Ballade des äußeren Lebens

 

Und Kinder wachsen auf mit tiefen Augen,

Die von nichts wissen, wachsen auf und sterben,

Und alle Menschen gehen ihre Wege.

 

Und süße Früchte werden aus den herben

Und fallen nachts wie tote Vögel nieder

Und liegen wenig Tage und verderben.

 

Und immer weht der Wind, und immer wieder

Vernehmen wir und reden viele Worte

Und spüren Lust und Müdigkeit der Glieder.

Und Straßen laufen durch das Gras, und Orte

Sind da und dort, voll Fackeln, Bäumen, Teichen,

Und drohende, und totenhaft verdorrte …

 

Wozu sind diese aufgebaut? und gleichen

Einander nie? und sind unzählig viele?

Was wechselt Lachen, Weinen und Erbleichen?

 

Was frommt das alles uns und diese Spiele,

Die wir doch groß und ewig einsam sind

Und wandernd nimmer suchen irgend Ziele?

 

Was frommts, dergleichen viel gesehen haben?

Und dennoch sagt der viel, der »Abend« sagt,

Ein Wort, daraus Tiefsinn und Trauer rinnt

 

Wie schwerer Honig aus den hohlen Waben.

 

 

 

Weiterführend

Im Alter von achtundzwanzig Jahren verschafft sich Hofmannsthal mit dem Brief des Lord Chandos ein Ventil, seinem Zweifel an der Sprache Raum zu verschaffen. Der Sprache traut er jedenfalls nicht länger zu, den Zusammenhang von Ich und Welt herstellen zu können.

Hugo von Hofmannsthal über Gedichte.

 Poesie zählt für KUNO weiterhin zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugte auch der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung.