Jutta Legueil Verlag

 

Einige Jahre lang war ich der irrigen Meinung, Atelier Verlag und Verlag im Wald seien die einzigen Verlage im deutschen Sprachraum, die sich intensiv um die Verbreitung französischsprachiger Lyrik im deutschsprachigen Raum bemühen. Weit gefehlt. In Stuttgart führt Jutta Legueil ihren gleichnamigen Verlag, in dem lyrische Bücher mit französischer Lyrik der Spitzenklasse entstehen – und damit meine ich Buchgestaltung und Programmqualität. Gelegentlich weist die Wochenzeitung Die Zeit auf ein lyrisches Erzeugnis eines kleinen Verlags hin, nämlich dann, wenn auf dem Buchdeckel ein berühmter Name prangt – wie in diesem Fall René Char. Ich setzte mich nach zufälliger Kenntnisnahme des kleinen Artikels mit der Verlegerin in Verbindung, wir kamen sogleich ins freundliche Gespräch, und ich lernte den Verlag kennen mit Chars Der herrenlose Hammer – Le Marteau sans maître. Zu René Char muß ich nichts sagen außer: Dieser Dichter gehört in jede Lyrikbibliothek. [Werner Bucher beklagt in einem Aufsatz die traurige Tatsache, wie viele schreibende Leute sich allzu sorglos in der Lyrikwelt aufhalten, von der sie glauben, sie seien deren Mittelpunkt. Am 30. Juli 2005 erhielt ich eine weitere unverlangte Büchersendung, deren Inhalt nur Kopfschütteln auslöste. Interessant ist dabei das oft zur Schau getragene außerordentlich selbstbewußte Auftreten, mit dem diese Herrschaften ihr Produkt, das mit Lobhudeleien von ahnungslosen Gutmeinern auf U4 garniert ist, an den Mann bringen wollen.] Hören wir Char selbst mit einem seiner Aphorismen: „Angesichts der Verantwortung des Gedichts glaube ich wohl, ohne jeden Spott, daß der Dichter imstande ist, das Kriegsrecht auszurufen, um seine Inspiration zu speisen. Der Funke legt Zeugnis ab.“ Offenbarungen sind für mich auch die zweisprachigen Lyrikbücher Nächte im Tausch von Raphaële George oder Ein Ort im Blick der Steine von Jean-Luis Giovannoni. Wunderbare Bücher, die es sicherlich hierzulande noch zu entdecken gilt, denn Jutta Legueil betont, daß zahlreiche Exemplare auch älterer Titel – so beispielsweise Jean Louis Giovannonis Gedichtbuch mit dem geheimnisvollen Titel Ein Ort im Blick der Steine (1989) – noch der Käufer harren, die neugierig im besten Sinne sind, andere Lesewege zu beschreiten als die vom Feuilleton und anderen Medien beschrieenen und die glücklicherweise nicht der Überzeugung sind, nur die neuen Bücher im neuen Jahrtausend seien wert, erworben zu werden. Für die mir bekannten Titel aus dem Verlag Jutta Legueil darf ich sagen: Das Gegenteil ist der Fall.

 

 

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Weiterführend Ein Essay über den Lyrikvermittler Theo Breuer.

Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen der Kultur

Poesie zählt für KUNO zu den identitäts- und identifikationstiftenden Elementen einer Kultur, dies bezeugt der Versuch einer poetologischen Positionsbestimmung. Um den Widerstand gegen die gepolsterte Gegenwartslyrik ein wenig anzufachen schickte Wolfgang Schlott dieses  post-dadaistische Manifest. Warum Lyrik wieder in die Zeitungen gehört begründete Walther Stonet, diese Forderung hat nichts an Aktualität verloren. Lesen Sie auch Maximilian Zanders Essay über Lyrik und ein Rückblick auf den Lyrik-Katalog Bundesrepublik. KUNO schätzt den minutiösen Selbstinszenierungsprozess des lyrischen Dichter-Ichs von Ulrich Bergmann in der Reihe Keine Bojen auf hoher See, nur Sterne … und Schwerkraft. Gedanken über das lyrische Schreiben. Lesen Sie ein Porträt über die interdisziplinäre Tätigkeit von Angelika Janz, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ein Porträt von Sophie Reyer findet sich hier, ein Essay fasst das transmediale ProjektWortspielhallezusammen. Auf KUNO lesen Sie u.a. Rezensionsessays von Holger Benkel über André Schinkel, Ralph PordzikFriederike Mayröcker, Werner Weimar-Mazur, Peter Engstler, Birgitt Lieberwirth, Linda Vilhjálmsdóttir, und A.J. Weigoni. Lesenswert auch die Gratulation von Axel Kutsch durch Markus Peters zum 75. Geburtstag. Nicht zu vergessen eine Empfehlung der kristallklaren Lyrik von Ines Hagemeyer. Diese Betrachtungen versammeln sich in der Tradition von V.O. Stomps, dem Klassiker des Andersseins, dem Bottroper Literaturrocker „Biby“ Wintjes und Hadayatullah Hübsch, dem Urvater des Social-Beat, im KUNO-Online-Archiv. Wir empfehlen für Neulinge als Einstieg in das weite Feld der nonkonformistischen Literatur diesem Hinweis zu folgen.