Das Älteste der „Neuen Medien“

Vor 100 Jahren wurde auf dem Funkerberg in Königs Wusterhausen bei Berlin Rundfunkgeschichte geschrieben. Am 22.12.1920 gingen von hier aus zum ersten Mal Worte und Töne in den Äther – die Geburtsstunde des Radios.

 

Das Radio begann vor rund 100 Jahren, die Hörgewohnheiten zu verändern und die Kulturtechnik des Sendens und Empfangens zu revolutionieren. Der Begriff „Radiophonie“ bezeichnet die daraus erwachsene Konstellation aus technisch vermitteltem Klang und Raum: die Hörerfahrung, in der sich ein Klang mit den Nebengeräuschen von Medium und Kanal zu einem originären Erlebnis vereint. „Radiophonie“ beschreibt somit auch ein Wissen, das sich im Lauf des 20. Jahrhunderts im Umgang mit den Radioapparaten herausbildete. Seit Beginn der Digitalisierung befindet sich das Radio im Umbruch. Während die Formen der Radiokunst in andere Medien migrieren, vervielfachen sich die Möglichkeiten und Ereignisse des Sendens und Empfangens: Der Mensch des 21. Jahrhunderts „funkt“ ununterbrochen und in die verschiedensten Richtungen. Die Frage danach, was empfangen wird und was gesendet, was ausgeblendet und was verstanden wird, folgt dabei nicht nur technischen Prozessen und psychoakustischen Gewohnheiten, sondern auch politischen Interessen.

Eine Demokratie brauche gute, unabhängige, Informationen, die der private Markt mit seinem Blick auf Einschaltquoten nicht liefern können. In Deutschland muss man sich fragen, ob Krimis, Fußballübertragungen oder Talk-Shows zur informationellen Grundversorgung gehören.

Welchen Rundfunk wollen und brauchen wir? Was muss sich bei ARD, ZDF und Deutschlandradio ändern?

Die taz hat unlängst eine konstruktive Diskussion über den öffentlich-rechtlichen Rundfunk in Deutschland begonnen, so schreibt der Jungliberale Phil Hackemann in einem lesenswerten Artikel:

Wir benötigen deshalb keine Dutzenden öffentlich-rechtlichen Sender mehr, die im Grunde dasselbe Angebot bereitstellen wie ihre privaten Pendants. Stattdessen bräuchten wir im Prinzip nur noch einen werbefreien öffentlichen Sender pro Ausstrahlungsform (also Radio und TV), der uns rund um die Uhr mit hochwertigen Nachrichten, Dokumentationen und Kultur versorgt – und zwar ohne Werbeunterbrechung.

Die Grünen-Politikerin Tabea Rößner fordert in dieser lesenswerten taz-Reihe eine Debatte über die Öffentlich-Rechtlichen, sie fordert, dass die Sender ins Netz expandieren dürfen – schon aus Misstrauen gegenüber der jetzigen Netz-Öffentlichkeit:

Die öffentliche Meinungsbildung ist großen Verwerfungen ausgesetzt. Fake News, Hate Speech und Echokammern gefährden den demokratischen Diskurs. Dazu kommt: Die meisten Informationsangebote im Internet sind marktwirtschaftlichen Prinzipien unterworfen, die auf Sensation und Skandalisierung drängen. Und Vielfalt von Anbietern bedeutet nicht automatisch Vielfalt von Meinungen.

Nicht zu vergessen die einzige Kunstform, die nur das Radio hervorbringen konnte, das Hörspiel. Der öffentlich-rechtliche Rundfunk sitzt wie ein Drache auf einem Goldschatz. In seinem Archiv befinden sich tausende Stunden an gebührenfinanzierten Hörspielen. Es wird Zeit diese Produktionen im Weltnetz zuglänglich zu machen.

Der Rundfunk hat die Literatur zu einem stummen Gebiet gemacht.

Alfred Döblin, 1929

Photo von Eckhard Etzold

A.J. Weigoni erlag der Faszination des Mediums Radio in seinen Kindertagen, als der Rundfunk zu einem Zauberinstrument des Wortes wurde, zur akustischen Probebühne der Poesie, zum Atem der Vernunft. Er saß vor einem Rundfunkempfangsgerät mit Tigerauge wie vor einer Kultstätte und vergaß, als er vor dem Lautsprecher saß, die Apparaturen und Stationen. Das Medium Radio erlebte er als zauberhaft und seine Unmittelbarkeit als bestechend. Wenn er den Empfang optimieren wollte, mußte er nur geradewegs ins magische Auge des Empfangsgeräts schauen, das aufging oder sich schloss, wie eine sogenannte Abstimmanzeigeröhre, welche die Stärke des Signals veranschaulichte. Der Himmel war nicht nur der Himmel der Erde, sondern auch das Firmament der Kunst.

Das Internet hat die traditionelle Aufgabenteilung längst überwunden. Es hat etwas länger gedauert, bis sich  die Radiotheorie im Internet in mediale Praxis verwandelt hat. Neben Bloggern und Podcastern ist hier eine neue Spielart eines sekundären Marktes entstanden, der einer Menge an Zwischenhändlern via eBay schon einmal zum Start verholfen hat. Die digitale Revolution verblüfft ihre Kinder mit immer neuen Volten und zeigt, worin der Erfolg der neuen Medien bestehen kann. Die Community kann direkt Einfluss auf die Seiteninhalte in Form von Artikeln und Bewertungen zu nehmen, darüber hinaus können die Benutzer selbst Änderungen an der Datenbank vornehmen.

Bei vordenker hat man die Möglichkeit, Hörspiele herunterzuladen. Seitdem Hörspiele ständig und überall herunterladbar geworden sind, schwimmt auch die zuständige Kritik öfter im „Ocean Of Sound“ – und taucht manchmal unter. Zumal die allgemeine Herunterladbarkeit von Hörspielen, die Veränderung der Hörgewohnheiten, die mit dem großen stilistischen Durcheinander auf Festplatten ein… hergeht, längst auch auf die Hörspielproduktion selbst durchschlägt. Nicht nur die Grenzen zwischen verschiedenen Stilen sind durchlässig geworden, auch der Unterschied zwischen Vergangenheit und Gegenwart ist längst verwischt. Dem muß man sich stellen. Das mag heißen, daß man mit den Beinen strampelt, daß man um Hilfe ruft oder daß es einem gelingt, auf den Wellen surfen und elegant über die Schaumkronen des „Ocean Of Sound“ zu reiten. Am Ende kommt es darauf an, so wenig Wasser wie möglich zu schlucken.

 

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„Das kleine Helferlein“, Hörfilm aus dem Jahr 1990, zu hören auf MetaPhon.

In den Download-Angeboten der Reihe MetaPhon wurden zwischen 2011 – 2013 bei vordenker.de Hörspielmacher, Musiker und Komponisten aus der Rhein/Ruhr-Region vorgestellt.

Zu hören sind die Hörspielmacher: Mario Giordano, Helge Schneider, Jens Neumann, Marina Rother, Sophie Reyer, A.J. Weigoni, u.a.

Und die Komponisten: Peter Brötzmann, Eva Kurowski, Franz Halmackenreuther, Frank Michselis, Mona Lisa Overdrive, Alexander Perkin, Volker Förster, Tom Täger, u.a.

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