Die Wartegänge sind blau gekachelt

 

Je später es wird, desto lautloser vollstreckt sich das Kommen und Gehen. Wer sich hier aufhält, ist spürlos da.

Als sie sich auf das Band der Rolltreppe stellt, um in den U-Bereich hinab zufahren, fällt sie der Gedanke an, sie habe nun niemand mehr außer sich selbst. Sie steht in ihrem Alleinsein so, als wäre sie gar nicht da, und sie könne jetzt tun, was sie wolle, niemand würde es auch nur registrieren, sie könne sich zum Beispiel eine zweite und dritte Zeitung kaufen, sie könne nach V. fahren, mit dem sie nichts verbindet, und alle, die damit zu tun hätten, würden über die Ausführung ihrer Funktion hinaus sie nicht auf den Fehler ansprechen.

Sie sieht mit dem unter Stahlplatten verschwindenden Rollband vor ihr auch die lockere Verschwörung mit sich selbst gegen solches Versagen schwinden, und als die Metallstufe, auf der sie steht, zum Ende hin in den Boden sinkt, stellt sie es sich mühelos vor, mit zu verschwinden, um oben wieder anzukommen.

 

 

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Delta … als sei ihre Unsichtbarkeit nichts weiter, von Angelika Janz 2021

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Angelika Janz erzählt im Delta ganz aus der Innenperspektive und schafft eine leicht verfremdete Atmosphäre. Mit sezierendem Blick und literarisch sehr eigenwillig zeigt sie eine soziale Gemeinschaft und eine Gesellschaft, die sich selbst zersetzen. Über eine zusammenhängende Folge hinweg wird die Geschichte durch die vielen kleinen redundanten Bewußtseinsströme in Offene geführt.

Weiterführend → 

Lesen Sie auch das Kollegengespräch, das A.J. Weigoni mit Angelika Janz über den Zyklus fern, fern geführt hat. Vertiefend ein Porträt über ihre interdisziplinäre Tätigkeit, sowie einen Essay der Fragmenttexterin. Ebenfalls im KUNO-Archiv: Jan Kuhlbrodt mit einer Annäherung an die visuellen Arbeiten von Angelika Janz. Und nicht zuletzt, Michael Gratz über Angelika Janz‘ tEXt bILd