Herzschläger

 

Der Ostbahnhof hieß Hauptbahnhof

Die Landsberger war Leninallee

„Zwei Jahre Bautzen“, sagt einer. „Aber hat mir dit jeschadet?“

„Da war einer“, sagt einer, „der hat sich die Knöpfe direkt an die Haut genäht.“

 

Der war Herzschläger

Der stand gerade, wenn allet schief lief

Dann hatte der Mietschulden

Ist doch nicht meine Schuld, hat der gesagt

Wenn die kommen und was wollen, dann mach ick die aber fertig, hat er gesagt

Dann ist der zu seiner Bekannten gezogen, verdeckte Obdachlosigkeit, das ganze Programm

Der hatte nur noch seinen Hund

Keine Hunde im Haus: das sind die Regeln, haben die gesagt

Ja, muss ich jetzt doch noch zum Mörder werden.

 

Jetzt steht er da und sagt Hauptbahnhof

Und sagt Leninallee ist gleich die nächste links

Und ist froh, dass der Kelch einer Bluttat an ihm vorbei ging.

War so kurz davor, war verdammt knapp.

 

Die Bekannte wollte dann lieber einen anderen bei sich wohnen lassen,

die Wohnung günstig an sich.

Der Andere war noch nicht so struppig,

war angeblich auch mit dem Horst Buchholz auf der Schule im Prenzlauer Berg/Arbeiterbezirk

Ist aus allen was geworden

Die Mauer kam dann einem Film dazwischen

Hat man eben in München Berlin nachgestellt

Das sind doch schöne Geschichten.

 

„Ich hatte zum Schluss keinen Schwank mehr auf der Naht

Daran wird es gelegen haben.“

 

Jetzt sitzt er da in der Sparkasse

Immer noch pfiffig zieht er die Tür an einer Kordel auf

Jedem wünscht er einen guten Abend,

das bringt ihn auf einen Stundenlohn:

„Dafür gehen andere arbeiten.“

Ist er stolz darauf, hat noch was in sich, hat Mark in den Knochen

 

War ein guter Mann, war Herzschläger, dem konnte keiner.

(Damals, als die Karin Baal Monika Peitsch im Palladium Kreuzberg/Arbeiterquartier ausstach mit ihrem harten traumlosen Gesicht. Das Publikum stimmte ab

Blond stand auf der einen Box, schwarz auf der anderen. Das Ergebnis stand fest.)

 

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Weiterführend →

KUNO hat in diesem Jahr unterschiedliche Autoren zu einen Exkurs zur Twitteratur gebeten, und glücklicherweise sind die Antworten so vielfältig, wie die Arbeiten dieser Autoren. Anja Wurm, sizzierte, warum Netzliteratur Ohne Unterlaß geschieht. Ulrich Bergmann sieht das Thema in seinem Einsprengsel ad gloriam tvvitteraturae! eher kulturpessimistisch. Für Karl Feldkamp ist Twitteratur: Kurz knackig einfühlsam. Jesko Hagen denkt über das fragile Gleichgewicht von Kunst und Politik nach. Sebastian Schmidt erkundet das Sein in der Timeline. Gemeinsam mit Sophie Reyer präsentierte A.J. Weigoni auf KUNO das Projekt Wortspielhalle, welches mit dem lime_lab ausgezeichnet wurde.