Freibank im Rheintor

 

Die Freibank war eine Einrichtung zum Verkauf minderwertigen, aber nicht gesundheitsschädlichen Fleisches, das in der Fleischbeschau als »bedingt tauglich« eingestuft wurde. Freibankfleisch stammte aus Schlachtung von Tieren, die eigentlich nicht für die Schlachtung bestimmt waren, will sagen, die beispielsweise durch Unfälle, Notschlachtungen et cetera zu Tode gekommen waren. Die Preise waren hier durchgehend niedriger als in den übrigen Verkaufseinrichtungen. Die Verwertung älterer Tiere war möglich, aber nicht die Regel, es wurden mehr jüngere Tiere verarbeitet, die verunfallt waren, oder deren tierärztliche Behandlung sich als wirtschaftlich nicht sinnvoll darstellte. Die veterinärmedizinischen Untersuchungen für Fleisch, das in der Freibank verkauft wurde, waren aber erheblich ausführlicher als bei allen Normalschlachtungen. Dadurch wurde es möglich, Fleisch in hervorragender Qualität zu minimalem Preis in der Freibank zu erwerben. Auch die Freibank im Rheintor diente, insbesondere in einer Zeit des Mangels, der Verwertung möglichst aller tierischen Produkte. Seit den 1970er Jahren besteht mehr und mehr ein Überangebot an Fleisch, das zu relativ günstigen Preisen verkauft wird. Die Freibank hatte damit ihre wirtschaftliche Basis verloren. Und in Linz am Rhein eine künstlerische gewonnen.

Der weiche, flüchtige Strich

Almuth Hickl läßt uns gleichsam durch die Bildhaut hindurch auftauchen und leibliche Präsenz evozieren, und darüber hinaus gibt sie dem Menschsein ein Gesicht. Der weiche, flüchtige Strich, das im Moment eingefrorene Licht, das Antistatische ihrer Bilder belegt: das Bebende und Ruhelose der Malerei und Fotographie, das als direkter Ausdruck eines inneren Glühens verklärt wurde. So homogen ihre Werkgruppen sind, so heterogen erscheint die Handschrift der Artistin, wenn man die Werkgruppen nebeneinander stellt, vielfältig wie das Leben selbst.

Sprachbilder am Abgrund des Unaussprechlichen

Ein lyrisches Ich, das alles aufs Spiel setzt

Swantje Lichtensteins Verse sind ausdrucksstark; sie zeichnet mit Metaphern Sprachbilder in die Vorstellungen der Leser. Lichtenstein ist eine Wortverdreherin, eine Sprachspielerin am Abgrund des Unaussprechlichen, die das Gesagte und das Ungesagte, das Sagbare wie das Unsagbare jederzeit zu einem Wortwitz machen kann. Ein lyrisches Ich, das alles aufs Spiel setzt, welches vom Weltgefühl der Verlorenheit umzingelt ist und dennoch läßt sie am Rande des Schweigens die Sprache zu Wort kommen. Für diese existenzielle Zerreißprobe Wörter zu finden – das ist ihre Poesie.

 

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Freibank von Almuth Hickl, mit Swantje Lichtenstein

Rheintor, Linz – Anno Domini 2011, Edition Das Labor 2011. – Limitierte und handsignierte Auflage von 100 Exemplaren. – Dem Exemplar 1 – 50 liegt ein Holzschnitt von Haimo Hieronymus bei.

Rheintor, Photo: Klaus Krumscheid

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Zum Thema Künstlerbücher finden Sie hier einen Essay sowie einen Artikel von J.C. Albers. Vertiefend auch das Kollegengespräch mit Haimo Hieronymus.

Die Künstlerbucher sind erhältlich über die Werkstattgalerie Der Bogen, Tel. 0173 7276421