Trittbrettfahrer

a great rock ’n‘ roll swindle

Der Manager der Sex Pistols, Malcolm McLaren hatte auf einer Reise nach N.Y.C den Bassisten Richard Hell kennengelernt. Der lief damals schon so rum, wie der Part-Time-Punk John Lydon, der von McLarens Lebenspartnerin Vivienne Westwood ausgestattet wurde. Zerrissenes Shirt, von Sicherheitsnadeln zusammengehalten, die Haare zu einer Struwwelpeterfrisur hochgegelt. Dank des britischen Gesundheitssystems hatte John Lydon Zähne, die man als rotten bezeichnen kann.

McLaren erfand den Gruppennamen und castete damit eine Boy-Group. Er hatte zu dieser Zeit zusammen mit seiner Lebenspartnerin Westwood eine Modeboutique namens Sex und sorgte so auch für die Ausstattung der Gruppe im Stil der dort erhältlichen Verkleidung. Er versandte eine Anzahl von Demotapes an die üblichen Verdächtigen, um der Gruppe einen Plattenvertrag zu verschaffen.

Dies ist die Geschichte einer Band, die durch die Kündigung von drei Verträgen mit Plattenfirmen bereits genug Geld eingenommen hat. Die Musik war nicht mehr unbedingt erforderlich.

Die erste Single Anarchy in the U.K. wurde von Dave Goodman produziert. EMI veröffentlichte die Single im November 1976. Sie wurde kurzfristig wieder zurückgezogen. Der Grund war der Medienrummel um den Auftritt der Sex Pistols in der Bill Grundys-TV-Show Today. Moderator Grundy provozierte sie in dieser Live-Show, unanständige Worte zu sagen. Auch wenn die Radiostationen die Single nicht spielten, wurde das programmatische Stück trotzdem ein Erfolg.

Aufgrund dieses Skandals trennte sich ihr erstes Plattenlabel EMI von der Band.

Am 15. Mai 1976 nahmen sie in den Majestic Studios Problems, No Feelings und Pretty Vacant auf. In den Denmark Street Rehearsal Rooms und Riverside Studios spielten sie 9 Titel ein. Nach Aufnahmen im November und Dezember arbeiteten die Sex Pistols im Januar und Februar 1977 in den Wessex Sound Studios, um mit dem Toningenieur Bill Price God Save the Queen, Pretty Vacant, und E.M.I. einzuspielen.

Zu einer Band von Posern passte ein Bassist, der sein Instrument nicht beherrschte.

Sid Vicious, der neue Bassist, spielte beim Titel Bodies, aber seine Fähigkeiten reichten nicht aus, das gesamte Album mit aufzunehmen. Produzent Thomas erklärte, er und Price hätten „den Versuch aufgegeben, Vicious’ Bass-Spur“ zu verwenden. Daher bat die Band ihren Manager McLaren, den früheren Bassisten Glen Matlock zu überzeugen, bei den verbleibenden Sessions zu spielen. Matlock stimmte unter der Bedingung zu, dass er vorher bezahlt würde. Als das Geld jedoch nicht einging, lehnte er seine weitere Teilnahme ab. Daraufhin überzeugte Produzent Thomas den Gitarristen Steve Jones, auch den Bass zu übernehmen. Er spielte dann so überzeugend, dass Thomas ihn für die Bassspuren aller verbleibenden Songs beauftragte.

Vier Tage nachdem die Aufnahme abgeschlossen war, unterschrieb McLaren einen Vertrag bei A&M Records. Doch bereits am 16. März kündigte das Label diesen wieder. Mehrere tausend Exemplare der Single God Save the Queen, die in Kürze hätte erscheinen sollen, wurden vernichtet.

Inzwischen waren die Pistols von den Labels VBS, Decca und Polydor abgelehnt worden, sodass nur noch das Angebot von Virgin übrig blieb. Ihr Manager hoffte immer noch, von einem Major-Label unter Vertrag genommen zu werden.

Er wollte deshalb nur eine Single bei Virgin veröffentlichen, um die Attraktivität der Band für größere Plattenfirmen zu erhöhen.

Richard Branson, der Besitzer von Virgin, lehnte dies jedoch ab. So unterzeichnete die Band schließlich einen Vertrag für das ganze Album mit Virgin. Zwei Wochen später veröffentlichte das Label kurzfristig God Save the Queen als Single. Beim Werben für diese Single erklärte Rotten, dass die Arbeiten am Album noch andauerten. Die Combo kehrte ins Studio zurück, um Holidays in the Sun aufzunehmen.

1977 war das 25. Thronjubiläums von Königin Elisabeth II. McLaren sorgte durch die öffentliche Präsentation von God Save the Queen für den zugehörigen Skandal: Die Sex Pistols spielten das Stück auf einem angemieteten Ausflugsschiff, das längs des Jubiläumsumzuges auf der Themse fuhr. Gemessen an den Verkaufszahlen kam die Single auf Platz 1 der Hitparade, obwohl sie im öffentlichen Rundfunk tabu war. Allerdings gab es Manipulationen der Charts durch das British Phonographic Institute, sodass die Charts offiziell von Rod Stewarts I Don’t Want to Talk About It angeführt wurden.

