künstlerische literatur

 

wo eigentlich künstlerische, und einst kultische, techniken für profane zwecke benutzt werden, so daß sie meist dem oberflächlich dynamischen, effektvollen, etikettenhaften, grellen und schrillen dienen, verschwinden die künste im öffentlichen raum zunehmend hinter verkunstungen. viele künstler fragen sich inzwischen, was, oder wem, denn alles künstlerische mühen noch hilft, wenn der kommerz vorzugsweise ästhetisch und theatralisch siegt, indem er, mittels tausenderlei facetten, im schönen schein und vom schönen zynismus leben läßt, während substantielle kunst zunehmend strukturell entwertet wird. und die machtzentren um so unumschränkter walten, je mehr rotation, der konventionen, sie erzeugen und umgibt. und die meisten menschen nicht entfernt individualität und egoismus, subjektiv und protektionistisch, selbstanspruch und partikularinteresse, persönlich und privat unterscheiden und beständig liberalistisch und liberal, perfekt und gerecht, effekt und substanz, markt und wert verwechseln sollen. und daher desto zweifelsfreier manipuliert, mithin zeitgeistgemäß vereinnahmt werden können, je intensiver man sie animiert, also aktiv setzt. und ein kulinarischer lebensstil entsteht, der wesen erzeugt, die ihre welt als büffet betrachten, herausgreifen, was sie gerade zu brauchen glauben, es genauso schnell wieder liegenlassen oder wegwerfen, sobald ihr begehren versiegt, und am ende andere menschen ebenso behandeln. bis der überdruß an falschheit womöglich entmenschte verhaltensweisen hervorruft. die dämonen der zukunft, die vermutlich viele sublimierungen zerstören werden, sind in den verwerfungen der gegenwart schon geboren. welche einflußsphären bleiben da der kunst, die künstlerische literatur inbegriffen, innerhalb oder gegenüber einer kommunikationslandschaft, in der öffentlichkeit vielfach entweder zum selbstzweck geworden ist oder uneingestandenen interessen dient? immerhin hat der künstler das privileg, daß er die fähigkeit zu muße, konzentration und vertiefung bewahren kann, während die technokratiegelenkten beschleunigungen zunehmend opfer zurücklassen, die am abgeforderten tempo scheitern, verzweifeln und zerbrechen. was erst wird die gesellschaftliche notbremse anrichten?

 

 

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Eine Erinnerung an: Gedanken, die um Ecken biegen, Aphorismen von Holger Benkel, Edition Das Labor, Mülheim 2013

Weiterführend

In einem Kollegengespräch ergründeln Holger Benkel und A.J. Weigoni das Wesen der Poesie – und ihr allmähliches Verschwinden. Das erste Kollegengespräch zwischen Holger Benkel und Weigoni finden Sie hier.

Gedanken, die um Ecken biegen, Aphorismen von Holger Benkel, Edition Das Labor, Mülheim 2013

Essays von Holger Benkel, Edition Das Labor 2014 – Einen Hinweis auf die in der Edition Das Labor erschienen Essays finden Sie hier. Auf KUNO porträtierte Holger Benkel die Brüder Grimm, Ulrich Bergmann, A.J. Weigoni, Uwe Albert, André Schinkel, Birgitt Lieberwirth und Sabine Kunz.

Seelenland, Gedichte von Holger Benkel , Edition Das Labor 2015