„Zombies sind keine Menschen.“

 

Das Bundesverfassungsgericht ist so etwas wie das Orakel der Demokratie in diesem unserem Lande geworden. Immer wenn Politiker nicht mehr weiter wissen oder einfach nur unfähig sind, Entscheidungen zu treffen, rufen sie Karlsruhe an, damit dort ein Urteil im Namen des Volkes herbeigeführt wird. Eine der interessanten Äußerungen der Menschen in den roten Roben dürfte die Frage sein, ob ein Film gegen die Menschenwürde verstößt, der die grausame Tötung von Zombies („lebender Toter“) zeigt:

„Zombies sind keine Menschen.“

Über die „Die Gegenwart des Untoten“ denkt Ueli Bernays heute in der NZZ nach, entdeckt eine Konjunktur von Zombies in der Pop-Kultur und sieht ihre Ursache in der sogenannten Retromanie. Er betrachtet dabei apokalyptische Comics wie «Walking Dead» und das Untote in Tracks und Serien. Bernays versucht sehr umwegig, Zombies  kulturtheoretisch zu deuten: „als vegetierende Subjekte sinnentleerter Rituale. Oder als verdrängte Untote, die in keiner Tradition und Geschichte Ruhe gefunden haben und sich nun im Zeichen des Retro-Stillstands ins Bewusstsein zurückschleichen. Und was immer Künstler nun schaffen – stets macht ihnen ein Untoter die Gegenwart streitig.“

Leider ereicht Bernays in keiner Phase seines Artikel auch nur annähernd die Originalität eines Slavoj Žižek, der gestern in der SZ einen interessanten Vergleich zog:

„Es gibt da einen tollen Film von 1932 ‚White Zombie‘. In Haiti führt Bela Lugosi jemanden durch eine Fabrik, in der er ausschließlich Zombies für sich arbeiten lässt. Lugosi erklärt, wie wunderbar das funktioniert: Die Zombies sind immer wach, beschweren sie nie über Überstunden und bilden keine Gewerkschaften. Das führt direkt zu meiner Theorie, dass im Horrorfilm eigentlich ein Klassenkampf zwischen Vamipiren und Zombies inszeniert wird. Vampire sind ja meistens Aristokraten, leben mitten in der Gesellschaft und alles funktioniert normal, bis darauf, dass sie nachts ein bisschen Blut trinken. Erst wenn die Zombies kommen wird das alles anders: das ist die Revolution.“

A.J. Weigoni ist ein genialer Decouvreur von Alltagsmythen, ein Demonteur von Sprache auf hohem Niveau.

Wolfgang Schlott

Schlechte Zeiten sind gute Zeiten für Satiriker. Und die Zeiten der Bankenkrise ist nicht gerade rosig. Der große literarische Satiriker der Gegenwart ist aber noch zu entdecken. Sein Name, dieser Verdacht mehrt sich zumindest in deutschen Sprachraum, könnte A.J. Weigoni sein. Ein guter Einstieg in sein Werk sind die Zombies, die unter Weigoni-Kennern als seine bislang zugänglichste gilt. Diese Erzählungen sind haarsträubend, abstoßend, rührend und witzig, man  liest von Dystopien und Alltagskrisen, Tragödien und Peinlichkeiten, bis man das eine kaum noch vom anderen unterscheiden kann.

Die Literaturkritikerin Jessica Dahlke erklärte Weigonis Zombies zum Kultschatz:

„Mit „The Walking Dead“ ist das Trash-Genre Zombies seriell geworden. Die Frage ist, kann man daraus gute Literatur machen? Die Antwort lautet ja. Und zwar A.J. Weigoni, der in seinem neuen Roman „Zombies“ zeigt, dass es keinen Virus oder Totenkult braucht, um aus uns allen Zombies zu machen.“

Auch der Novellenband Cyberspasz, a real virtuality stieß bei ihr auf positive Resonanz:

„A.J. Weigoni ist einer der wenigen deutschen Schriftsteller, die die Aufgabe des kulturellen Sichtbarmachens voll und ganz beherrschen, ohne didaktisch den Finger zu heben. Seine Meisterschaft im Umgang mit Sprache und Metaphern zerrt das an die Oberfläche, was vor den meisten Menschen versteckt bleiben will.“

 

 

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Zombies, Erzählungen von A.J. Weigoni, Edition Das La­bor, Mülheim an der Ruhr 2010.

Coverphoto: Anja Roth

Weiterführend → KUNO übernimmt einen Artikel von Karl Feldkamp aus Neue Rheinische Zeitung und von Jo Weiß aus der vom Netz gegangenen fixpoetry. Enrik Lauer stellt den Band unter Kanonverdacht. Betty Davis sieht darin die Gegenwartslage der Literatur, Margaretha Schnarhelt kennt den Ausgangspunkt und Constanze Schmidt erkennt literarische Polaroids. Holger Benkel beobachtet Kleine Dämonen auf Tour. Ein Essay über Unlust am Leben, Angst vor’m Tod. Für Jesko Hagen bleiben die Untoten auch weiterhin lebendig.