Lederfresse · Revisited

Diese Filme sprechen die Sprache der Boulevard-Presse, und ihr Mythos ist es, daß die Grausamkeit überall und der Zustand unserer sich in ihrem Endstadium befindenden Gesellschaft ist.

Georg Seeßlen / Claudius Weil

In der Eingangssequenz von Tobe Hoopers Meisterwerk des Trash verliest ein Nachrichtensprecher, unterlegt von Blitzlichtaufnahmen von verwesenden Leichnamen und Bildern von Sonnenprotuberanzen, Berichte über Grabplünderungen und gewaltsame Todesfälle. Es folgt ein Horror-Film, der ähnlich wie Psycho vor Sir Alf eine Lawine losgetreten hat. Vierzig Jahre nach seiner Premiere kommt das Texas Chain Saw Massacre in einer 4k-Version (das bedeutet in der höchsten heutigen digitalen Qualität) und remastered in die amerikanischen Kinos, und das war eine Menge Arbeit, berichtet Rich McCormick in The Verge:

„Boris Seagrave, der den Film remastered hat, sagt, dass er mit ‚Zehntausenden‘ Mängeln zu tun hatte. ‚Es gab Hunderte, wenn nicht Tausende Schnittspuren mitten in den Bildern. Manche Bilder präsentierten zweihundert Schmutzereignisse.‘ Trotz der Reinigerung soll der körnige Charakter der Filmbilder aber erhalten geblieben sein.“

Dazu passend führte Horror-Geek Dietmar Dath im ganzseitigen Feuilletonaufmacher der FAZ ohne Rücksicht auf Mediengrenzen durch die Nischen und Manifestationen seines Lieblingsgenres und stellt dabei begeistert fest, daß es „im reichen Westen und Norden – also nicht in Japan, Mittel- und Südamerika und Afrika, wo sie stets wohlauf war – seit etwa fünf Jahren wieder so interessant geworden ist, wie sie in diesen Regionen zuletzt Mitte der siebziger Jahre des letzten Jahrhunderts wurde (…). Die neue Blüte findet in Zeitschriften (Black Static, Cemetery Dance, Subterranean), speziellen Verlagen (in Deutschland zum Beispiel Festa), Erzählungssammlungen, Romanen und auf besonderen Websites statt. Sie reicht von Schöpfungen eingestandenen Trash-Wahnsinns (Weissblech-Comicverlag) bis in die respektablen Bezirke, wo die Literaturkritik für Gebildete ihre Fische fängt.

 

 

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Weiterführend →

In den folgenden Wochen weist KUNO auch auf andere Meisterwerke des Trash hin. A.J. Weigoni regte den Verleger Dietmar Pokoyski 1989 dazu an, sogenannte Gossenhefte ins Verlagsprogramm aufzunehmen. Das erste Heft dieser Reihe, die Erzählung Jaguar, überarbeitete A.J. Weigoni als Neo-Noir-Novelle Der McGuffin – Nachruf auf den Kriminalroman für das Buch Cyberspasz, a real virtuality weiter. Weiteres kann man auf kukultura-extra nachlesen, zusätzlich kann man ein Hintergrundgespräch auf Lyrikwelt.de lesen. Ein nicht minder lesenswerter Essay findet sich auf fixpoetry. Eine Leseprobe findet sich hier und Probehören kann man eine Rezitation von A.J. Weigoni auf MetaPhon die durch Tom Täger vertont wurde.

Weigonis Sammlung von Kurzgeschichten wurde im Format eines Groschen Romans veröffentlicht und ist ein Stück Subversion im Literaturbetrieb.

Andreas Göx, Buchsurfer

Ein Artikel zum Gossenheft Monster finden Sie hier, die Stories in diesem vergriffenen Band waren die Entwurfsskizzen, aus denen dieser Romancier die Erzählungen für das Buch Zombies entwickelt hat. Weiterführende Links: Kultura-extra, nrhz, fixpoetry

Diese Erzählungen sind voller Humor und streckenweise so schwarz, daß sie unter der Kohlenkiste noch einen Schatten werfen würden.

Margaretha Schnarhelt

Die erwähnten Gossenhefte sind vergriffen und werden unter Sammlern für Preise um 20,- Euro gehandelt. Die sorgsam edierten Erzählungen und Novellen sind erhältlich:

Cyberspasz, a real virtuality, Novellen von A. J. Weigoni, Edi­tion Das Labor, Mülheim an der Ruhr 2012.

Zombies, Erzählungen von A. J. Weigoni, Edition Das La­bor, Mülheim an der Ruhr 2010.