Eine Erinnerung an Heinz Rudolf Unger

 

Mit seinem Namen verbinde ich das Wort „Zwölfeläuten“. Das ist der Titel eines Theaterstücks von ihm, das unter der Regie von Harald Sicheritz auch großartig verfilmt wurde. Wir kennen einander schon lange, aus dem Café Hawelka, in das wir beide in den frühen Siebzigerjahren noch gegangen sind. Da sind wir einmal zusammengesessen und dann haben wir einen Nachtspaziergang gemacht. Ich glaube, es war für den Heinz Unger ein persönlich trauriger Anlaß, daß er sich mir gegenüber geöffnet hat. Die Erinnerung daran verbindet uns noch immer. Sehr selten begegnen wir einander in der Stadt, manchmal nach einer Veranstaltung in der Alten Schmiede; da sind wir einmal dann Biertrinken gegangen zum Czaak, gleich um die Ecke, vis-à-vis von der Ukrainischen Kirche, in die ich gerne gehe. Da haben wir einige Biere getrunken, ich habe damals noch geraucht und dauernd von ihm Zigaretten geschnorrt und mich dafür geschämt, aber der Heinz war und ist großzügig-galant, kein Knauserer, so nicht und anders nicht. Er ist ein Linker, könnte man vielleicht sagen, wenn das im Lauf der Zeit nicht ein zu abgedroschener Begriff, ein verludertes Wort, eine nichts mehr aussagende Bezeichnung geworden wäre. So sind wir halt alle gegen Gewalt, für soziale Gerechtigkeit, für die gerechte Verteilung der Güter, für den Frieden da und dort und überhaupt in der Welt, gegen die Ausbeuter und Banditen, gegen Manager-Gehälter, die durch nichts gerechtfertigt sind. „Gutmenschen“ werden wir heutzutage abfällig genannt, von Mölzer und anderen Rechten. Respektiert und gemocht, für notwendig befunden, daß es uns gibt, das „spielt’s sowieso nicht“ wie man in Wien sagt. Also, lassen wir’s bleiben, das zu erörtern. Lieber sitzen wir so wie einmal beim Dalmatiner in der Marc-Aurel-Straße heraußen im Freien; und in anderen noch verbliebenen halbwegs anständigen Gasthäusern oder ähnlichen Lokalen und trinken unser Bier oder unseren Wein. Ich weiß, der Heinz Unger ist schärfer als ich, aber er ist alles andere als ein ideologischer Dogmatiker oder umgekehrt ein dogmatischer Ideologe. Es geht hier nicht um Anhängerschaft, ums Mitmarschieren, was wir ja sowieso hassen und verachten; nein, es geht um unsere eigene Position als kompromißlose Individualisten. Und da wir uns sowieso seit langem kennen, reden wir erst gar nicht über so etwas, sondern er erzählt/e von seinem Aufenthalt in Griechenland und ich von meinem in Rom. Und irgendwann gegen Mitternacht brechen wir auf und sagen „bis zum nächsten Mal!

 

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Schriftstellerbegegnungen 1960-2010 von Peter Paul Wiplinger, Kitab-Verlag, Klagenfurt, 2010

Wiplinger Peter Paul 2013, Photo: Margit Hahn

Weiterführend → KUNO schätzt dieses Geflecht aus Perspektiven und Eindrücken. Weitere Auskünfte gibt der Autor im Epilog zu den Schriftstellerbegegnungen.
Die Kulturnotizen (KUNO) setzen die Reihe Kollegengespräche in loser Folge ab 2011 fort. So z.B. mit dem vertiefenden Kollegengespräch von A.J. Weigoni mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier. Druck und Papier, manche Traditionen gehen eben nicht verloren.