Kleinheinrich

Ein Buch muß Wunden aufwühlen, sogar welche verursachen. Ein Buch muß eine Gefahr sein.

E.M. Cioran

Auch deshalb fürchten die Diktaturen die Bücher, verbrennen sie und schicken die Schriftsteller, die sich nicht gleichschalten lassen, in die Wüste, in den Gulag, ins Konzentrationslager, in den Tod. Der niederländische Verlag Querido mit Sitz in Amsterdam wurde während der 30er Jahre des 20. Jahrhunderts Heimstatt für manchen exilierten deutschen Schriftsteller. Nun entdecke ich, daß 1997 beim Verlag Kleinheinrich in Münster, den Axel Kutsch „deutschen Meister der Kleinverlage“ nennt, ein Buch auf niederländisch und deutsch erschienen ist, das ursprünglich bei Querido herauskam. Leonard Nolens heißt der 1947 geborene und in der Nähe von Antwerpen lebende Dichter, der den wichtigsten belgischen bzw. flämischen Poeten zuzurechnen ist, die in niederländischer Sprache schreiben. In Geboortebewijs / Geburtsschein (1997) heißt es: „Das Leben ist nichts, es ist nichts. / […] / Ich eß ihr so gierig den Kloß / aus dem Hals, daß sie schluchzt tief in mir.“ Auch der große belgische Dichter Hugo Claus (*1929), Träger des Münsteraner Preises für europäische Poesie, hinterläßt bei Kleinheinrich lyrische Spuren. Moderne europäische Orientierung, zweisprachige Edition und edles Gewand sind Markenzeichen des Buch- und Kunstverlags Kleinheinrich, der neben progressiver deutscher Lyrik insbesondere dänische, norwegische, schwedische und isländische Gedichte vorstellt, die Sie im zweiten Teil dieses Kapitels – „Programme, Reihen, Editionen“ – kennenlernen. Dort treffen Sie auf Namen wie Inger Christensen, deren wunderbares Gedichtbuch alfabet zu den lebendigsten Gedichtbüchern zählt, die ich gelesen habe, Gunnar Ekelöf, aus dessen Werkausgabe in sieben Bände ich die ersten fünf Bände vorstelle, oder Baldur Óskarsson, den isländischen Dichter mit seiner feinen Poesie.

 

 

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Weiterführend Ein Essay über den Lyrikvermittler Theo Breuer.

Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen der Kultur

Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugt der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung. Um den Widerstand gegen die gepolsterte Gegenwartslyrik ein wenig anzufachen schickte Wolfgang Schlott dieses  post-dadaistische Manifest. Warum Lyrik wieder in die Zeitungen gehört begründete Walther Stonet, diese Forderung hat nichts an Aktualität verloren. Lesen Sie auch Maximilian Zanders Essay über Lyrik und ein Rückblick auf den Lyrik-Katalog Bundesrepublik. KUNO schätzt den minutiösen Selbstinszenierungsprozess des lyrischen Dichter-Ichs von Ulrich Bergmann in der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft. Gedanken über das lyrische Schreiben. Lesen Sie ein Porträt über die interdisziplinäre Tätigkeit von Angelika Janz, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier, ein Essay fasst das transmediale ProjektWortspielhallezusammen. Auf KUNO lesen Sie u.a. Rezensionsessays von Holger Benkel über André Schinkel, Ralph PordzikFriederike Mayröcker, Werner Weimar-Mazur, Peter Engstler, Birgitt Lieberwirth, Linda Vilhjálmsdóttir, und A.J. Weigoni. Lesenswert auch die Gratulation von Axel Kutsch durch Markus Peters zum 75. Geburtstag. Nicht zu vergessen eine Empfehlung der kristallklaren Lyrik von Ines Hagemeyer. Diese Betrachtungen versammeln sich in der Tradition von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins, dem Bottroper Literaturrocker „Biby“ Wintjes und Hadayatullah Hübsch, dem Urvater des Social-Beat, im KUNO-Online-Archiv. Wir empfehlen für Neulinge als Einstieg in das weite Feld der nonkonformistischen Literatur diesem Hinweis zu folgen.