Untiefen

Dieses Theaterstück ist ein weiterer Auszug  der Internetseite www.herr-nipp.de über einen gewissen Herrn Nipp, welche seit einigen Jahren mit ihren fast täglichen Texten viele Leser gefunden hat. Neben kleinen Geschichten und Gedichten werden dort auch sogenannte Versuche präsentiert, die nicht immer ein Ende finden. Avatare dürfen gewinnen, sie dürfen allerdings auch mit und an ihren Ideen scheitern. Zuweilen klopft dieser kleine Alltagsheld als Kommentator oder Beobachter unserer Gegenwart scheinbar oberflächliche Sprüche oder verliert sich in ebenso scheinbaren Weisheiten, immer aber seziert er sein Alltagserleben, seine Erfolge, Nöte und absurde Begebenheiten. Auf KUNO lebt er sogar ein autarkes Leben, losgelöst von seinem Autor wird er dort selbst zum Handelnden, zum Verfasser. Es entstanden in den vergangenen 20 Jahren dabei Szenen und Theaterstücke, Romane und Novellen sowie weitere Textfragmente. Einen Versuch stellt das vorliegende Theaterstück dar.

Ein Sinn ist in den Leerstellen zu finden. Sinn, die knappste aller Ressourcen, gibt es im Leben eher selten – also feiert er lachend und tanzend, feixend und keckernd den Unsinn, hadert zweifelnd am Leichtsinn, kritisiert unverständig den Stumpfsinn und letztlich ironisiert er mit leichter Zurückhaltung die scheinbare Sinnlosigkeit. Heiterkeit ist ein gegensinniger Reflex auf Leid- und Verlusterfahrungen, Tiefsinnigkeit des Denkens erscheint als Anker dort, wo die Glückserfahrungen infrage gestellt werden. Hinter dem Klischee beginnt die Wirklichkeit und die Kunst von Haimo Hieronymus besteht darin zu wissen, wann man darauf verzichten muss, das Leben lesen zu wollen. Er nutzt die Sprache als Denkraum und stellt Verweise zur Verfügung, indem er durch die Erscheinungsformen, die Dinge, Körper und Räume hindurch, aufs Allgemeine verweist. Die Protagonisten dieses Stückes setzen die Ding– und Sprachmomente neu zusammen und verwandeln sie.

Wer aber ist wer und vor allem, was will die Figur? Ist sie lediglich oberflächlich oder verbirgt sich darunter etwas anderes?

Wir finden in diesem Stück neben sprachlichen Floskeln, die sich noch nicht etabliert haben, Verweise in die Literatur wie Kulturgeschichte, sie werden zu Versprechern, die verzeihlich sind, und Ausrutschern, die zu sprachlichen Kollateralschäden führen. Die Realität als Fiktion steht auf dem Prüfstand einer belasteten Beziehung.

Umgesetzt hat dieses Stück zuerst der Choreograph, Tänzer und Regisseur Manuel Quero mit den Schauspielern Christina Stöcker und Omar Shaker. Musikalisch begleitet Silas Eifler auf dem Bass. Bereits in der Vergangenheit haben Manuel Quero und Haimo Hieronymus, beide Mitglieder der Ateliergemeinschaft DER BOGEN, zu diversen Anlässen zusammen gearbeitet, seien dies Choreographien von Quero, Ausstellungen von Hieronymus oder gemeinsam entwickelte Filmprojekte. Sie kennen sich sehr genau und wissen, wo ihre jeweiligen Grenzen liegen und wie weit man sie überschreiten muss, ohne entgrenzt zu sein, aber neue Horizonte zu entdecken. Man muss wissen, wie weit man zu weit gehen kann. Alle Regieanweisungen in diesem Text beziehen sich auf eine  nicht realisierte Aufführung zur Jahresausstellung 2016 in der Werkstattgalerie DER BOGEN. Manuel Quero wurde es für die Neuaufnahme seitens des Autors völlig frei gestellt, in welcher Weise mit dem Text umzugehen sei. So wurden in der Uraufführung zum Kunstsommer Arnsberg 2017 teilweise auch textliche Veränderungen vorgenommen, die dem Umstand inhaltlicher Zugänglichkeit, der Aussprechbarkeit oder Verständlichkeit geschuldet sind.

Im Anhang des Theaterstücks finden sich einige weitere Texte der oben genannten Internetseite, die Einblick in die Welt des Herrn Nipp geben sollen, in die Sprach- und Sinnspielereien. Die Fiktion steht auf dem Prüfstand. Herr Nipp de-realisiert das Faktische und real-isiert das Fiktionale. Diese Short-Shorts geben nicht das Sichtbare wieder, sie machen sichtbar und zeigen die Oxymoras seines Schreibens: Ein Aperçu erhält Rahmen und Inhalt durch das, was in seiner Twitteratur vergessen gemacht wird, und so weiter und so fort… Da Herr Nipp als virtuelle Figur das Schreiben nicht studiert hat, sondern der von Hieronymus geschaffenen Legende nach über seine Zufallsnotizen und Tagebücher zum Verfassen kam, mag man ihm einige Ungereimtheiten verzeihen. Es kann natürlich auch sein, dass alles geplant ist. Hier geht es nicht um intellektuelle Komposite, sondern das Hintergründige wird nach vorne geschoben und auf der Straße breitgewalzt.

 

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Untiefen – Theaterstück in einem Aufzug. Diese Veröffentlichung erscheint anlässlich der Uraufführung unter Leitung von Manuel Quero im Rahmen des Arnsberger Kunstsommers 2017 in einer Auflage von 50 Exemplaren. Der Umschlag ist mit einem Schablonendruck versehen.

Uraufführung, heute am Sonntag, 27.08.2017 um 15 Uhr vor dem Glashaus am Kloster Wedinghausen in Arnsberg.

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Weiterführend →

Zu einem begehrten Sammlerstück hat sich die Totholzausgabe von Herrn Nipps Die Angst perfekter Schwiegersöhne entwickelt. Zudem belegt sein Taschenbuch Unerhörte Möglichkeiten, daß man keinen Falken mehr verzehren muss, um novellistisch tätig zu sein. Herr Nipp dampft die Gattung der Novelle konsequent zu Twitteratur ein. Und außerdem präsentiert Haimo Hieronymus ab 2017 Über Heblichkeiten, Floskeln und andere Ausrutscher aus den Notizbüchern des Herrn Nipp.