Am Ende einer langen Heizperiode

 

Am Ende einer langen Heizperiode

verfasst verloren jemand eine Modeode

auf seine winterlang defekte Heizung:

 

Er überlässt sich unverfroren glatt

der Reizung

frühlingserwachter Sinnenspreizung: in

a. die tiefgespeichert

Halt versprochne Kälte in den Knochen

die sehr gelungen

Scharfblick stiftet und

b. die Miefbereicherung,

die er gerochen und

die ihn durchdrungen

und vergiftet hat.

 

Er lüftet seine krampf-verzitterte

Gemütsverfassung, wittert verstohlen

eine neue Überlassung

jenes Gebiets der ewig Schwitzenden,

mit denen er umsonst gerungen,

die er mit kalten Kohlen,was

verbitterte, bisher umsonst

bestochen hat.

Der neu gewonn`ne Raum versetzt

ihn in die Lage eines häufig

Sitzenden.

Wie schnell zeronn`ner Schaum benetzt

ihn nun die Frage aller käuflich

Flitzenden

 

Ist Liegen

nicht vielleicht doch angemessener?

 

Statt einfach sich geringelt auszuspannen,

spannt er gänzlich aus.

Willst du dich darin wiegen,

dann entweicht dir, Planbesessener

das  Gas, das dich entzündet wenn du frierst.

 

Und Lügen lullt dich ein,

das dich erfindet,

wenn du gierst,

bis du – umzingelt

von Ideenstaus –

ins nichtvorhand`ne Feuer

stierst.

 

 

 

***

Anmerkung der Redaktion: Wir entnehmen dieses Gedicht: stadtlandfluss, 111 Dichterinnen und Dichter aus Nordrhein­Westfalen

Ob in Städten oder Dörfern, in den Bergen oder am Fluss – Nordrhein­Westfalen ist ein Land der Poesie. Es ist so reich, so vital, so vielseitig an unterschiedlichen lyrischen Stimmen wie kaum ein anderes deutsches Bundesland. NRW ist durch seine sich verändernde Urbanität, seine sich wandelnden Kultur­ und Industrie­Landschaften, durch seine Geschichte und durch seine sich entwickelnde ethnische Vielfalt zu einem  poetischen Impulsgeber geworden.

Jürgen Nendza und Hajo Steinert haben für die Kunststiftung NRW, die ihr 25­jähriges Bestehen feiert, 111 Lyrikerinnen und  Lyriker aus Nordrhein­Westfalen mit Gedichten aus den vergangenen 25 Jahren ausgewählt. Bekannte Namen wie Jürgen  Becker, Theo Breuer, Thomas Kling, Elisabeth Borchers, Marion  Poschmann, Michael Lentz oder Oswald Egger und A.J. Weigoni sind in „Stadtlandfluss“ ebenso vertreten wie junge Talente. Wiederaufgefundenes und neue Entdeckungen stehen gleichberechtigt nebeneinander. Begleitet wird diese reiche Auswahl von einem Essay von Ulla Hahn.

Der Titel Stadtlandfluss verweist deutlich auf Heimattopografie; tatsächlich bestehen die beiden (in typisch rheinischer Manier nicht konsequent durchgehaltenen) Hauptprinzipien der Anthologie darin, Gedichte aus bereits erschienenen Bänden hervorzuzaubern wie das gute Eingeweckte aus dem Keller, und dabei, nicht zuletzt um der Verschiedenheit im Ausdruck ein Bindeglied zu verleihen, bevorzugt solche, die regionales Kolorit transportieren. So finden sich Karnevalsgedichte neben Rheinbeschimpfungen, Stimmungs- und Liebesgedichte mit und ohne konkrete landschaftliche Verortung neben Experimentellem – ein lange überfälliges Kompendium der zeitgenössischen Dichtung aus, aber auch über NRW.

Mit Beiträgen von Khalid Al-Maaly, Jürgen Becker, Uli Becker, Hans Bender, Marcel Beyer, Elisabeth Borchers, Theo Breuer, Jürgen Brôcan, Hans Georg Bulla, Matthias Buth, Crauss., Dominik Dombrowski, Hilde Domin, Anne Dorn, Oswald Egger, Jürgen Egyptien, Adolf Endler, Manfred Enzensperger, Elke Erb, Saskia Fischer, Tina Gintrowski, Dieter M. Gräf, Harald Gröhler, Dorothée Haeseling, Annette Hagemann, Jens Hagen, Ulla Hahn, René Hamann, Harald Hartung, Rolf Haufs, Guy Helminger, Henning Heske, Andrea Heuser, Marius Hulpe, Norbert Hummelt, Hendrik Jackson, Steffen Jacobs, Angelika Janz, Thomas Kade, Adrian Kasnitz, Hugo Ernst Käufer, Reinhard Kiefer, Esther Kinsky, Bärbel Klässner, Sibylle Klefinghaus, Thomas Kling, Barbara Maria Kloos, Nicolai Kobus, Barbara Köhler, Michael Kohtes, Thorsten Krämer, Dagmara Kraus, Thomas Krüger, Wolfgang Kubin, Sabine Küchler, Axel Kutsch, Stan Lafleur, Arnold Leifert, Christoph Leisten, Michael Lentz, Swantje Lichtenstein, John Linthicum, Monika Littau, Marcel Maas, Peter Maiwald, Horst-Ulrich Mann, Marie T. Martin, Hartwig Mauritz, Jürgen Nendza, Jovan Nikolić, Alexander Nitzberg, Brigitte Oleschinski, Hellmuth Opitz, Rolf Persch, Johannes Poethen, Marion Poschmann, Liselotte Rauner, Karl Riha, Michael Roes, Hendrik Rost, Ralf Rothmann, Gerhard Rühm, Peter Rühmkorf, Frank Schablewski, Norbert Scheuer, Wolfgang Schiffer, Sabine Schiffner, Astrid Schleinitz, Sabine Scho, Ferdinand Scholz, Margot Schroeder, Silke Andrea Schuemmer, Amir Shaheen, Jan Skudlarek, Enno Stahl, Susanne Stephan, Ralf Thenior, Thien Tran, Hans-Ulrich Treichel, Sandra Trojan, Ludwig Verbeek, J. Monika Walther, A. J. Weigoni, Dieter Wellershoff, Christoph Wenzel, Levin Westermann, Christa Wißkirchen, Gerrit Wustmann, Xu Pei, Michael Zeller und Joachim Zünder.

Stadtlandfluss, Lilienfeld Verlag, Düsseldorf, 532 Seiten, gebunden, Fadenheftung, Leseband, 14 × 20 cm, 19.90 Euro

 

Weiterführend → 

Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung an die visuellen Arbeiten von Angelika Janz. Und nicht zuletzt, Michael Gratz über Angelika Janz‘ tEXt bILd