Je suis Taring Padi

 

Parallel zur documenta 15 installierte Laik Wörtschel als Diskussionsforum je eine Kanzel für Claudia Roth, Sabine Schormann, den Behinderungsbeauftragten Meron Mendel, u.a. Diskussionsteilnehmer’Innen.

Nach dem Anschlag auf die französische Satirezeitschrift Charlie Hebdo waren WIR nach dem 7. Januar 2015 alle einig: „Ich bin Charlie“. Man wollte sich von den „Ziegenfickern“ nicht vorschreiben lassen, was Kunst ist und was Satire darf.

Das Triviale und Populäre zu Kunst zu machen, ist eine Prämisse des Kollektivs Taring Padi. Die Motive stammen aus Alltagskultur, Konsumwelt und aus den Medien. Die Kennung von der „Ästhetik des Hässlichen“ als charakteristischem Merkmal, stimmt als Bewertung ebensowenig, wie die Formel „edle Einfalt und stille Größe“.

Ist das Kunst oder kann das weg?

Trash ist eine Bezeichnung für eine Kunst, die das eigene Verhältnis zur visuellen Kultur der modernen Konsum- und Mediengesellschaft reflektiert und zu ihrem Ausgangspunkt macht, die also mit Motiven aus Massenmedien und Werbung arbeitet. Das Wimmelbild von Taring Padi hat jedoch auch eine kunsthistorische Bedeutung. Die Klassische Moderne krankt am apolitischen Wesen der Zeit bei gleichzeitigem Werteverfall. Trash ist eine Brücke zwischen Europa und dem globalen Süden (wo immer der auch liegen mag), zwischen Pop Art und Abstract Expressionism, zwischen Massenkultur und höchstem künstlerischen Streben. In der bildenden Kunst verwenden Künstler Müll und billige Massenprodukte als Ausgangsmaterial für Collagen und Skulpturen. Diesen Arbeiten liegt in der Regel ein gesellschafts-, kapitalismus- oder konsumkritischer Subtext zu Grunde. Zu den ersten, die Abfälle und Materialreste in ihre Bilder integriert haben, zählen Georges Braque, Pablo Picasso oder die Dadaisten. Anfang des 20. Jahrhunderts stellten die Pariser Nouveau Réalistes und die Vertreter der Junk-Art in den USA ihre Arbeiten allein aus Abfall her, mit dem Ziel, den etablierten Kunstmarkt zu provozieren. Die bayrische Performance- und Trash-Art-Künstlerin ADLER A.F., die sich selbst als „Trash-Queen“ bezeichnet, setzte ihre gesellschaftskritischen Trash-Performances medienwirksam um. Markant in Erinnerung ist uns HA Schults Installation Trash People auf dem DomplatzAd absurdum geführt hat sich diese Reihe, nachdem sich herausgestellt hat, daß Schult diesen Müll mit seinen Mitarbeitern zum Teil selbst produziert hat.

Darf Kunst noch bis zum Wirklichsten vordringen?

„Wenn einer bei uns einen guten politischen Witz macht, dann sitzt halb Deutschland auf dem Sofa und nimmt übel.“, schrieb Kurt Tucholsky 1919. Seither hat sich kaum etwas geändert. Sollte man das Wimmelbild von Taring Padi wieder aufhängen? Prahlt Claudia Roth abermals damit, wie sie als Managerin die Ton, Steine Scherben in den Ruin trieb? Gibt die Generaldirektorin Sabine Schormann jetzt für Charlie Hebdo eine Sonderausgabe zur Dokumenta 15 heraus?

 

 

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Die Realsatire betrachtet KUNO wie der Rassist und Antisemit Emil Nolde auf der ersten Dokumenta 1955 reingewaschen werden sollte. Werner Haftmann war NSDAP-Mitglied, für die SA jagte und folterte er in Italien Partisanen. Nach Weltkrieg #2 erklärte der zum Kunsthistoriker gewandelte Haftmann den Maler Nolde zum „existenziellen Antifaschisten“. Die durchgängige Attitüde des Entlarvens ist schal geworden, sie erinnert an die Rekanonisierung von Günther GraSS  zu Lebzeiten.

Diese Gebissträger*Innen braucht es ebensowenig, wie eine Weltkunstschau.

© Archiv Mischa Kuball, Düsseldorf

Es war auch die Documenta, die Emil Noldes Mythos vom verfolgten Künstler verdichtete. Dies zeigt eine aufklärerische Werkserie des Künstlers Mischa Kuball. Anders als die verklärte Romanfigur in der Deutschstunde von Siegfried Lenz war Nolde, trotz der Beschlagnahmung und Weggeschobenheit seiner Kunst im Dritten Reich, bis zum Ende des Zweiten Weltkriegs ein absolut überzeugter Nationalsozialist, Antisemit und Bewunderer Adolf Hitlers. Bei einem Auftritt im Deutschen Literaturarchiv (Marbach, 2014), bezeichnete Lenz den Maler als problematischen Menschen, der sich in politischer Hinsicht „ein bisschen katastrophal“ verhalten habe. Zwar ließe sich darüber nachträglich nicht Gericht halten, aber er werfe Nolde vor, sich für seine Kollaboration mit den Nationalsozialisten auch nach dem Krieg nie entschuldigt zu haben. Seitdem ist es an der Zeit, die „Deutschstunde“ von den Lehrplänen der Deutsch-Unterrichts zu streichen.

 

Weiterführend  

Lesen Sie auch den Essay Laik Wörtschel – ein Künstler der Stille.