Publizieren ist eine Form des Denkens

Ich glaube, man sollte überhaupt nur solche Bücher lesen, die einen beissen und stechen.

Franz Kafka

Es kann von Vorteil sein, sich unbequemen Dingen aus der Distanz zu nähern. Wie Walter Benjamin bereits 1935 in seinem Essay Das Kunstwerk im Zeitalter seiner technischen Reproduzierbarkeit feststellte, führen die Vervielfältigungs- und Transportmöglichkeiten zu einer Entwertung des Kunstwerks, weil dieses seine kostbare Einmaligkeit verliert. An die Stelle der Aura rückt sein Warencharakter. Vor diesem Hintergrund wird die traditionelle Vorstellung vom Künstler obsolet, zumal die Kunsttheorie keine legitimierende oder normierende Funktion mehr besitzt und so die Beurteilungskriterien für das fehlen, was Kunst oder ein Künstler sein könnte. Es spricht also nichts grundsätzlich für die Ablehnung des „Erweiterten Kunstbegriffs“, solange sich dieser in Qualität und verständiger Präsentation äußert.

Kunst sollte dem Zeitgeist widersprechen

Kunst spiegelt die Beunruhigung unserer Zeit. Lesekompetenz und Belesenheit sind kulturelle Grundwerte und Bedingung von elementarer Orientierung in der globalisierten Welt. KUNO hat ein Faible für Randfiguren der Geschichte, die Redaktion ist deswegen daran interessiert, ein vernehmbares Gegengewicht zu entwickeln. Literatur sollte im Dienste der Gesellschaft, Narrative bieten, die uns unsere Wurzeln und unsere kollektive Identität präsentieren und gleichzeitig Gegenentwürfe zu herrschenden Erzählmustern bilden. Erzählen ist immer soziale Praxis und führt aber auch zu ästhetischen Experimente, formalem Eskapismus oder komplexen narrative Techniken. Die auf schnelle Effekte setzende Förderpolitik lassen ein Arbeiten, dass über die schnelle Hervorbringung eines Markenkerns hinausgehen will, kaum mehr zu. Der Mechanismus der Frischfleisch verzehrenden Kuratorenkunst droht zu überhitzen.

Die Grenzen von Bildkunst, Literatur und Musik lösen sich auf.

Peter Meilchen. Photo: Jesko Hagen

Die Artisten der Edition Das Labor arbeiten an einem unverbrauchten, zeitgemässen und thematisch vielgestaltigen Zugang zu einem komplexen Themenbereich, der anspruchsvolle und Trivialliteratur, Pop- und Hochkultur sowie neue und klassische Medien gleichermassen berücksichtigt. Diese Artisten leben davon, keine Massenartikel herzustellen, sondern zahlreiche Spezialinteressen zu bedienen, und sie haben dies noch weiter ausdifferenziert. KUNO erkennt die fortschreitende Aufsplitterung der literarischen Buchproduktion für immer kleinere Zielgruppen. Geschichte wiederholt sich nicht, trotzdem finden wir im Archiv Texte, die unsere Zeit vorwegzunehmen scheinen.

In der Bildenden Kunst nennt man es Appropriation Art, in disem Onlinemagazin arbeiten wir an der möglichst exakten Rekonstruktion zur Bewahrung des kulturellen Erbes.

KUNO zeigt den Zwiespalt auf, in dem sich die Kunst befindet. Sie kommt nicht an der Wirklichkeit vorbei, aber sie kann sie nicht mehr schlicht reproduzieren. Wie der Prozess der digitalen Vernetzung die zeitgenössische Literatur prägt, erfährt seit der Erforschung von Hypertext wenig  Aufmerksamkeit. Dabei lohnt es sich, die Beobachtungsperspektive von der Literatur im Netz auf das Netz in der Literatur zu verschieben. Denn informations- und kommunikationstechnologische Netzwerke – und vor allem das Internet – schreiben sich zunehmend in die Literatur der Gegenwart ein. Die Frage für die Artisten des in 1989 gegründeten Projekts Das Labor lautet nicht, wie das „Neuland“ Internet das Denken verändert, sondern wie das künstlerische Denken das Netz formt. KUNO will in den nächsten Jahren mit  Artikeln und  Hinweisen weiter dazu beitragen, das neue Medium des World Wide Web in den Dienst eines gut fünfhundert Jahre alten, nach wie vor unverzichtbaren Mediums zu stellen: zugunsten des gedruckten Buches.

 

 

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Das Labor-Logo: Entworfen von Peter Meilchen

Erinnerung wird zunehmend auf neue Technologien ausgelagert. Das Grundproblem der Erinnerungskultur (siehe auch: In eigener Sache), der Zeugenschaft, der Autorschaft, ist die Frage: Wer erzählt, wer verarbeitet, wem eine Geschichte gehört? – „Kultur schafft und ist Kommunikation, Kultur lebt von der Kommunikation der Interessierten.“, schreibt Haimo Hieronymus in einem der Gründungstexte von KUNO. Die ausführliche Chronik des Projekts Das Labor lesen sie hier. Diese Ausgrabungsstätte für die Zukunft ist seit 2009 ein Label, die Edition Das Labor. Diese Edition arbeitet ohne Kapital, zuweilen mit Kapitälchen, meist mit einer großen künstlerischen Spekulationskraft. Eine Übersicht über die in diesem Labor seither realisierten Künstlerbücher, Bücher und Hörbücher finden Sie hier.

Zum Thema Künstlerbücher finden Sie hier einen Essay sowie einen Artikel von J.C. Albers. Vertiefend auch das Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier.

Die Künstlerbucher sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421