er Jahre garantierte den Schallplattenkonzernen ausgezeichnete Umsätze.

Ein technischer Fortschritt in den frühen 1930er Jahren war die Einführung des Selbstschneidens von Grammophonplatten. Anfangs schnitt man in weiche Folien ohne Nachbehandlung, später in “Decelith“-Rohlinge mit den üblichen 78 Umdrehungen pro Minute. Die Haltbarkeit der geschnittenen Decelithscheibe wurde durch eine härtende Nachbehandlung der Oberflächenschicht verbessert, die aber ein nachträgliches Einsenden der fertigen Platte an den Hersteller der Rohlinge erforderte. Dieses Aufzeichnungsverfahren war noch bis zur Serienreife des Magnetophons in den frühen 1950er Jahren auch in professionellen Rundfunkstudios in Gebrauch.

Das Jahr 1933 brachte für die deutsche Schallplattenindustrie dramatische Veränderungen: Zahlreiche bis dahin in jüdischem Besitz gewesene Unternehmen wurden in den ersten Jahren der Zeit des NS-Diktatur gegen den Willen der Eigentümer zwangsenteignet und teilweise aufgelöst. Diese staatskriminellen und nach dem Krieg großteils – soweit möglich – rückgängig gemachten oder kompensierten Aktivitäten wurden unter dem Euphemismus bzw. propagandistischen Begriff „Arisierung“ betrieben. Gegen viele prominente Plattenkünstler, wie die Comedian Harmonists, ergingen aus rassischen und politischen Gründen durch die Nürnberger Rassengesetze Berufsverbote. Die Einfuhr ausländischer Platten nach Deutschland war kaum noch möglich.

1939 reduzierte sich die Zahl der auf dem deutschen Markt präsenten Schallplattenmarken daher beträchtlich. Da deutsche Plattenfirmen jedoch im Ausland Aufnahmen mit bekannten Künstlern machten, waren diese am Inlandsmarkt durchaus bekannt. Gerade die in den späten 1930er Jahren in Deutschland populär werdende Swing (Musikrichtung)|Swing-Musik profitierte von dieser Praxis. Unabhängig von den Maßregelungen der Reichsmusikkammer gegen ausländische Musikströmungen leistete sich beispielsweise Telefunken mit Heinz Wehners „Telefunken-Swing-Orchester“ eine Swing-Kapelle amerikanischer Prägung. In der Ausgabe 12/1937 bezeichnete das amerikanische Jazz-Magazin “Down Beat“ das Telefunken-Swing-Orchester „als beste Band im Nazireich“. Auch internationale Swing-Bands wie die von Teddy Stauffer und Fud Candrix wurden zunächst über ihre Platten bekannt, bevor sie beispielsweise Engagements im damals bekanntesten deutschen Jazz-Club, dem Berliner Delphi Filmpalast, bekamen.

Während des Zweiten Weltkriegs sollte ein groß angelegtes Altplatten-Verwertungssystem sichergestellt werden, tatsächlich brach ab etwa 1943 die deutsche Schallplattenproduktion trotzdem weitgehend zusammen. Nur für den Bedarf von Rundfunk und Lichtspieltheatern wurde bis zum Kriegsende weiter produziert.

Nach 1945 nahmen die Schallplattenfabriken, soweit unzerstört geblieben, ihre Arbeit recht bald wieder auf, wobei zunächst die Schellack-Technik beibehalten wurde. Im Westen Deutschlands entstanden viele neue Plattenmarken, die besonders den neu entstandenen Bedarf nach US-amerikanisch geprägtem Swing und Jazz zu decken versuchten. In der sowjetischen Besatzungszone wurde die Schallplattenfabrikation dagegen als einer der ersten Industriezweige komplett verstaatlicht. Es verblieb als einziger Schallplattenhersteller der VEB Lied der Zeit, später VEB Deutsche Schallplatten, mit dem Label “Amiga“.

In der Bundesrepublik und den meisten anderen westlichen Ländern wurde die Fertigung von Schellackplatten im Juli 1958 aufgegeben. Die Deutsche Demokratische Republik|DDR vollzog diesen Schritt im Jahr 1961.

Entwicklung und Durchbruch der „Vinyl“-Schallplatte

Bereits in den Anfängen der Schallplattenherstellung hatte es – etwa in Großbritannien durch “Nicole Records“ – erfolglose Versuche gegeben, das teure Naturprodukt Schellack durch preiswertere synthetische Kunststoffe zu ersetzen. Dazu wurden unter anderem Tonträger aus Polyvinylchlorid (PVC) erprobt. Man spricht bei Schallplatten meist vereinfachend von „Vinyl“ statt von PVC.

RCA Records brachte 1930 die erste langspielende Vinylschallplatte heraus, vermarktet als „Program Transcription Discs“. Diese revolutionäre Platte war gedacht für 33|1|3 Umdrehungen pro Minute, hatte einen Durchmesser von 30 cm und war nahezu unzerbrechlich.

Vintage Schallplatten

Im Trend der Manufaktum-Bewegung sind Schallplatten wieder im Trend. Auf den Vinyl-Boom folgte jedoch die Vinyl-Krise. Denn einerseits steigt die Nachfrage nach Schallplatten, andererseits fehlen die Rohstoffe. Das bedroht vor allem die kleinen Labels in ihrer Existenz. Wir sollten jedoch nicht ausser acht lassen, dass auch die CD wegen der eingeschränkten klanglichen Möglichkeiten der mp3 einen Aufwind erlebt und vor allem bei Hörer der sogenannten „klassischen Musik“ beliebt ist. CDs sind gegenüber Schallplatten wesentlich einfacher in ihrer Handhabung, unempfindlicher gegenüber Verschmutzung, robuster und pflegeleichter. Vor allem aber produzieren sie im Gegensatz zur Platte keine Störgeräusche beim Abspielen, wie Rauschen oder Knacken.

Letztendlich ist Hörempfinden, wie jedes andere Gefühl jedoch rein subjektiv und so haben beide Bewahrer des stereophonen Klangs mit ihrer Meinung immer Recht.

 

 

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Haimo Hieronymus präsentiert frische gedruckte Plattencover

Weiterführend → 

Meine erste Schallplatte: „Heart of glass“ von Blondie, vorgestellt von Martina Haimerl. Life circles at 33rpm!, postulierte Mischa Kuball. Wer sich hinter „Mister B“ verbirgt, beschreibt Christine Kappe. Ergänzend ein Artikel zum Kassettenuntergrund. »Don Juan« von Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick and Tich, vorgestellt von Joachim Feldmann. Eine Reise ins Glück von den Lilians, vorgestellt von Ju Sophie Kerschbaumer. „This charming man“ von den Smiths vorgestellt von Haimo Hieronymus. The Fall – Big New Prince vorgestellt von Enno Stahl. Dschäääzz!!!, gehört von Eva Kurowski. Helge Schneider ist wahrscheinlich der bislang einzige Solo-Künstler, der gleich mit seiner ersten Platte den Titel Seine größten Erfolge gab. Begleitet wurde er bei den Aufnahmen durch Tonmeister Tom Täger im Tonstudio an der Ruhr. Meine ersten drei Platten, vorgestellt von Marcus Baltzer. Meine Musik, vorgestellt von Ulrich Bergmann. Mit etwas Verspätung erschien Pia Lunds zweites Solo-Album Gift. Smile war für A.J. Weigoni ein Versprechen. Eine Generation später wurde es eingelöst. Selbstverständlich auf Vinyl. Und in Mono. Eine Wiederveröffentlichung der Neu!-Studioalben ist auf dem Label Grönland erschienen. in 1999 ging KUNO der Frage Label oder available? nach. Einen Remix zu basteln ist in der Popmusik gang und gebe. Stephan Flommersfeld hat das Selbe mit der “Letternmusik” gemacht. „Wenn es Videoclips gibt, muss auch die Literatur auf die veränderten medialen Verhältnisse reagieren.“, postulierte A.J. Weigoni 1991 und erfand mit Frank Michaelis das Hörbuch. Erweiternd zum Medium der Compact Disc auch der Essay Press/Play. Darüber hinaus eine Film-Empfehlung, wenn die Läden zumachen.