Standpunkt

 

Das Wort sie sollen lassen stahn.

 

Am 31. Oktober 1517 schlägt Martin Luther 95 Thesen an das Hauptportal der Schlosskirche in Wittenberg an und begründet die anloge Form der Twitteratur.

Die 95 Thesen fanden den großen öffentlichen Widerhall, der die Reformation auslöste. Darin protestierte Luther weniger gegen die Finanzpraktiken der Katholischen Kirche als gegen die darin zum Ausdruck kommende verkehrte Bußgesinnung. Der Ablasshandel war für ihn nur der äußere Anlass, eine grundlegende Reform der ganzen Kirche an Haupt und Gliedern zu fordern. Dabei griff er den Papst noch nicht direkt an, sah dessen Aufgabe jedoch in der Fürbitte für alle Gläubigen. Für die breitere Bevölkerung verfasste er 1518 den in einfacher und verständlicher Weise abgefassten Sermon von dem Ablass und Gnade.

Die Erfindung des Buchdrucks garantierte dem Reformator eine Verbreitung in der Gutenberg-Galaxis, dem analogen Vorläufer des Internets.

 

Weiterführend →

KUNO hat in 2014 unterschiedliche Autoren zu einen Exkurs zur Twitteratur gebeten, und glücklicherweise sind die Antworten so vielfältig, wie die Arbeiten dieser Autoren. Anja Wurm, sizzierte, warum Netzliteratur Ohne Unterlaß geschieht. Ulrich Bergmann sieht das Thema in seinem Einsprengsel ad gloriam tvvitteraturae! eher kulturpessimistisch. Für Karl Feldkamp ist Twitteratur: Kurz knackig einfühlsam. Jesko Hagen denkt über das fragile Gleichgewicht von Kunst und Politik nach. Sebastian Schmidt erkundet das Sein in der Timeline. Gleichfalls zur Kurzform Lyrik haben wir Dr. Tamara Kudryavtseva vom Gorki-Institut für Weltliteratur der Russischen Akademie der Wissenschaften um einen Beitrag gebeten. Mit ‚TWITTERATUR | Digitale Kürzestschreibweisen‚ betreten Jan Drees und Sandra Anika Meyer ein neues Beobachtungsfeld der Literaturwissenschaft. Und sie machen erste Vorschläge, wie es zu kartographieren wäre. Eine unverzichtbare Lektüre zu dieser neuen Gattung. Holger Benkel begibt sich mit seinen Aphorismen Gedanken, die um Ecken biegen auf ein anderes Versuchsfeld. Die Variation von Haimo Hieronymus Twitteratur ist die Kurznovelle. Peter Meilchen beschreibt in der Reihe Leben in Möglichkeitsfloskeln die Augenblicke, da das Wahrnehmen in das Verlangen umschlägt, das Wahrgenommene schreibend zu fixieren. Sophie Reyer bezieht sich auf die Tradition der Lyrik und vollzieht den Weg vom Zierpen zum Zwitschern nach. Gemeinsam mit Sophie Reyer präsentierte A.J. Weigoni auf KUNO das Projekt Wortspielhalle, welches mit dem lime_lab ausgezeichnet wurde. Mit dem fulminanten Essay Romanvernichtungsdreck! #errorcreatingtweet setzte Denis Ulrich den Schlußpunkt.