In Großbritannien wurde Never Mind the Bollocks am 28. Oktober 1977 veröffentlicht. Der Albumtitel verstärkte die Kontroverse, weil einige das Wort bollocks anstößig fanden. Viele Plattenläden weigerten sich, das Album zu verkaufen. In einigen Charts wurde es nicht aufgeführt, sondern stattdessen nur eine Leerstelle gezeigt.

Ein Album, dass von drei Labels wieder eingestampft wurde und niemand ganz gehört hatte wurde ein Erfolg.

Kaum jemand hatte das Album gehört, doch es gab 125.000 Vorbestellungen. Never Mind the Bollocks erreichte in der Woche nach der Veröffentlichung Platz eins der britischen Albumcharts. Ein Verbot des Albums durch große Einzelhändler führte dazu, dass die Platte stattdessen von unabhängigen Anbietern verkauft wurden. Die Pistols waren, wie ihr Manager Malcolm McLaren später feststellte, a great rock ’n‘ roll swindle. Niemand brauchte ein weiteres Album, dazu waren die musikalischen Fähigkeiten der Band nicht hinreichend.

 

 

 

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Never Mind the Bollocks, Here’s the Sex Pistols, 1977

Weiterführend  Der Musikkritiker Ben Watson bezeichnet „Zappas Mothers of Invention“ als „politisch wirksamste musikalische Kraft seit Bertolt Brecht und Kurt Weill“ wegen deren radikalem, aktuellen Bezug auf die negativen Aspekte der Massengesellschaft. So besehen war Frank Zappa neben Carla Bleys Escalator Over The Hill einer der bedeutendsten und prägendsten Komponisten des 20. Jahrhunderts. Gehört Miles Davis nicht dazu? Oder ist Fake Jazz das Eigentliche?

In der Reihe mit großen Blues-Alben hören wir den irischen Melancholiker. Hören den Turning Point, von John Mayall. Vergleichen wir ihn mit den Swordfishtrombones, von Tom Waits und den Circus Songs von den Tiger Lillies. Wahrscheinlich hat selten ein Musiker die Atmosphäre einer Stadt so akkurat heraufbeschworen wie Dr. John. Unpeinlich Deutsche Texte von Ton, Steine, Scherben. Wir ertasten auf KUNO den Puls des Motorik-Beats. Und machen eine Liebeserklärung an die „7-Inch Vinyl Record Single“. Krautrock ohne angloamerikanisches Vorbild – lässt es auch die Kraaniche fliegen? Auf Embryo’s Reise entdeckten die Musiker zwar nicht Amerika, sondern die Weltmusik. Ist das noch Krautrock? – Eher Labskaus vom feinsten! – War David Gilmour ein Krautrocker oder ein verkappter Blueser?

Des Weiteren: Eine Sternstunde des Rock’n’Roll. Eine Betrachtung von Both Sides Now. Lauschen der ungekrönten Königin des weißen Bluesrock. Und im Vergleich dem Lizard-King. Unterdessen begibt sich Eric Burdon auf die Spuren vom Memphis Slim. Erweiternd ein Porträt der Gorgeous Queen of Ruhrgebeat-Trash. Wir warten nach Heavy metal thunder nicht auf den Blitz, um den Göttern des Donners eine Referenz zu erweisen. Thrash Metal ist das Resulthat der Verschmelzung der Energie und Geschwindigkeit des Hardcore Punk mit den Techniken der New Wave of British Heavy Metal. Wir verorten auf KUNO die erste Punk-LP mit dem Bananenalbum. Oder war es doch der Garagenrock? Wann hört der Substance von Punk auf? Wann beginnt der Post-Punk? Ist das bereits New Wave? Oder stellt Polyrythmik den Höhepunkt dar? – Der Titeltrack des Albums ist der mit Abstand spektakulärste und zeitloseste Titel des Albums. Bis heute ist Blank Generation der Song, der wohl größer ist als die Band, die ihn produziert hat. Gegen Fresh Fruit for Rotting Vegetables hört sich alles andere wir Pop an. Die Alben von Wire stellen in beeindruckender Weise dar, was aus Punk hätte werden können.

The oldest sister with transistors was Laurie Anderson. Ihre jüngere Schwester im Geiste ist ein isländischer Kobold. Charmant an den Ambient Chansons von Mona Lisa Overdrive sind die Stücke, auf denen die Sängerin Nicole Vogt dem Material mit einer etwas fernen, wehmütigen Stimme eine Seele einhaucht. Geschlagene 16 (in Worten Sechzehn) Jahre lang kursierten unter den gewöhnlich gut eingeweihten Szenenkennen diverse Gerüchte um das unveröffentlichte Album Gift aus dem Jahr 2000. Es sollte seinerzeit Pia Lunds zweites Solo-Album nach ihrer Trennung von Phillip Boa & The Voodooclub werden. Lundaland, ihr Solo-Debüt von 1999, hatte die Kultsängerin als elegante Vorreiterin des verspielten Elektrobeats etabliert. Der Pyrolator aus Berlin erhielt in Anerkennung seines Lebenswerks das Hungertuch für Musik 2013. Eigentlich könnte: Dylan gut ohne den Nobelpreis für Literatur weiterleben und -arbeiten. Er ist auch kein genuiner Kandidat, insofern er halt kein ‚richtiger‘ Schriftsteller ist, sondern ein Singer-Songwriter. (Heinrich Detering)

Inzwischen gibt es: Pop mit Pensionsanspruch. Daher auch schnellstens der Schlussakkord: Die Erde ist keine Scheibe