Die Erde ist keine Scheibe

Als erste veröffentlichte Audio-CD der Geschichte gilt Billy Joels Album 52nd Street, das Sony Music Entertainment gemeinsam mit dem Player CDP-101 am 1. Oktober 1982 in Japan auf den Markt brachte.

Die Spiellänge von 74 Minuten und 33 Sekunden ist dem Bespanner der Stahlseiten, dem Reichskapellmeister Herbert Karajan zu verdanken, es sollte Beethoven IX auf den Silberling passen. Als der Dirigent seine Karriere unter den NAZIS begann, war noch die Schellackplatte en vogue, im Monoklang. Es folgte die vom Gewicht her deutlich leichtere, schmalere, mit mehr Musik bespielbare Langspielplatte. Ab ab 1971 favorisierte Karajan die Bildplatte. Die Innovation aber, die sich dann weltweit durchsetze und die LP entthronte, war die Compact Disc. Dieser Vorschlag hing, der Legende nach, mit Sonys damaligem Vizepräsidenten Norio Ōga zusammen, der ausgebildeter Opernsänger war und sich schon immer wünschte, Beethovens Neunte ohne störendes Wechseln des Tonträgers hören zu können. Ōgas Lieblingsversion, dirigiert von Herbert von Karajan, dauert 66 Minuten, die Techniker hielten sich an die damals längste zur Verfügung stehende Version von Wilhelm Furtwängler. Die Aufnahme aus dem Jahr 1951 hat eine Spieldauer von exakt 74 Minuten. 74 Minuten bedeuteten zwölf Zentimeter Durchmesser des optischen Datenträgers. Die Entwickler von Philips hätten mit Skepsis reagiert, da eine so große Scheibe nicht in die Anzugtaschen passen würde. Daraufhin hätten Sony-Entwickler Anzüge aus aller Welt ausgemessen, mit dem Ergebnis, dass für zwölf Zentimeter überall Platz sei. Damit hätten Beethoven und Furtwängler dieser Legende nach einen neuen Standard festgelegt.

Alle Menschen werden CD-Hörer

Schellackplatte „Grammophon“, Quelle: Landesmuseum Württemberg.

Daß man die Erde doch als eine Scheibe betrachten kann, bestätigt sich in der Weltsicht eines LP-Sammlers. Auch wenn sich das Verständnis seit der Zeit des Plattenspielers verändert hat, die Silberscheibe hat das Hören ungleich mehr vertieft. Meine erste Bekanntschaft waren 10 Zoll-Schellackplatten auf denen lediglich eine Arie ihren Platz fand. Wer später des Wechseln der Schallplattenseiten beim Hörer eine Oper leid war, für den ist die Compact Disc (im weiteren CD) eine Offenbarung, vom Klangempfinden und vom Frequenzspektrum der unterschiedlichen Musikinstrumententypen. Und das Wort Laserabtastung war gleichsam eine Botschaft aus der Medienzukunft, man betrachte den Anfang von George Michaels Freedom!, es nicht nicht die vier charmanten Damen, die diesen Clip ins Grooven bringen, es ist ein CD-Player.

 

 

Die HiFi-Stereophonie bedeutet räumliches Hören und hohe musikalische Klangreinheit, bei einer guten Abmischung. Es ein erhabenes Ereignis, eine irisierend leuchtende CD aus dem Jewelcase zu heben, in den Schacht einen Players einzulegen, auf mechanischem Weg die Strecke zur Laserabtastung einzuleiten und zu hören; sich – bestenfalls – mit einem Kopfhörer hinzusetzen und ein Hörbuch durchzuhören bringt einem den Künstler und der Kunst so viel näher als alles, was man sich online ­als Klangtapete runterholen kann.

Wer immer bis zu diesem Tage den Sieg davontrug, der marschiert mit in dem Triumphzug, der die heute Herrschenden über die dahinführt, die heute am Boden liegen. Die Beute wird, wie das immer so üblich war, im Triumphzug mitgeführt. Man bezeichnet sie als Kulturgüter.

Walter Benjamin

Streams und mp3 haben Musik  zu etwas Flüchtigem gemacht. Wer eine CD kauft, sehnt sich nach dem Musikhören als Gesamt­erlebnis. Auf einer HiFi-Stereoanlage gehört, haben CDs als Erinnerungsspeicher großartige Qualitäten: Charme, Wertigkeit und Klangschönheit. Das wissen inzwischen immer mehr Sammler zu schätzen. Wer sich bei I-Tunes Musiktitel runterholte, kauft jetzt wieder CDs. Für Menschen, die den ganzen Tag auf Bildschirme starren, ist die CD eine willkommene Abwechslung. Ein Hörbuch entschleunigt und reduziert die Reizüberflutung. Das Handgemachte, Ehrliche, Authentische spricht gerade vernetzte, gestreßte Großstädter an, die zwar all ihre Daten in Clouds hochladen, aber zur abendlichen Erdung etwas Warmes, Greifbares und künstlerisch Wertvolles suchen. Das Hörbuch bedeutet weiterhin einen Zugewinn, zumal es Autoren gibt, die durch ihre Art zu Rezitieren die Lektüre nicht nur klanglich bereichern. Hörbücher sind, wie Jens Pacholsky auf KUNO feststellte: Die herausgestreckte Zunge des Medienzeitalters.

 

 

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Die mir liebste Einspielung von Beethovens 9. stammt nicht vom Reichskapellmeister, sondern von Leonard Bernstein, der diese Sinfonie im Ost-Berliner Schauspielhaus am Gendarmenmarkt dirigierte. Der Meister nahm dabei eine Textänderung vor, im Finalsatz, von Schillers Ode „An die Freude“ ersetzte er das Wort „Freude“ durch „Freiheit“. Und mit einem Mal wurde Beethoven – den Wilhelm Furtwängler 1944 dem Reichspropagandaminister zu Füssen gelegt hat – durch den Mauerfall zur künstlerischen Tat.

Um Irrtümern vorzugreifen, es ist eine Dirigentengeste und nicht der Führergruß

Weiterführend → 

Meine erste Schallplatte: „Heart of glass“ von Blondie, vorgestellt von Martina Haimerl. Life circles at 33rpm!, postulierte Mischa Kuball. Wer sich hinter „Mister B“ verbirgt, beschreibt Christine Kappe. Ergänzend ein Artikel zum Kassettenuntergrund. »Don Juan« von Dave Dee, Dozy, Beaky, Mick and Tich, vorgestellt von Joachim Feldmann. Eine Reise ins Glück von den Lilians, vorgestellt von Ju Sophie Kerschbaumer. „This charming man“ von den Smiths vorgestellt von Haimo Hieronymus. Dschäääzz!!!, gehört von Eva Kurowski. Helge Schneider ist wahrscheinlich der bislang einzige Solo-Künstler, der gleich mit seiner ersten Platte den Titel Seine größten Erfolge gab. Begleitet wurde er bei den Aufnahmen durch Tonmeister Tom Täger im Tonstudio an der Ruhr. Meine ersten drei Platten, vorgestellt von Marcus Baltzer. Meine Musik, vorgestellt von Ulrich Bergmann. Eine Erinnerung an Mensch-Maschinen-Musik, das Gesamtkunstwerk Kraftwerk. Seit 1991 die Lieblingsband der Readktion: Mona Lisa Overdrive. Mit etwas Verspätung erschien Pia Lunds zweites Solo-Album Gift. Eine Wiederveröffentlichung der Neu!-Studioalben ist auf dem Label Grönland erschienen. in 1999 ging KUNO der Frage Label oder available? nach.

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