Das rote Gummiband

 

Der Raum besaß auf ungewohnte Weise Fenster im rechten Winkel zueinander, die den Ausblick auf ein ähnlich angelegtes Fensterstück freigaben. Ein gläserner Aschenbecher stand auf dem Schreibtisch, dem einzigen Möbelstück im Raum. Dieser Aschenbecher, ausgeleert, aber ungereinigt, enthielt ein rotes Gummiband. Als sie fragte, ob sie rauchen dürfte, entfernte die hinter dem Schreibtisch stehende Person das rote Gummiband, indem sie es in der Rocktasche verschwinden ließ, wobei sie gleichzeitig den Aschenbecher der noch nicht ganz Eingetretenen entgegenschob.

Sie entdeckte, dass das, was sie schrieb, in fremde Hände geriet. Eigenartig war nur, dass man sie nicht daraufhin ansprach, sondern ihre Aufzeichnungen in sachfremde Unterhaltungen verwob. Solche Unterhaltungen waren ihrer Struktur nach auf die Stimmungen der Redenden so eingespielt, dass sie die Aufzeichnungen kaum wiedererkannt hätte, wenn nicht die gleiche sichere Unverbindlichkeit der Wortfolgen sie stutzig gemacht hätte.

 

 

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Delta … als sei ihre Unsichtbarkeit nichts weiter, von Angelika Janz 2022

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Angelika Janz erzählt im Delta ganz aus der Innenperspektive und schafft eine leicht verfremdete Atmosphäre. Mit sezierendem Blick und literarisch sehr eigenwillig zeigt sie eine soziale Gemeinschaft und eine Gesellschaft, die sich selbst zersetzen. Über eine zusammenhängende Folge hinweg wird die Geschichte durch die vielen kleinen redundanten Bewußtseinsströme in Offene geführt.

Weiterführend → 

Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung an die visuellen Arbeiten von Angelika Janz. Und nicht zuletzt, Michael Gratz über Angelika Janz‘ tEXt bILd