Ein Geflecht aus Perspektiven und Eindrücken

Es lohnt sich, mit Wiplinger mitzugehen. Plötzlich befindet man sich in einem Kontinuum, in einer aus der empfindsamen Perspektive dargestellten Lebensgeschichte des Autors, die zugleich auch die Lebensgeschichte der Autorinnen und Autoren ist, die Wiplinger in seine man Begegnungen sehr reichem Leben kennen gelernt hat.

Lev Detela

Peter Paul Wiplinger ist ein jovialer und schalkhafter Grandseigneur. Ein geistreicher und augenzwinkernder Zeitkritiker. Ein souveräner und amüsanter Causeur. Ein skeptischer Bürger mit Grandezza und Temperament. Ein weiser Patrizier, etwas burschikos und sehr tolerant. Wiplinger ist eine Genie der Freundschaft, und er legt Zeugnis davon ab. In den „Schriftstellerbegegnungen 1960 – 2010“ betrachten wir einen kaleidoskopartiger Text- und Bilderbogen, der von den Begegnungen des Autors und Photografen mit zahlreichen Kolleginnen und Kollegen, auch auf internationaler Ebene, erzählt. Der Zeithorizont reicht von den frühen Sechzigerjahren bis in dieses Jahr. Vieles, was bisher wenig bekannt war, wie zum Beispiel die existentialistische Anarchistenszene im legendären Café Sport in Wien, wird aus der Vergangenheit zurückgeholt und ins Licht gerückt. Es handelt sich hier keinesfalls um eine germanistisch-wissenschaftliche Arbeit, sondern um einen völlig subjektiven Erlebnisbericht, wobei die Abbildung und Charakteristik einer Person eher dem gleichkommt, was Wiplinger durch das Objektiv seiner Kamera sieht. Es ist im wahrsten Sinn des Wortes oft nur ein Festhalten eines Augenblicks. Wenn dieser Augenblick der Begegnung zu einer Beziehung geführt hat, dann widerspiegelt sich diese in einer ausführlichen Schilderung der Person und ihrer Charaktere.

Wie jede Geschichte ist auch die Literaturgeschichte etwas äußerst Unruhiges, das ständig neu geschrieben werden muss. Eine recht aufregende Form, sich dem literarischen Geschehen einer Epoche zu nähern, ist die Präsentation von Insider-Wissen mit persönlicher Note.

Helmuth Schönauer

Im Folgenden eine kleine Auswahl der im Buch beschriebenen „Begegnungen“: Gerhard Amanshauser, H.C. Artmann, Ingeborg Bachmann, Alois Brandstetter, Christine Busta, Elias Canetti, Milo Dor, Jeannie Ebner, Herbert Eisenreich, Fried, Gertrud Fussenegger, Elfriede Gerstl, Alfred Gesswein, Alexander Giese, Friedrich Heer, Peter Henisch, Gert Jonke, Maria-Therese Kerschbaumer, Kurt Kramer, Christine Lavant, Viktor Matejka, Peter Marginter, Friederike Mayröcker, Menasse, Günther Nenning, Heidi Pataki, Valery Popov, Heinz Pototschnig, Erwin Ringel, György Sebestyen, Manes Sperber, Hilde Spiel, Ilse Tielsch, Friedrich Torberg, Heinz Rudolf Unger, Alois Vogel, Adam Zielinski.

Peter Paul Wiplingers „Schriftstellerbegegnungen ist eine wundersam individuelle Schatzkiste aus einem literarischen Halbjahrhundert. Jeder Eintrag regt dazu an, loszulegen im Nachlesen, Nachforschen und Wieder-zu-Gemüte-Führen.

Die KUNO-Redaktion erinnert dies an ein Projekt des rheinischen Ungarn A.J. Weigoni. Zwischen 1995 und 1999 im Rahmen seiner Arbeit für den VS Kollegengespräche mit Schriftstellern aus Belgien, Deutschland, Rumänien, Österreich und der Schweiz geführt. Sie arbeiteten am gleichen „Produkt“, an der deutschen Sprache. Die Publikation ist zum 30. Jahrestag des VS erschienen. Die Autoren haben sich auf den Hörspieltagen in Rust auf Vermittlung von Margit Hahn kennengelernt, leider ist daraus kein Kollegengespräch entstanden, dafür vermittelte Weigoni den Wiener an KUNO weiter. Jeder, der sich in Zukunft mit dem Phänomen der modernen österreichischen Literatur, aus der Perspektive der Sprachvirtuosität der jeweiligen Autoren und als Reaktion auf eine als zunehmend problematisch empfundene gesellschaftliche Wirklichkeit dieses historisch komplexen Landes auseinandersetzen möchte, kommt an den „Schriftstellerbegegnungen 1960-2010“ von Peter Paul Wiplinger nicht vorbei.

 

 

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Schriftstellerbegegnungen 1960-2010, von Peter Paul Wiplinger. Kitab-Verlag, Klagenfurt, 2010

Wiplinger Peter Paul 2013, Photo: Margit Hahn

Weiterführend → Weitere Auskünfte gibt der Autor im Epilog zu den Schriftstellerbegegnungen.

Lesen Sie auch die Essays Über den Zustand der Liebe in lyrischen Texten und Poetik des Humanen über Peter Paul Wiplinger.

Die Kulturnotizen (KUNO) setzen die Reihe Kollegengespräche in loser Folge ab 2011 fort. So z.B. mit dem vertiefenden Kollegengespräch von A.J. Weigoni mit Haimo Hieronymus über Material, Medium und Faszination des Werkstoffs Papier. Druck und Papier, manche Traditionen gehen eben nicht verloren.

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