Die Untoten – Kongress und Inszenierung

 

Eine Welt von „Untoten“ bevölkert als Traum oder Alptraum unsere Filme, Romane, Comics, Feuilletons und Bestsellerlisten. Gleichzeitigschaffen die modernen Biotechnologien und ihre Möglichkeiten in Lebensprozesseeinzugreifen, derzeit eine Umbruchsituation. Die Kulturstiftungdes Bundes veranstaltet an diesem Wochenende einen Kongress auf Kampnagel in Hamburg, auf dem sie Wissenschaft und Popkulturmiteinander konfrontiert.

 

Aus dem Vortrag des Filmwissenschaftlers Marcus Stiglegger:

„In jüngsten Beispielen in Film, Comic und Computerspiel ist also eine neue Generation der Untoten zu beobachten: Die einst apathischen Schattenwesen sind heute klüger und schneller. Ihre ursprüngliche Regression erinnert nu

n eher an ein archaisches Raubtier mit überlegenen Instinkten und rebellischem Potenzial. Die infektiöse Verbreitung der Zombifikation wird immer wichtiger, während schauerromantische Motive der Auferstehung und des Fluchs — und damit jene schwarze Ro

mantik des 19. Jahrhunderts — in denHintergrund treten, wobei die Transformation in einen Zombie nun nicht mehr bedeutet, zum Spielball fremder Mächte zu werden. Die Gemeinschaft der Untoten erscheint vielmehr als funktionierende Gegengesellschaft, gewissermaßen als Spiegel zu den Fragmenten der menschlichen Gemeinschaft, die sich in der Krise des Kapitalismus aufgerieben hat. Nach dem Cyborg und dem Prothesenmenschen kann der Untote als die erste wahrhaft aus dem Menschen heraus generierte posthumane Entität begriffen werden. Und stets reflektieren Zombiefilme – bewusst oder latent – die Zeit ihrer Entstehung und nutzen die Metapher vom lebenden Toten mal als politische, sozialeoder satirische Basis. Während der Mensch der (post-)modernenGesellschaft ganz auf autoritäre Strukturen zu vertrauen scheint und in seiner sozialen Passivität verharrt, erscheinen die Untoten als wahrhafte Gegengesellschaft mit aktionistischem Instinkt und Überlebenswillen. Die Untoten, könnte man sagen, werden menschlicher als der Mensch, den sie nach und nach verdrängen undersetzen. Was zunächst als Regression erscheint, entpuppt sich letztlichals unerwartete Evolution.“

 

 

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Zombies, Erzählungen von A. J. Weigoni, Edi­tion Das Labor, Mülheim an der Ruhr 2010.

Weiterfühend →

KUNO übernimmt einen Artikel von Karl Feldkamp aus Neue Rheinische Zeitung und von Jo Weiß von fixpoetry. Enrik Lauer stellt den Band unter Kanonverdacht. Betty Davis sieht darin die Gegenwartslage der Literatur, Margaretha Schnarhelt kennt den Ausgangspunkt und Constanze Schmidt erkennt literarische Polaroids. Holger Benkel beobachtet Kleine Dämonen auf Tour. Ein Essay über Unlust am Leben, Angst vor’m Tod. Für Jesko Hagen bleiben die Untoten lebendig.